Perspektivwechsel braucht Mut

das ist ein GNM+ ArtikelPerspektivwechsel über den Journalismus hinaus

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von | 30. Juni, 2023

Das leitende Motiv dieser Ausgabe hat uns auch dazu gebracht, unser Selbstverständnis und die Philosophie hinter dem Good News Magazin einmal mehr zu hinterfragen. Ein Einblick in Gespräche aus der Redaktion.

Das ist ein Beitrag aus unserem dritten Printmagazin mit dem Thema “Perspektivwechsel”. Diesen und weitere exklusive Beiträge gibt’s im GNM+ Abo

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Perspektivwechsel sind nicht nur leitendes Thema dieses Magazins, sondern vielmehr Leitmotiv unserer Arbeit. Doch wieso machen wir überhaupt, was wir machen und wie wir es machen? Dazu müssen wir uns ansehen, was der Nachrichtenkonsum mit uns macht. Mit den Folgen von (negativem) Nachrichtenkonsum beschäftigt sich ein stetig wachsendes Forschungsfeld, dessen empirische Untersuchungen einen gemeinsamen Tenor haben: Nachrichten machen krank. Und, für unsere Arbeit noch wichtiger: Eine lösungsorientierte Berichterstattung, die neben Problemen auch Handlungsoptionen darlegt, sorgt dafür, dass Menschen inspirierter, motivierter und glücklicher sind.

Das also zu denen, die Medien konsumieren. Wir wollen allerdings einen Blick auf die werfen, die nicht nur Medien konsumieren, sondern auch Medien machen. Konkret: unsere Redaktion. Deswegen habe ich mit verschiedenen Redakteur:innen darüber gesprochen, was den Perspektivwechsel, um den wir uns in unserer Berichterstattung tagtäglich bemühen, ausmacht und wie er ihr Denken und Handeln in der Redaktion und im Alltag beeinflusst.

Der GNM-Perspektivwechsel

Der GNM-Perspektivwechsel meint vor allem, den Blick auf positive Entwicklungen und Lösungsansätze zu richten und so für mehr Gleichgewicht in der allgemeinen Berichterstattung zu sorgen. Doch Achtung, um die gängigste Kritik gleich vorwegzunehmen: Wir nehmen dabei nicht einen naiven Blick ein, der alles Negative leichtfertig ausblendet. Denn unsere Inhalte sind mehr als herzerwärmende Nachrichten über gerettete Schildkröten. Wir beschäftigen uns vor allem mit Lösungen. Und wer sich mit Lösungen beschäftigt, beschäftigt sich auch mit Problemen. Keine rosarote Brille also.

Meiner Kollegin Luisa ist deshalb ebenso wichtig wie mir, unsere Arbeit von reinem Feel Good-Journalismus (intern auch gerne als „Flausch“ bezeichnet) abzuheben: 

„Es geht uns nicht darum, alles rosa zu machen. Es geht uns darum, zu zeigen: Nach einem Problem geht es noch weiter. Und es gibt Lösungsansätze. Damit zeigen wir auf, dass es eine andere Perspektive gibt.” 

Paul, der nun fast zwei Jahre erst in Redaktion und PR-Team und nun in der Chefredaktion mitwirkt, unterstreicht diese Aussage, typisch für ihn, sehr bildlich:

„Wir motivieren, wir berichten über Menschen, die schon in die richtige Richtung gehen, die man mitgehen kann. Wir sind kein Hammer, der mit einem ‘Alles ist kompliziert, schlecht und am Ende sowieso verloren’ Hoffnung zertrümmert. Wir bauen Dinge, Hoffnung, Menschen auf. Das klingt sehr pathetisch, aber ich glaube, das ist am Ende die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft überhaupt Probleme angehen und lösen können.”

