Wie wir den Tod als Chance wahrnehmen können.

das ist ein GNM+ ArtikelDanke Leben, danke Tod – Interview mit Hazuki Fukuda

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von | 1. Juni, 2021

Wir haben mit der Künstlerin Hazuki Fukuda über den Umgang mit einem schwierigen Thema gesprochen: Fukuda will mit ihrer Arbeit dazu anregen, den Tod aus einer anderen, positiveren Perspektive zu betrachten.

„Und schließlich gibt es das älteste und tiefste Verlangen, die große Flucht: Dem Tod zu entrinnen.“

J. R. R. Tolkien

Tolkien bringt es auf den Punkt – die Frage, wie wir den Tod möglichst lange hinauszögern oder sogar verhindern können, beschäftigt die Menschheit seit jeher. Wir verbinden den Tod meist mit großem Leid, mit Verlust und Schmerz, wollen ihn nur ungern erleben. So ging es auch der japanisch-deutschen Autorin und Künstlerin Hazuki Fukuda, bis mehrere Todesfälle in ihrem Umfeld sie zum Umdenken anregten. Sie setzte sich intensiv mit unterschiedlichen Sichtweisen auf das Ende des Lebens auseinander, verarbeitete die eigenen Erfahrungen in ihrem Buch „Danke Leben, danke Tod“ und vermittelt mit ihren Ölgemälden eine positive Sicht auf den Tod. Im Interview mit dem Good News Magazin beschreibt Hazuki Fukuda ihren Sinneswandel und regt dazu an, den Tod aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

“Ich sehe den Tod als Chance, das eigene Leben und die Zeit, die man mit geliebten Menschen verbringt, mehr wertzuschätzen – gerade weil das Leben vergänglich ist.”

Hazuki Fukuda
Ein Baum in Herbstoptik, von dem statt Blättern Schmetterlinge fallen, vor hellblauem Hintergrund.
(c) Hazuki Fukuda – Der Baum des Ganzen: Ich stelle mir uns Menschen wie Blätter vor. Es gibt junge Blätter, aber auch alte Blätter, die bald verwehen. Man mag denken: Nur die jungen, frischen Blätter sind gut. Aber sowohl die jungen als auch die alten Blätter sind wertvoll und machen den Baum des Ganzen aus. Wir alle sind miteinander verbunden durch seine kräftigen Wurzeln.

Cinderella Glücklich:  Hazuki, wie bist du überhaupt Künstlerin und Autorin geworden?

Hazuki Fukuda: Viele Bekannte sagen mir immer wieder, dass es ganz schön verrückt ist, sein Leben mit fast 40 Jahren noch einmal komplett umzukrempeln und sich gerade in der unsicheren Zeit der Pandemie als Autorin und Künstlerin selbstständig zu machen. Ich komme aus dem kaufmännischen Bereich und habe das viele Jahre gemacht – nicht, weil mir das liegt, sondern aus Existenzangst. Ich habe mir gedacht, „ich kann nichts anderes“ und „es ist jetzt so“. Doch mein Umfeld hat mir immer wieder signalisiert, dass es eigentlich nicht das Richtige für mich ist. Teamarbeit liegt mir nicht, Büroarbeit mag ich nicht, und ich habe deshalb immer wieder den Betrieb gewechselt. Als vor zwei, drei Jahren wieder ein Betriebswechsel anstand, habe ich mich spontan gefragt: „Was habe ich als Kind gern gemacht? Was hat mich begeistert?“ Das war Geschichtenschreiben und Malen. Ich hätte mir niemals vorstellen können, mich damit selbstständig zu machen, doch mein Leid war so groß, dass ich Schritt für Schritt angefangen habe, meine ersten Romanideen aufzuschreiben und meine Bilder auf Ausstellungen zu präsentieren.

Cinderella Glücklich: Was für eine Entwicklung! Du warst komplett festgefahren in einer Situation, um deine Existenz zu sichern und dann veränderte sich alles, auch zu einer gedanklichen Freiheit, so dass du gesagt hast: „Jetzt bin ich dran und jetzt mache ich das, was eigentlich schon lange in mir wartet.“ Hat alles mit der Kunst begonnen oder mit dem Schreiben?

