Das Geld muss weg?

Wie Währungen zum Werkzeug werden

von | 31. März, 2023

Geld hat kein gutes Image. Seine eigentlich geniale Grundidee ist heute unter chaotischen Finanzmärkten und ungerechten Wirtschaftsstrukturen begraben. Wie aber können wir Währungen so denken, dass sie zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beitragen? Über die Zukunft unseres Geldes und seine Chancen.

Weltweit existieren aktuell 160 Währungen. Darunter viele Bekannte, wie der Euro, der Dollar und die Schweizer Franken, aber auch Newcomer wie der Ouguiya aus Mauretanien oder der Unidad Previsional, mit dem Menschen in Uruguay ihre täglichen Einkäufe bezahlen können. Beide sind erst seit 2018 gültig. Doch im Vergleich zur langen Geschichte des Geldes sind unsere heutigen Währungen ziemlich jung. In der Form, in der wir sie heute kennen, existieren sie erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf deutschem Boden tauchten sogenannte Zettelbanken, die Geld in Papierform ausgaben, erst im Jahr 1851 auf. Aus historischer Perspektive hat das Papierzeitalter gerade erst begonnen und steht mit der digitalen Revolution schon wieder vor seinem Ende.    

Von Kuh bis Bitcoin

Denn die Vorgänger unserer bunt bedruckten Scheine reichen zurück bis 25.000 v. Chr. und passten nicht so einfach in die Hosentasche. Vorhistorische Völker tauschten Nahrungsmittel, Tiere, Muscheln oder sogar kleinere Werkzeuge aus Gestein gegen alles, was sie benötigten. Damit kreierten sie das erste Währungssystem. So haben sie nicht nur auf unseren Sparbüchern, sondern auch in unserem Wortschatz Spuren hinterlassen: Das Wort Schatz stammt von Scatta, dem gotischen Begriff für Rindvieh. 

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Mit der Zeit rückte Metallgeld an seine Stelle. Gold, Silber und Kupfer sind nicht nur länger haltbar, sondern bringen durch ihren Glanz und ihre Seltenheit die nötige Prise Mystik mit, die noch heute um sie schwebt. Die frühesten bekannten Edelmetallmünze entstanden um 600 v. Chr im kleinasiatischen Lyderreich.   

Seitdem prägten fast alle großen Völker das Konterfei ihrer Herrscher auf Münzen, vom antiken Griechenland über das römische Reich bis hin zu Chinas Ming-Dynastie. Geld war schon immer ein weltweites Phänomen. Aber warum eigentlich?

In seinem Buch Die Geschichte des Geldes schreibt der Publizist Wolfram Weimer: “Die atemberaubende Karriere des Geldes von der schnöden Vogelfeder zum elektronischen Super-Medium hat letztendlich einen einzigen Grund: Geld ist ungeheuer praktisch.” Mit gigantischen Kapitalströmen, steigenden Devisen, schwankenden Wechselkursen und wachsenden Märkten wirkt und wird Geld unglaublich kompliziert. Seine Grundidee bleibt aber genauso einfach wie genial: Der reale Wert von Dingen und Dienstleistungen wird in etwas Abstraktes, Wertstabiles und Speicherbares übersetzt. 

Auf diese Weise ermöglichte Geld über die Jahrtausende, so Weimer, einen sozialen Dynamisierungsprozess, der den Aufbruch feudaler Herrschaftsstrukturen, weibliche Emanzipation und bürgerliche Selbstbehauptung ermöglichte. Geld sei ein “Apostel von Demokratie und Freiheit”.      . 

Natürlich wirkt diese Bewertung vor dem Hintergrund gigantischer Vermögensunterschiede oder der Ausbeutung der Natur für wirtschaftliche Interessen einseitig. Die internationalen Geld- und Währungssysteme tragen ohne Frage zu viel Ungerechtigkeit bei. Doch Schuld daran ist nicht Geld an sich, sondern die Art und Weise, wie es aktuell funktioniert. Der Blick auf seine Geschichte zeigt, dass sich Geld ständig verändert hat. Wie also kann es sich erneut wandeln, um zu mehr Gerechtigkeit, mehr Nachhaltigkeit und mehr Demokratie beizutragen? Wie werden Währungen wieder zu einem Werkzeug, das unsere Welt besser macht?

Neue Geld-Gestalt

Wer in Bremen, Augsburg oder Kassel lebt, erlebt bereits das, was Jens Martignoni, Post-Growth-Forscher und Chefredakteur des International Journal of Community Currency Research, als Zukunft des Geldes beschreibt. Hier können Anwohner:innen nicht nur mit Euros bezahlen, sondern auch mit Lechtalern, dem Roland oder der Bürgerblüte. So heißen die alternativen Währungssysteme, die sich in den letzten 50 Jahren in Deutschland entwickelt haben. Das Besondere: Sie sind so gestaltet, dass sie die Probleme unserer klassischen Geld- und Währungssysteme überwinden können. “Alternativwährungen haben in der realen Wirtschaft und ganz besonders in Regionen und Nachbarschaften das Potenzial, Spekulation, Glücksspiel und Anhäufung entgegenzuwirken”, so Martignoni.     

