Einseitige Berichterstattung und polemische Rhetorik: Gerade in den letzten Jahren wird Medien zunehmend – und zum Teil zu Recht – vorgeworfen, angespannte Situationen zusätzlich anzuheizen und damit Gräben in der Gesellschaft zu vertiefen. Doch ausgewogener Journalismus kann helfen, die andere Seite von Konflikten zu sehen: Die, die nach Lösungen und Gemeinsamkeiten sucht. Ein Gespräch mit einem Journalisten, der sich dem Friedensjournalismus verschrieben hat.
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Wenn Journalist:innen kein Blatt vor den Mund nehmen (müssen), ist das grundsätzlich etwas Gutes – Meinungsfreiheit nämlich. Und doch: Die aktuelle Berichterstattung, vom US-Wahlkampf über den Krieg in Israel und Palästina, von Migration und Flucht bis hin zur Klimakrise, scheint zunehmend polarisierend. Das ist allerdings kein neues Phänomen. Denken wir nur an 2015, als Deutschland seine Grenzen für Menschen öffnete, die vor Gewalt und Krieg flohen. Allein der damals von Medien viel genutzte Begriff “Flüchtlingswelle” schafft Polarisierung – indem er die geflüchteten Menschen einer Naturkatastrophe gleichsetzt und damit Angst erzeugt. Oder noch weiter zurück, bis vor den zweiten Weltkrieg. Damals wie heute wurden Medien immer wieder für Propagandazwecke missbraucht, um Angst, Hass und Gewalt zu schüren.
Genau deshalb kann Berichterstattung eben doch problematisch sein. Denn Medien gestalten den öffentlichen Diskurs entscheidend mit. Anders gesagt: Auf welche Weise Medien berichten, beeinflusst unsere Wahrnehmung. Wenn nur von verschiedenen “Lagern” gesprochen wird, wenn sich alles um Auseinandersetzung und Schuldzuweisungen dreht, dann kann das eine Spaltung der Gesellschaft vorantreiben. Dafür brauchen wir gar nicht in die USA schauen, dafür reicht schon ein Blick auf die Ampel.
Natürlich ist es die Aufgabe der Medien, auch über Krieg und Konflikte zu berichten. Die große Frage ist, wie sie das tun. Oftmals greifen Medien Konflikte nicht nur auf, sondern befeuern sie – ob bewusst, durch sensationsheischenden Schlagzeilenjournalismus, oder unbewusst, durch einseitige Berichterstattung oder Wortwahl.
Doch es geht auch anders. Überall auf der Welt setzen sich Journalist:innen für Frieden und Zusammenarbeit ein, in ihrer Sprache und ihrem Handeln. Einer dieser Journalisten ist Nischal Sanghavi. Er ist einer der Verantwortlichen der Plattform Journalists for Change, die sich für den Austausch zwischen indischen und pakistanischen Journalist:innen einsetzt und Projekte zur gemeinsamen Berichterstattung fördert. Er erklärt im Gespräch, was sein Einsatz bei Journalists for Change für ihn bedeutet, und warum “Peace Journalism” – oder auf deutsch: Friedensjournalismus – in der heutigen Gesellschaft nicht nur an Bedeutung gewinnt, sondern auch an Zuspruch.
Was ist Friedensjournalismus? Eine kurze Einordnung
Der Norweger Johan Galtung gilt als “Vater der Friedensforschung”; 1959 gründete er das erste Institut für Internationale Friedensforschung in Oslo. In seiner Forschung definiert Galtung Frieden nicht nur, wie das herkömmliche Verständnis, als “die Abwesenheit von Konflikt oder Gewalt”, sondern unterscheidet zwischen negativem Frieden – eben jener Abwesenheit von Konflikt – und positivem Frieden: Voraussetzungen, unter denen Gerechtigkeit, Gleichheit, Harmonie etc. florieren können.
Für Friedensjournalist:innen sei diese Idee des positiven Friedens besonders relevant, argumentiert Steve Youngblood, Gründer des Zentrums für Globalen Friedensjournalismus. Die Plattform veröffentlich…