Hazuki Fukuda: Ich habe erst mit dem Schreiben begonnen. Da meine Romane sehr viel Bildsprache und Symbolik enthalten, folgte kurz danach das Malen. Meine Bilder haben immer eine Hintergrundgeschichte, das nennt sich wohl „erklärungsbedürftige Kunst“. Also hängen das Schreiben und das Malen stark miteinander zusammen. Manche Bilder haben einen Bezug zu meinen Geschichten, manche haben ihre eigene Geschichte oder ich schreibe ein kleines Gedicht dazu. Das ist ganz unterschiedlich.

“Ich war der Ansicht, wenn der Tod kommt, bricht alles, was man sich zu Lebzeiten aufgebaut hat, in sich zusammen, und darum macht das Leben sowieso keinen Sinn.”

Hazuki Fukuda

Cinderella Glücklich: In deinem Buch geht es um das Thema „Tod“, das heißt, du zeigst darin eine neue Perspektive auf das Ende des Lebens. Wie bist du darauf gekommen, genau zu diesem Thema ein Buch zu schreiben?

Hazuki Fukuda: Ich war ein ziemlich sensibler, fast depressiver Teenager, war permanent niedergeschlagen und habe mich sehr beeinflussen lassen von negativer Berichterstattung, vor allem über den Tod. Ich war der Ansicht, wenn der Tod kommt, bricht alles, was man sich zu Lebzeiten aufgebaut hat, in sich zusammen und darum macht das Leben sowieso keinen Sinn. Dadurch, dass ich dem Tod gegenüber negativ eingestellt war, war ich auch dem Leben gegenüber negativ eingestellt. Ich wollte nicht so richtig mitspielen im Leben. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum ich jahrelang in einem Job geblieben bin, in dem ich eigentlich unglücklich war. Im Februar 2019 ist dann zum ersten Mal jemand aus meiner engen Verwandtschaft gestorben – meine Oma. Ich war so niedergeschlagen, habe gespürt, dass ich mich mit dem Thema „Tod“ näher beschäftigen und meine Beziehung zum Tod heilen möchte. Todesfälle im Bekanntenkreis und in der eigenen Familie wird es immer geben und letztendlich wird man selbst sterben. Das war der Anlass, das Buch zu schreiben.

Cinderella Glücklich: Also geht es darum, eine andere Beziehung zum Tod zu entwickeln und besser damit umzugehen?

Hazuki Fukuda: Genau.

Cinderella Glücklich: Kannst du die Handlung des Buches kurz beschreiben?

Hazuki Fukuda: Das Buch ist ein Roman mit autobiografischen Elementen. Die Protagonistin kann mit dem Tod überhaupt nicht umgehen, in ihr hat sich eine negative Grundstimmung festgesetzt. Sie weiß, dass ihre Oma schon lange im Altenheim ist, aber sie geht ihr aus dem Weg, da sie mit dem ganzen Thema nicht umgehen kann. Plötzlich stirbt der Vater der besten Freundin der Protagonistin. Sie muss nun zum ersten Mal auf eine Beerdigung gehen und erlebt, dass ihre beste Freundin sehr niedergeschlagen ist. Gleichzeitig sieht die Protagonistin jedoch, dass der Tod des Vaters ihrer Freundin einen Anlass gibt, mehr auf ihr Leben zu achten, auf ihr Herz zu hören und alte Beziehungen, die nicht mehr funktionieren, zu beenden. Das bringt die Protagonistin zum Nachdenken darüber, ob der Tod wirklich etwas Schlechtes ist oder ob es nicht doch einen höheren Sinn darin gibt, den es zu hinterfragen lohnt.

Cinderella Glücklich: Wie ist das denn bei dir? Wie stehst du heute zum Tod?

Hazuki Fukuda: Früher habe ich definiert: Tod + Vergänglichkeit = Angst. Heute habe ich diese Definition in meinem Kopf aufgelöst. Ich sehe den Tod als Chance, das eigene Leben und die Zeit, die man mit geliebten Menschen verbringt, mehr wertzuschätzen. Seinem eigenen Herzen zu folgen, gerade weil das Leben vergänglich ist.