Wie soll das funktionieren? Das grundlegende Prinzip, das sich die meisten Regio-Währungen teilen, ist vergleichsweise einfach. Eine Geldeinheit, beispielsweise ein Roland in Bremen, wird im Verhältnis 1:1 gegen nationale Währungen eingetauscht. Der entscheidende Unterschied ist der automatische Wertverlust, der bei der neuen Währung eingebaut ist. Der Roland verliert so pro Monat ein Prozent seines Wertes. Das sorgt dafür, dass das neue Geld nicht auf alten Konten verrottet und stattdessen die lokale Wirtschaft ankurbelt. Denn es kann nur beim lokalen Tante-Emma-Laden, der Handwerkerin aus dem Nachbardorf oder der Bäckereifiliale am Ende der Straße eingesetzt werden.   

Als erstes Regionalgeld gilt das Freigeld von Wörgl, das in den 1930er in der kleinen österreichischen Stadt entstand. Der Bürgermeister Michael Unterguggenberger initiierte das Projekt, um die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu mildern. Obwohl es schnell von oben beendet wurde, hat seine Grundidee überlebt. In Deutschland existieren etwa 30 Regionalwährungen und auch in Großbritannien, Brasilien und auf Sardinien setzen viele Gemeinden und Regionen auf das Konzept.    

Kein Wunder, denn sie können auf unterschiedlichste soziale und ökologische Zielsetzungen zugeschnitten werden.

15.000 Tonnen CO2 eingespart

Christian Gelleri ist Projektleiter beim Chiemgauer. Mit einem Umsatz von etwa fünf Millionen Euro in den vergangenen 20 Jahren ist sie die erfolgreichste alternative Währung im deutschen Raum. Der Chiemgauer habe weltweit nicht nur Hunderte weitere Regionalwährungen inspiriert, sondern auch zum nachhaltigen Leben im Chiemgau beigetragen, so Gelleri: 

“Klimafreundliches Verhalten wird mit dem Chiemgauer belohnt, dadurch wird der CO2-Ausstoß gesenkt und durch kurze Transportwege und hohe Qualität sind die Kreisläufe mit dem Chiemgauer ebenfalls nachhaltig. Rebound-Effekte werden vermieden, indem ein klimafreundlicher Wirtschaftskreislauf aufgebaut wird. Das Pilotmodell im Chiemgau konnte in den letzten beiden Jahren bereits 15.000 Tonnen CO2 mindern.”

Diese Zahlen erreicht der Chiemgauer über einen eingebauten Klimaschutz-Mechanismus. Der gemeinnützige Verein Klimabonus e.V. berechnet in Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen, Vereinen und anderen Organisationen, wie viel Kohlenstoffdioxid einzelne Waren und Maßnahmen einsparen. Dazu können der Kauf von umweltfreundlichem Reinigungsmittel, regional produzierter Holzbrillen oder einem veganen Mittagessen gehören, aber auch energieeffiziente Sanierungen, die Nutzung von Solarstrom, autofreie Anreisen zum Urlaub in den nahegelegneen Ferienwohnungen oder eine Anmeldung beim Carsharing. Die Einsparungen werden dann in das regionale Geld übersetzt. 

Lassen Chiemgauer:innen etwa ihre alten Hosen beim Jeanslazarett in Saaldorf-Surheim reparieren, erhalten sie einen Klima-Chiemgauer, die Installation eines Balkonkraftwerks ist sogar 30 Chiemgauer wert. 

Jeder einzelne dieser Klima-Geldscheine entspricht dann etwa 10 Kilogramm eingespartem Kohlenstoffdioxid — und gleichzeitig einem Euro. Diese können dann wieder bei den über 320 teilnehmenden regionalen Unternehmen reinvestiert werden. Vom kleinen Supermarkt im Ort, über das Lieblings-Modeatelier bis hin zur Destillerie. 

Die Bitcoin-Demokratisierung?

Perspektivisch möchte der Währungsexperte Jens Martignoni die aus seiner Sicht unfairen und nicht nachhaltig gestalteten nationalen Währungen ganz überwinden: “Das ist im Moment aber nur im Kleinen möglich. Nur in Nischen können zur Zeit echte Alternativen entwickelt werden.” Zunächst bleiben die Regionalwährungen also eine Ergänzung zu den klassischen nationalen Geldsystemen. Ökonom:innen sprechen deshalb auch von Komplementärwährungen. Zu dieser Familie gehören auch neue digitale Währungen wie Bitcoin & Co., die in den vergangenen Jahren das internationale Finanzsystem im Sturm erobert haben. Könnten diese sogenannten Kryptowährungen mehr sein als ein kurzer Internet-Hype? 

