Tierpopulation verdoppelt sich in weniger als 20 Jahren

das ist ein GNM+ ArtikelAkagera-Nationalpark: Erfolgsgeschichte für Tier und Mensch

von | 28. November, 2023

Der Akagera-Nationalpark in Ruanda ist ein beeindruckendes Beispiel für erfolgreichen Naturschutz, der Tier und Mensch zugutekommt.

Noch vor weniger als 15 Jahren stand es schlecht um den Akagera-Nationalpark in Ruanda. Dann wendete sich das Blatt. Unter der Führung einer neuen Verwaltung gelang es, die Lokalbevölkerung mit ins Boot zu holen und die Wilderei komplett zu stoppen. So konnte sich die Tierpopulation seit 2010 mehr als verdoppeln und gefährdete Arten wieder eingeführt werden. Heute ist der Akagera-Nationalpark ein Erfolgsbeispiel für nachhaltigen Umweltschutz, von dem Mensch und Tier profitieren.

Akagera: ein Paradies ungestörter Artenvielfalt

„Stop!” sagt unser Guide. Ich trete auf die Bremse unseres gemieteten Toyotas. „Seht ihr die Giraffe?” Wir sehen sie nicht, zumindest nicht, bis wir näher dran sind. Dann aber steht sie nur wenige Meter vor uns. Genüsslich zupft sie mit ihrer langen Zunge Blätter vom Baum, uns würdigt sie keines Blickes. Wir hingegen sind absolut begeistert – und in meinem Fall so fasziniert, dass ich fast vergesse, Fotos zu machen. Über die nächsten Stunden sollten wir Elefantenherden an uns entlangziehen sehen, Nilpferde, wie sie langsam vor uns im Wasser verschwinden und eine Vielzahl von Zebras, verschiedenen Antilopenarten, Affen und Vögeln.

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Unsere erste, aber bei weitem nicht letzte Giraffe im Akagera-Nationalpark. Nach einigen Momenten fasziniert-selbstvergessener Beobachtung dachte ich zum Glück doch noch daran, Bilder zu machen.

Zwei Tage verbrachten wir im Akagera-Nationalpark im Südosten von Ruanda, dort, wo das „Land der Tausend Hügel” an Tansania grenzt und die Landschaft flacher und trockener wird. Der Park ist unter den Nationalparks Afrikas ein Geheimtipp, noch vergleichsweise unberührt, doch bekannt für seine Artenvielfalt. Über 400 Vogelarten gibt es hier, zahlreiche Antilopenarten und die berühmten „Big Five”: Löwen, Kaffernbüffel, Elefanten, Nashörner und Leoparden. 

Eine beeindruckende Wende

1934 gegründet, ist der Akagera-Nationalpark einer der ältesten ganz Afrikas. Wenn man heute über die sandigen Straßen fährt, vorbei an Giraffen und Zebras, kann man sich kaum vorstellen, dass der Park einmal Schauplatz heftiger bewaffneter Auseinandersetzungen war. Von 1990 bis 1994 kämpften hier Truppen der Ruandischen Armee und der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) gegeneinander, 1994 gewann die RPF die Oberhand. Unter Führung des heutigen Präsidenten Paul Kagame setzte sie dem Genozid von 1994 ein Ende und leitet seitdem die Regierung. In den Jahren danach kehrten mehr und mehr Menschen, die vor den Repressionen und Gewaltverbrechen des Regimes geflüchtet waren, nach Ruanda zurück. Auch im Akagera-Nationalpark erlaubte die Regierung die Ansiedelung aus dem Exil zurückgekehrter Ruander:innen und ihrer Rinderherden.

Dies führte unweigerlich zu Konflikten: Elefanten zerstörten die Felder der Bäuer:innen; Antilopen, und Warzenschweine konkurrierten mit den Rindern um dieselben Weidegründe; Löwen und Büffel stellten eine Bedrohung für Mensch und Vieh dar. In Angst um ihre Lebensgrundlage machten die Anwohner:innen vermehrt Jagd auf Tiere des Nationalparks, auch die Wilderei nahm stetig zu. Die drastische Verkleinerung des Nationalparks im Jahr 1997 von zuvor 2800 km² auf heute 1120 km² trug nicht dazu bei, die Lage zu verbessern. 2002 wurde der letzte Löwe auf dem Gebiet des Nationalparks gesehen, 2007 das letzte Spitzmaulnashorn. 

Seit 2010 jedoch geht es wieder bergauf. In diesem Jahr übernahm die Non-Profit Umweltorganisation African Parks die Verwaltung des Akagera-Nationalparks und entwickelte gemeinsam mit dem Rwanda Development Board eine Strategie, um dem Park wieder zum Aufschwung zu verhelfen. So wurden strenge Maßnahmen gegen Wilderei ergriffen, zudem wurde an der Grenze zwischen den besiedelten Gebieten und der Fläche des Nationalparks 2013 ein solarbetriebener Elektrozaun installiert. Dieser schützt sowohl die Menschen und ihr Vieh als auch die Tiere innerhalb des Nationalparks. Mit Erfolg, wie unser Guide Cesar uns auf Nachfrage bestätigt: „Today, there is no poaching – Heute gibt es hier keine Wilderei mehr”, erklärt er mit Bestimmtheit. 