Cinderella Glücklich: Ausgehend von dem positiven Blickwinkel, den du mittlerweile auf den Tod hast – wie sieht für dich der beste Tod aus?

Hazuki Fukuda: Eine sehr schöne Frage, vielen Dank. Spontan ist mir in den Sinn gekommen, dass ich ein erfülltes Leben haben möchte, in dem ich mich selbst gelebt habe, ohne mich zu verstellen. Ich möchte viele Menschen mit meiner Kunst und meinen Geschichten inspiriert haben und einfach unter den Kirschblüten in meinem Garten mit hoffentlich über 80 Jahren plötzlich tot umfallen.

Cinderella Glücklich: Du hast tatsächlich ein Bild gemalt, auf dem eine Person Kirschblüten abpflückt – das hat mich total berührt und erscheint sofort in meinem Kopf, während du deinen besten Tod beschreibst. Es wirkt auf mich sehr friedlich und auch ein bisschen gemütlich. Vielen Dank, dass du diese Vorstellung mit mir und unseren Leser:innen teilst!

Lass uns einen Schritt weiter gehen – wie würde deine perfekte Beerdigung ablaufen? Wie wünschst du sie dir?

Ein Mädchen sitzt vor einem Grab und weint. Hinter ihr streckt sich eine Hand aus dem Himmel mit einer anbietenden Geste.
(c) Hazuki Fukuda – Keine Seele geht verloren: Wegen eines belanglosen Konfliktes hatte Julia jahrelang keinen Kontakt zu ihrem Bruder. Neulich erfuhr sie, dass ihr Bruder an einem Autounfall gestorben ist. Als sie das Grab von dem Bruder besucht, plagen sie Selbstvorwürfe. Die Seele des Bruders besucht sie und flüstert ihr zu: „Mach dir keine Sorgen. Die Konflikte, die wir zu Lebzeiten gehabt haben, sind alle wieder gut. Keine Seele geht verloren. Wir kommen alle aus dem Licht und kehren nach dem Tod wieder dorthin zurück.“

Hazuki Fukuda: Also, an diesem Punkt ist es mir erst einmal wichtig, dass ich mit meinem Buch nicht sage, man sollte nicht trauern – im Gegenteil. Ich finde es sehr wichtig, dass man sich die Zeit nimmt, um die verstorbene Person zu trauern und das verarbeitet. Das habe ich ja auch gemacht. Allerdings wünsche ich mir für meine Beerdigung, dass sie nicht wie ein Trauerfest veranstaltet wird, auch wenn die Hinterbliebenen trauern. Ich möchte, dass es eine heitere Party wird.

Cinderella Glücklich: Wie passt es für dich zusammen, dass du auf der einen Seite sagst, deine Beerdigung soll eine heitere Party sein, und auf der anderen Seite die Trauer da sein darf?

Hazuki Fukuda: Trauer ist menschlich. Der Anteil, der wirklich trauert und Angst hat, wird niemals weggehen. Aber indem man sich nicht mehr komplett mit der Angst und der Trauer identifiziert, sondern eine Beobachterhaltung beiden Gefühlen gegenüber einnimmt, kann man die Essenz aller Dinge, auch die des Todes, besser herausfinden. So bin ich auf das Thema „Nahtoderlebnisse“ gestoßen. Die Nahtoderlebnisse, die Menschen beschreiben, unterscheiden sich natürlich voneinander, da jeder Mensch anders ist, aber oft wird von einem Ablauf berichtet: Nachdem die Menschen mit Nahtoderfahrung ihren Körper verlassen haben, gehen sie durch einen Tunnel und sehen am Ende dieses Tunnels ein Licht, das eine bedingungslose Liebe ausstrahlt und ein Gefühl von Geborgenheit und nach hause kommen vermittelt. Viele begegnen auch bereits verstorbenen Menschen und sehen, dass es ihnen an diesem Ort gut geht. Diese Berichte deuten daraufhin, dass es nach dem Tod weitergeht und dass der Tod für die Betroffenen selbst ein schönes Erlebnis ist. Das hat mir sehr viel Hoffnung gegeben. Es war für mich ein Kontrast zum negativen Image des Todes, das oft verbreitet wird in den Medien und in unserer Gesellschaft.