Im Kleinen anfangen

Im Gespräch macht Luisa schnell deutlich, dass ihre Arbeit beim GNM zuallererst von einem anderen Perspektivwechsel bestimmt war – dem, der das Journalistinsein zum zentralen Gegenstand hat. Denn während Schlagzeilenjournalismus und Schützenfest-Berichterstattung dafür sorgten, dass für sie ein Karla-Kolumna-Dasein kaum infrage kam, holte das Good News Magazin mit seinem konstruktiven Ansatz Journalismus wieder auf ihre Job-Landkarte. Ihr Fazit: Positiver Journalismus oder gar keiner.

„Hier kann ich mir supercoole, offene Themen aussuchen oder auch einfach schauen: Was finde ich überhaupt spannend? Dann fange ich an, zu einem Thema zu recherchieren.”

Rahel, die zum Zeitpunkt des Gesprächs erst etwa einen Monat beim GNM ist, teilt diese Erfahrung. Beiden werden durch ihr Schreiben (globale) Probleme umso bewusster: Barrieren im digitalen Raum beispielsweise. Oder Periodenarmut: ein global relevantes Problem, klar, „doch da wird auch schon total viel gemacht“, betont Luisa und erzählt von Binden aus Ananaspflanzen. „Mit einem anderen Gefühl rauszugehen, das ist ja das Schöne“, fasst sie zusammen.

Wer Großes erreichen will, muss klein anfangen. Deswegen beginnt der positive Ansatz bereits in unserer Redaktion. Rahel und Luisa betonten insbesondere, wie sehr sie die konstruktive Kommunikations- und Feedbackkultur und die gegenseitige Wertschätzung bestärke. Für Luisa angesichts der GNM-Philosophie nur logisch: „Ich glaube, man muss auch einfach so denken, wenn man bei uns anfängt. Wenn man konstruktive Berichterstattung macht, aber destruktiv mit Feedback umgeht, passt das nicht zusammen.“

Konstruktiver Perspektivenwechsel in Journalismus und Alltag

Besonders präsent war in den Gesprächen mit Luisa, Rahel und Paul ein Thema: Wie sie den konstruktiven Ansatz auch in ihrem Alltag leben. Alle drei betonten, dass ihnen seit ihrem Engagement beim GNM die Negativität in Berichterstattungen umso mehr auffalle. Negative Entwicklungen stünden meist im Vordergrund, doch es „ist ja gar nicht normal, dass wir immer nur mit so viel Negativem konfrontiert werden“, meint Luisa. Gleichzeitig fielen positive umso mehr auf, erklärt Rahel: „Wenn ich mich jetzt informiere, sehe ich nicht mehr nur die schlechten Nachrichten.“ Mit ihrer journalistischen Arbeit würde ihnen auch eine Art Werkzeug in die Hand gegeben, um in persönlichen, pessimistischen Gesprächen aufzuzeigen, wo es doch auch positive Entwicklungen gibt.

Die Reaktionen, das können wohl alle im Team bestätigen, schwanken daraufhin meist zwischen Überraschung, Innehalten und einer abwinkenden Geste des Gegenübers. Jaja, stimmt schon. Umso schöner ist es, wenn sich tatsächlich ein überraschender Resonanzboden auftut. „Ihr habt meinen Blick auf die Welt verändert“, stellte neulich eine Leserin fest. Und gab uns damit nichts weniger als die Erklärung für all unsere Mühen.

Klar wird: Nicht nur mit dieser Ausgabe, sondern mit unserer gesamten Arbeit wollen wir einen Perspektivwechsel weitertragen. Mit diesem Perspektivwechsel für Hoffnung zu sorgen, braucht Mut, meint Paul. Doch Mut gibt es in unserer Redaktion jede Menge. 

