Bücherkamele versorgen in Pakistan, Äthiopien und Kenia benachteiligte Kinder mit Lesestoff für mehr Bildung.
Seit März 2020 sind viele Schulen rund um die Welt geschlossen – auch in Mand, einer Stadt im Süden der pakistanischen Provinz Belutschistan, können Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Dadurch bleibt ihnen schon seit über einem Jahr der einzige Zugang zu Bildung verwehrt. Raheema Jalal wollte diesen Umstand nicht länger hinnehmen. Sie ist Direktorin einer örtlichen High School und hat gemeinsam mit ihrer Schwester im August 2020 „The Camel Library Project“ gestartet. Ziel des Projektes ist es, Kindern den Alltag während der Corona-Pandemie zu erleichtern, indem sie Zugang zu Büchern bekommen und so weiterhin lernen können.
Zugang zu Wissen vermitteln, Perspektiven bieten, Entwicklung ermöglichen
Dreimal pro Woche besucht Raheema Jalal mit ihrem Kamelhengst Roshan entlegene Dörfer in der Umgebung, um deren junge Bewohner:innen während der Corona-Pandemie sinnvoll zu beschäftigen. Jalal sagt, viele Kinder könnten es sich nicht leisten, zur Schule zu gehen, sie sei jedoch die einzige Form der Unterhaltung am Tag. Die mobile Bibliothek sei daher eine gute Möglichkeit, den Kindern Wissen zu vermitteln und sie von Dummheiten abzuhalten. Bei jedem Besuch verbringen Raheema Jalal und Roshan zwei Stunden in einem Dorf, dann ziehen sie weiter zum nächsten Ort. Die Kinder können das Buch, das sie sich ausgesucht haben, bis zum kommenden Besuch ihres vierbeinigen Freundes ausleihen und es dann gegen ein anderes Exemplar eintauschen. Angesichts dessen, dass 40 Prozent der Bewohner:innen Pakistans Analphabet:innen sind und mehr als die Hälfte der fünf- bis 16-jährigen Menschen keine Schule besuchen, leistet Roshan als tierischer Bibliothekar wichtige Bildungsarbeit und trägt einen wertvollen Schatz auf seinem Rücken.
Roshan ist nicht das einzige Kamel mit einer mobilen Bibliothek zwischen Höckern
Das Team des Good News Magazin hat bei seinen Recherchen herausgefunden: Roshan ist auf seiner Mission nicht alleine. Die allererste Kamelbibliothek wurde bereits 1996 in Kenia durch den Kenya National Library Service (KNLS) gegründet. Alles begann in der Stadt Garissa, wo zunächst drei Kamele im Umkreis von 20 Kilometern Nomad:innen, Schulen, Geflüchtetenlager sowie Bildungsprogramme für Erwachsene mit Literatur belieferten. 2001 waren es schon sechs Kamele, die mit ihren Camel Libraries auch infrastrukturell abgeschnittenen Menschen kulturelle und soziale Teilhabe ermöglichen.
Lebendiger Schwertransport: ein Kamel kann bis zu 200 Bücher auf einmal tragen
Anders als bei The Camel Library Project von Raheema Jalal und Roshan in Pakistan, können sich interessierte Menschen in Kenia nicht einfach so ein Buch ausleihen, stattdessen werden viermal pro Woche Lesestunden durchgeführt. Im Anschluss daran geben die Leser:innen die genutzten Bücher wieder zurück. Diese Anpassung war notwendig, weil die Projektteilnehmer:innen überwiegend Nomadenfamilien sind und sie in der Vergangenheit bis zum nächsten Besuch der Kamele oft schon weiter gezogen waren. Die kenianische “Karawane der Bücher” ist so bekannt, dass darüber 2010 sogar ein gleichnamiger Dokumentarfilm von Regisseur Herbert Ostwald veröffentlicht wurde.
Äthiopien: 21 Kamele begeistern über 22.000 Kinder in 33 Dörfern für Bücher
In Äthiopien hat die internationale NGO „Save the Children“ 2010 ebenfalls eine Kamelbibliothek ins Leben gerufen. Einmal pro Woche bringen die Höckertiere Nachschub, damit minderjährige Bewohner:innen entlegener Dörfer auch ohne den Besuch einer Schule lernen können. Ganz besonders jetzt während der Corona-Pandemie sind die Bücherkamele eine willkommene Abwechslung.
Beitragsbild: Save the Children