“Die Auseinandersetzung mit Nahtoderlebnissen war für mich sehr wichtig, da es dabei nicht nur um den Tod ging, sondern auch um wichtige Botschaften für das Leben. Das kann ich jedem empfehlen.”

Hazuki Fukuda

Cinderella Glücklich: Gerade hast du von Botschaften gesprochen, die eine positive Auseinandersetzung mit dem Tod hervorbringt. Was bedeutet Glück für dich?

Hazuki Fukuda: Für mich bedeutet Glück heute, die schönen Momente im Alltag wahrzunehmen – auch die, die mir im Rückblick auf mein bisheriges Leben bewusst werden. Dass ich mit einer Freundin im Kino war und wir dann in der Café-Ecke fünf Eiskugeln gegessen haben. Oder, dass wir auf einer Geburtstagsfeier eine leckere Erdbeer-Sahne-Torte gegessen haben. Oder, dass wir uns in Düsseldorf auf die Rheinwiesen gesetzt und den Vollmond beobachtet haben – wirklich banale Momente im Alltag.

Cinderella Glücklich: Du hast also schon einen positiven Aspekt des Todes identifiziert: die kleinen Momente schätzen. Welche positiven Aspekte des Todes gibt es aus deiner Sicht noch?

Hazuki Fukuda: In diesem Kontext möchte ich auch noch das Thema „Rassismus“ ansprechen. Es ist ebenfalls ein Schwerpunktthema meiner Bilder und liegt mir am Herzen, weil ich selbst schon betroffen war. Vor allem der Alltagsrassismus, den ich auf der Arbeit erlebt habe, hat sehr an meinen Nerven gezehrt. 2020 war der traurige Vorfall mit George Floyd, neulich hat ein Mann in Atlanta auf asiatische Massagesalons geschossen und viele asiatische Frauen sind ums Leben gekommen. Der Tod betrifft uns letztendlich alle, egal welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder welche Nationalität wir haben. Wir kommen alle nackt auf die Welt und sterben nackt, müssen alles hinter uns lassen, was wir im Leben erreicht haben. Wenn wir uns näher mit dem Tod befassen und uns diese Tatsache vor Augen führen, merken wir vielleicht, wie sinnlos es ist, darüber zu diskutieren, welche Hautfarbe einer anderen überlegen ist. In der Corona-Pandemie besteht auch eine große Nähe zum Tod und vielleicht liegt eine Chance darin, uns alle als Menschheit zu verbinden, weil diese Pandemie die Erste ist, die wirklich die ganze Menschheit betrifft. Wir haben keine Zeit, uns gegenseitig zu bekämpfen, sondern es bleibt uns nichts anderes übrig, als gemeinsam zu kämpfen, als eine Ethnie namens Menschheit.

Cinderella Glücklich: Nehmen wir an, es kommt nach diesem Interview jemand auf dich zu, der/die trauert. Was sind deiner Meinung nach die ersten Schritte, die jemand gehen sollte, um eine positive Perspektive auf den Tod zu bekommen?

Hazuki Fukuda: Ohne Angst auf das Thema „Nahtoderlebnisse“ schauen. Die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross ist hier eine Pionierin. Sich die geschilderten Episoden mit den verstorbenen Verwandten bewusst machen und daran denken, dass sie die Person mit Nahtoderfahrung wieder zurückschicken mit der Botschaft, dass sie noch eine Aufgabe im Leben hat. Diese Schilderungen haben mir den Mut gegeben, dass jeder eine Aufgabe hat auf dieser Welt und dass das Leben nicht einfach so passiert, sondern alles einem höheren Sinn folgt. Es zeigt, dass man mit mehr Zuversicht und Vertrauen im Leben vorangehen kann.

Mehr über Hazuki Fukuda, ihr Buch “Danke Leben, danke Tod” und ihre Bilder erfahrt ihr auf ArtPal oder auf Hazukis Instagram-Profil.

Beitragsbild: Hazuki Fukuda

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    Cinderella Gluecklich

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