Mehrwert für Mensch und Tier

Cesar ist, wie der Großteil der inzwischen über 300 Festangestellten des Akagera-Nationalparks, in direkter Nähe zum Park aufgewachsen. Inzwischen, so erklärt er uns, sehen die meisten Leute den Park in einem positiven Licht. Das ist zum einen das Ergebnis einer breiten Aufklärungskampagne. So lernen Kinder heute schon früh in der Schule, was Naturschutz bedeutet und warum er wichtig ist, dazu gehören auch regelmäßige Exkursionen von Schulklassen und Lehrkräften in den Park. 

Zum anderen merken die Menschen, dass sich der Aufschwung des Parks auch für sie auszahlt. Fünf Prozent des Einkommens aus den touristischen Aktivitäten des Nationalparks werden in den Ausbau der Infrastruktur, des Gesundheitswesens und der Bildung in den umliegenden Ortschaften investiert, 2022 war das immerhin fast eine Million US-Dollar. Für seine Angestellten ist der Park eine sichere Einkommensquelle, im Besucherzentrum werden Holzspielzeug, Schmuck, Karten und sogar Gemälde verkauft, die von den Menschen im Umkreis hergestellt werden.

Außerdem bietet der Park neben Nachtfahrten und Bootstouren auch Fahrten in die angrenzenden Orte an, bei denen Tourist:innen einen Einblick in das Leben der Menschen vor Ort erhalten, bei der Milch- und Honigproduktion dabei sein oder die lokale Kunst entdecken können. Das Geld fließt in diesem Fall direkt an die Dorfgemeinschaft.

Gefährdete Tiere fühlen sich wieder wohl

All dies sorgt dafür, dass über die letzten eineinhalb Jahrzehnte in der Bevölkerung große Akzeptanz und Wertschätzung für den Akagera-Nationalpark wachsen konnte. Davon profitiert die Tierpopulation: Seit 2010 hat sie sich fast verdreifacht, von weniger als 5.000 auf fast 12.000 Tiere. Darunter auch wieder solche, die in den Jahren vor 2010 verschwunden waren. Besonders stolz ist man im Park auf die Löwen, die hier inzwischen wieder leben. Sieben Tiere wurden 2015 aus Südafrika eingeführt, inzwischen gibt es bereits deutlich über 20. Seit 2017 gibt es im Akagera-Nationalpark zudem wieder über 20 stark gefährdete Spitzmaulnashörner, 2021 kamen 30 Breitmaulnashörner hinzu. Bei letzteren gab es sogar schon Nachwuchs, ein deutliches Zeichen, dass sich die Tiere wohlfühlen und die Bemühungen fruchten.

Damit steigt auch die Beliebtheit des Nationalparks. 2022 war das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr des Parks, mit den größten Besucher:innenzahlen – davon über 45 Prozent aus Ruanda selbst – und 92 Prozent der Kosten, die durch eigene Einnahmen gedeckt werden konnten. 

So kann weiter investiert werden, in gut ausgestattete Campingplätze, oder aber in Projekte wie die Gishanda Fish Farm, wo seit Oktober 2022 nachhaltige Fischzucht betrieben wird. Das bedeutet für die Lokalbevölkerung Zugang zu einer wichtigen Ressource, aber auch Arbeitsplätze und das Wissen, um in Zukunft die Verwaltung der Fischfarm selbst zu übernehmen und auch andere Seen der Umgebung wieder zu Quellen für nachhaltigen Fischfang zu machen. 

Der Akagera-Nationalpark zeigt, wie nachhaltig und effektiv Naturschutz geht, wenn er für Mensch und Umwelt gedacht wird. Wie gut das funktioniert, sehen wir spätestens, als uns auf dem Weg zurück zum Campingplatz vier Breitmaulnashörner die Straße versperren. Da heißt es ruhig bleiben und abwarten, bis die vier Dickhäuter sich gemächlich dazu herablassen, den Weg freizugeben und sich im Schlammbad neben der Straße niederzulegen. Denn hier haben nun einmal die Tiere Vorrang.

Beitragsbild: Luisa Vogt

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Luisa Vogt

Luisa Vogt ist stellvertretende Print-Chefredakteurin beim Good News Magazin und liebt Sprachen, Reisen und das kennenlernen verschiedenster Kulturen. Beim Good News Magazin lebt sie ihre Leidenschaft für Sprache und für spannende, schöne Berichte aus aller Welt - weil die Welt viel mehr realistischen Idealismus braucht. Außerdem studiert sie nach ihrem Bachelor in Englisch und Französisch inzwischen im Master Asien- und Afrikastudien in Berlin und arbeitet als Lerntherapeutin.

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