Zugegeben, spätestens seit letztem Jahr ist ihr Ansehen schwer beschädigt. Nachdem sich viele Menschen gigantische Gewinne und rasanten Reichtum von Währungen wie Bitcoin, Ethereum und den 20.000 (!) weiteren Kryptos erhofften, stieg ihr Wert beinahe exponentiell. Im November erreichte der Bitcoin sein Allzeithoch von 68.000 US-Dollar. Darauf folgte der rapide Sinkflug. Für viele Anleger:innen war die Finanzlage im Jahr 2022 einfach zu unsicher, um in die riskanten Online-Coins zu investieren. Dazu kam der Crash der größten Kryptobörse FTX im vergangenen November. Ihr Gründer Sam Bankman-Fried hatte im großen Stil Bilanzen gefälscht. Im Januar 2023 lag der Bitcoin nur noch bei etwa 15.000 US-Dollar. 

Wenn das die Zukunft sein soll, sieht sie ziemlich düster aus. Könnte man meinen. 

Nicht nur fanatische Bitcoin-Enthusiast:innen, sondern auch Währungsexpert:innen sehen in Krypto-Währungen sowohl eine technologische Revolution als auch ein Versprechen für mehr Transparenz, mehr Dezentralisierung, mehr Inklusion  und mehr Kontrolle über das eigene Geld. Sie glauben an die Bitcoin-Demokratisierung unserer Finanzsysteme. 

Das Netzwerk herrscht über sich selbst

Aber nochmal einen Schritt zurück. Man kann doch schon seit Jahren ohne Probleme selbst bei der Dönerbude mit EC-Karte bezahlen. Spätestens seit der Corona-Pandemie nehmen bargeldlose Zahlungen immer weiter zu. Bald werden sie Scheine und Münzen ganz aus unseren Portemonnaies verbannt haben. Außerdem bestellen unzählige Menschen online so ziemlich alles via Paypal oder Apple Pay direkt nach Hause.Ist das nicht auch schon digitales Geld? Wo liegt überhaupt der Unterschied zu Bitcoin?

Entscheidend ist die Anzahl der Finger, die bei klassischen Transaktionen im Spiel sind. Die findet nämlich nicht direkt zwischen uns und unseren Lieblings-Dönerläden oder der sympathischen Second Hand Verkäuferin statt. Sie funktionieren nur, wenn auch Dritte beteiligt sind. Das können unsere Hausbanken sein, die wiederum an die unterschiedlichen Zentralbanken geknüpft sind, oder die verschiedenen Zahlungsdienstleister, bei denen wir ein Konto hinterlegt haben. Sie können jeden einzelnen Kauf einsehen und über einen langen Zeitraum zurückverfolgen. 

Beim Bargeld funktioniert das nicht, denn wir drücken es unserem Gegenüber direkt in die Hand. Und genau das möchte Bitcoin imitieren. 

Möglich wird das durch die Blockchain-Technologie. Jede:r Krypto-Teilnehmer:in erhält durch sie eine Art digitales, verschlüsseltes Portemonnaie, ein sogenanntes Wallet. Soll nun eine bestimmte Summe von einem Geldbeutel in den anderen wandern, wird der Wunsch nach einer Transaktion an alle Teilnehmenden verteilt. Nur dann, wenn dieses gesamte Netzwerk aus Wallet-Besitzer:innen der Transaktion zustimmt, wird sie in einem digitalen Kassenbuch vermerkt, das ebenfalls von allen eingesehen werden kann. Transparent, dezentral und trotzdem anonymisiert und fälschungssicher. Und selbstverständlich in Bruchteilen von Sekunden.     

Das Netzwerk herrscht also über sich selbst. Alle Teilnehmenden erhalten dabei eine Stimme. Zahlungen müssen nicht mehr zentral von Banken oder anderen Dienstleistern überprüft werden. Auch auf staatliche Strukturen sind Kryptowährungen nicht zwingend angewiesen. So könnten sie auch den zwei Milliarden Menschen, die nach Schätzungen der Weltbank weltweit aktuell keinen Zugang zu einer Bank haben, die sichere Verwahrung ihres Geldes ermöglichen.

Der Bitcoin-Experte Prof. Philipp Sandner von der Frankfurt Business School meint deshalb gegenüber dem ZDF: “Die Blockchain-Technologie wird die Basis-Technologie für alle Arten von Geldflüssen in der Zukunft sein. Stand heute ist aber noch gar nicht sicher, wohin sich das Ganze entwickeln wird.” 

Ob Digitalisierung oder Regionalisierung, sicher ist: Geld kann anders funktionieren, als wir es bisher kennen. Und so unsere Welt verbessern.

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Paul Esser

Paul Esser ist stellvertretender Chefredakteur beim Good News Magazin. Wenn er gerade keine Medien macht oder konsumiert, studiert er Politikwissenschaften und Psychologie. Warum das alles? Lösungen waren schon immer spannender als Probleme!

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