Forscherinnen und Forscher haben eine Farbe aus Bariumsulfat entwickelt, die Wärme in den Weltraum reflektiert. Damit haben sie das neue „weißestes Weiß der Welt“ geschaffen – und einen technischen Durchbruch im Klimaschutz.
Bereits im Oktober 2020 haben Forscher:innen der Purdue Universität im US-Bundesstaat Indiana eine kühlende Fassadenfarbe entwickelt, die 95,5 Prozent des Sonnenlichts reflektiert und damit einen positiven Beitrag zum Klimaschutz geleistet, weil Gebäude, die mit der Farbe angestrichen sind, sich weniger erhitzen. Dadurch ist – bei einer großen Anzahl von Gebäuden, bei denen die Farbe verwendet wurde – die Bodenerwärmung geringer und es muss weniger Strom für Klimaanlagen aufgewendet werden. Nun haben die Forscher:innen sich selbst übertroffen und eine ultraweiße Fassadenfarbe entwickelt, die sogar 98,1 Prozent des Sonnenlichts in den Weltraum abstrahlt und damit besser kühlt als eine handelsübliche Klimaanlage.
Wie ist das möglich?
Die erste Version der ultraweißen kühlenden Farbe enthielt Kalziumcarbonat, auch kohlensaurer Kalk genannt. Die Partikel waren um ein Vielfaches feiner als ein menschliches Haar und konnten so in der Masse einen Großteil der Sonnenwärme in die Atmosphäre reflektieren.
Inzwischen haben die Forscher:innen eine weitere ultraweiße Farbe entwickelt. Statt auf kohlensaurem Kalk basiert diese auf Bariumsulfat. Bariumsulfat kennen wir zum Beispiel aus der Herstellung von weißem Fotopapier oder aus der Produktion weißer Kosmetikartikel. Das Geheimnis der Forscher:innen ist, dass sie unterschiedlich große Bariumsulfat-Partikel in die neue kühlende Farbe eingebaut haben. Je mehr verschiedene Partikelgrößen es gibt, desto größer ist der Teil des Lichtspektrums der Sonne, den die Farbe streuen kann.
Kosten senken, Klimawandel bremsen
Mit ihrem Ultraweiß wollten die Forscher:innen nicht nur ein Gegenstück zum schwärzesten Schwarz der Welt „Vantablack“ schaffen, das 99,9 Prozent des Sonnenlichts absorbiert. Vielmehr soll die Farbe dabei helfen, Stromkosten zu senken und damit auch nachhaltig zum Klimaschutz beitragen. Das Ziel, Stromkosten für Klimaanlagen zu senken, haben die Forscher:innen bisher noch nicht erreicht. Die kühlende Farbe sorgt zwar im Sommer dafür, dass teure Klimaanlagen zu dieser Jahreszeit seltener benutzt werden müssen, aber sie wärmt im Winter nicht gleichzeitig besser, sodass dann nach wie vor geheizt werden muss.
Einen positiven Beitrag leistet die kühlende Farbe trotzdem – selbst in der Mittagssonne kann die Farbe die Objekte, auf denen sie angewendet wird, bis zu 4,5° Celsius unter die Umgebungstemperatur kühlen und bis zu zehn Kilowatt Kühlleistung erzeugen. Sie könnte so in Zukunft die Erwärmung der Städte und damit den Klimawandel bremsen, da das Sonnenlicht in die Atmosphäre zurückreflektiert wird, bevor Gebäude, Straßen und Böden sich aufheizen.
Kühlende Fassadenfarbe soll in zwei Jahren marktreif sein
Das Ergebnis kommt nicht von ungefähr – für die aktuelle Version der kühlenden Farbe tüftelten die Forscher:innen sechs Jahre und nutzten dabei Erkenntnisse der Grundlagenforschung über Strahlungskühlfarbe als Alternative zur Klimaanlage aus den 1970er Jahren. Auch nach seinem Erfolg ruht sich das Team der Purdue University nicht aus. Damit die ultraweiße kühlende Farbe genauso effektiv wird wie ihr Gegenstück „Vantablack“, müssen die Forscher:innen den Bariumsulfatgehalt erhöhen, ohne dass die Farbe bröckelt. Der nächste Meilenstein steht in zwei Jahren an: Bis dahin soll die Farbe so weiterentwickelt sein, dass sie zum Beispiel als Fassadenanstrich für große Rechenzentren eingesetzt werden kann, die bisher sehr viel Strahlungswärme produzieren.
(c) Beitragsbild: Purdue University/Jared Pike