Perspektivwechsel fängt bei uns an

Der lösungsorientierte Ansatz unserer Arbeit beeinflusst die GNM-Redaktion auch abseits der journalistischen Arbeit. Wir haben einige Beispiele dafür aus der Redaktion zusammengetragen: 

Bei mir ist es vor allem ein allgemeines Gefühl einer Good News Enzyklopädie in meinem Kopf: Bei unfassbar vielen Gesprächen über all die Probleme – aber auch neutrale Themen – in der Welt denke ich an die Lösungen und guten Nachrichten, die wir veröffentlicht haben. Ich kenne fast alle auswendig: seit Juni 2016 etwa eine Nachricht pro Tag – 7×365 = 2555 Good News (im Juni 2023).

David Gaedt, Co-Gründer und Geschäftsführer

Bei mir werden die Rezepte der Good Food Stories nachgekocht. Das hat einen Abend hervorgebracht, an dem wir im Freundeskreis das Perfekte Dinner veranstaltet haben unter dem Motto „Reste in Peace“. Und der Borschtsch von Starkoch Ievgen Klopotenko mundete und mündete in ein spannendes Gespräch über das Wiederentdecken kultureller Wurzeln durch Gerüche und Geschmäcker.

Florian Vitello, Co-Gründer und Geschäftsführer

Bei mir hat sich so viel geändert durch diesen neuen Blick auf die Welt. Ich hole mir einen nachhaltigen Handytarif oder ein grünes Deo, weil ich vor unseren Artikeln darüber nicht wusste, dass das möglich ist. Ich lese Nachrichten anders und ärgere mich, wenn ein „dramatischer“ Titel gewählt wird, obwohl der Inhalt Mut machen kann. Aber vor allem verstehe ich den Schmetterlingseffekt kleiner Dinge auf große Entwicklungen viel besser.

Viktoria Franke, Chefredakteurin 

Ich bin seitdem überzeugt, dass erneuerbare Energien schnell und einfach überall eingesetzt werden könnten. Immer wenn jemand jammert und Sätze kommen wie: „Aber es geht halt nicht anders“, kommen mir die ganzen Beispiele in den Sinn, zum Beispiel wie Solarenergie auf Straßen erzeugt werden kann (und wird) oder mit Algen (und überhaupt wie geil Algen sind) oder oder oder. Auch muss ich immer an das Dorf denken, das 800-mal mehr produziert, als es verbraucht, und dies ausschließlich durch erneuerbare Energien. Einfach, weil sie schon vor 15 Jahren umgestellt haben – und eine starke, mutige Bürgermeisterin haben … Tausend andere Artikel könnte ich noch aufzählen zu diesen Themen. Zukunftsangst adé. Achja und ich habe über Banken noch mehr gelernt dank meines Artikels zur tomorrow-Bank und gebe dieses Wissen oft in Gesprächen weiter.

Lucia Oiro, Co-Gründerin und Qualitätsmanagerin

Es mag vielleicht ein wenig kitschig klingen, aber meine allgemeine Arbeit bei GNM hat in mir vieles ausgelöst, um ein Stückchen „besser zu leben“. Vor allem die Artikel, mit denen ich mich selbst lange für die Recherche befasst habe, hatten einen Impact auf mich. Interviews mit Menschen wie Straßenmusiker Michael Insiger inspirierten mich, Aussteiger-Lebenswegen mehr Begeisterung zu schenken. Der Artikel über die mundraub-App brachte mich dazu, wieder Pilze sammeln zu gehen und eigenes Gemüse auf meiner Terrasse anzupflanzen. Und jeder Artikel über nachhaltige Reformen und Forschungsmeilensteine in der Medizin schenken Hoffnung. Meine Berufskrankheit: Ich sehe mehr Gutes.

Mara Betjemann, Redakteurin

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    Nina Kegel

    Nina ist stellvertretende Chefredakteurin beim Good News Magazin und vor allem eins: Neugierig. Immer auf der Suche nach Good News beschäftigt sie sich am liebsten mit Themen rund um einen nachhaltigen Wandel – egal ob kreatives Bauprojekt, ökologische Initiative oder innovatives Unternehmenskonzept, sie lässt sich für vieles begeistern. Außerdem studiert sie im Master Medienkultur und Globalisierung.

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