Amerikas Wirtschaftspolitik für das 21. Jahrhundert

das ist ein GNM+ ArtikelWie Bidenomics Investitionen in Klimaschutz mit Sozialpolitik zusammenbringt

von | 22. März, 2024

Mit Bidenomics bringt US-Präsident Joe Biden die Klima- und Sozialpolitik zusammen und leitet die US-Wirtschaft auf einen neuen Kurs.

„It’s the economy, stupid“ – der Spruch, den sich Bill Clintons Wahlkampfstrateg:innen ausgedacht haben, ist in der US-Politik mittlerweile legendär. Wenn man ihm glaubt, müsste US-Präsident Joe Biden das erneute Aufeinandertreffen mit Donald Trump souverän gewinnen. Trump beendete seine Präsidentschaft im Corona-Chaos und einer, in der neueren US-Geschichte, einmalig hohen Arbeitslosenquote. Biden hingegen kann die Erfolge seines wirtschaftspolitischen Programms, genannt Bidenomics, vorzeigen. 

Doch was ist dieses Bidenomics überhaupt? Es beschreibt die Zielsetzung der vier großen ökonomischen Gesetzesvorhaben: des „American Rescue Plan Act”, „Infrastructure Investment and Jobs Act”, „CHIPS and Science Act”, sowie des „Inflation Reduction Act” (IRA).

Bidenomics als Kind seiner Zeit

Doch was hat dazu geführt, dass diese neue und progressive Art der Wirtschaftspolitik gerade unter einem älteren und etablierten Politiker wie Biden umgesetzt wurde? Das hängt mit vier Entwicklungen zusammen, die dazu führen, dass die Demokrat:innen um Joe Biden sich neu orientieren.

Mit Bidenomics bringt US-Präsident Joe Biden die Klima- und Sozialpolitik zusammen und leitet die US-Wirtschaft auf einen neuen Kurs.
Die wirtschaftsliberal geprägten ökonomischen Berater:innen der letzten drei Jahrzehnte wurden durch eine neue, jüngere, progressivere und klimabewusstere Generation abgelöst. | Quelle: depositphotos.com

Zum einen ist Bidenomics geprägt durch den Erfolg des linken Parteiflügels der Demokrat:innen in den Präsidentschaftsvorwahlen 2020, insbesondere durch Bernie Sanders. Dieser warb u.a. mit dem von der Klimabewegung entwickelten Green New Deal. Hinter diesem steht das Konzept breiter Investitionen in Klima- und Sozialpolitik. Um auch diesen Teil der Wähle:innenrschaft mit einzubeziehen, schlug auch Biden ein kleineres aber trotzdem umfangreiches Programm vor. Aus diesem entwickelte sich dann später der IRA.

Aber auch der Erfolg Trumps war ausschlaggebend, da der doch überraschende Wahlsieg Trumps die Stellung der Demokrat:innen aufwühlte. Dadurch etablierte sich die Vorstellung, die ehemals demokratisch wählende Arbeiterklasse durch eine progressive Wirtschaftspolitik zurückzuerobern. Zentral dafür ist die Schaffung von gut bezahlten Industriearbeitsplätzen im Bereich der nachhaltigen und zukunftsorientierten Technologien.

Ein weiterer entscheidender Punkt, der die Politik von Biden gegenüber seinen demokratischen Vorgängern unterscheidet, hat mit dem Personal zu tun. Denn die wirtschaftsliberal geprägten ökonomischen Berater:innen der letzten drei Jahrzehnte wurden durch eine neue, jüngere, progressivere und klimabewusstere Generation abgelöst, was sich auch in den Gesetzen widerspiegelt.

Die sich unter Trump verschärfende Rivalität mit China wird weitergeführt und die Regierung versucht, mehr Produktion in die USA zu verlagern, um die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten zu verringern. 

Eine Wirtschaftspolitik für das 21. Jahrhundert

Jake Sullivan, ein enger Berater Bidens, grenzte Bidenomics von der Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte scharf ab. Er hebt vier Faktoren hervor, auf denen der Paradigmenwechsel u.a. beruht. 

Als erstes kritisiert er das Zurücklassen der industriellen Basis der Vereinigten Staaten. Verantwortlich sei das Paradigma der Marktliberalisierung, das seit den 1980ern dominiere. Dabei räumt er mit der naiven und unrealistischen Annahme auf, dass Märkte immer optimale Ergebnisse erzeugen. Er kritisiert auch die Deregulierungen und den Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, denn dadurch würden wichtige Industrien und mit ihnen auch Jobs abwandern.

Zweitens stellt er die Annahme in Frage, dass freier Handel zu einer Annäherung und Öffnung von Staaten führe. Dies sieht er gerade durch die Entwicklungen in China und den Überfall Russlands auf die Ukraine in Frage gestellt. 

Mit dem Inflation Reduction Act bringt US-Präsident Joe Biden die Klima- und Sozialpolitik zusammen und leitet die US-Wirtschaft auf einen neuen Kurs.
Es geht Biden unter anderem geht es ihm um Klimaschutz um eine effiziente sozial-ökologische Transformation. | Quelle: depositphotos.com

Biden: “When I hear “climate,” I think jobs.” (Wenn ich „Klima“ höre, denke ich an „Arbeitsplätze”)

Als drittes geht es ihm um Klimaschutz und eine effiziente sozial-ökologische Transformation. Dabei soll Bidenomics den Widerspruch von Wachstum und Klimaschutz aufbrechen und Klimaschutz und Jobs zusammenbringen.

Als letztes geht es um die enorme Ungleichheit in den USA und die Krise der amerikanischen Demokratie, die sich im „Trumpismus„ widerspiegelt. Zwar würden durch die Globalisierung und die Öffnung Chinas enorme Wohlstandsgewinnen erzeugt. Von diesen würden jedoch nicht alle Amerikaner:innen gleichermaßen profitieren. Dadurch sieht Sullivan das sozioökonomische Fundament untergraben, das der amerikanischen Demokratie zugrunde liegt. 

Bidenomics in der Praxis

Nach einem langen Aushandlungsprozess im Kongress konnte US-Präsident Biden am 12. August 2022 endlich den „Inflation Reduction Act“  verabschieden. Schon der Name des Gesetzespakets ist ein Beleg dafür, wie hart die Verhandlungen geführt wurden – er war ein Zugeständnis an konservative Demokrat:innen. Durch den neuen Namen konnten diese vor ihren Wähler:innen den Eindruck vermitteln, zum Kampf gegen die damals grassierende Inflation beizutragen. 

Gerechtfertigt wurde der Name durch die im IRA enthaltenen Reformen im Steuer- und Gesundheitssystem. Den ursprünglichen Berechnungen zufolge sollte der IRA die Staatsschuld der USA langfristig sogar reduzieren. Er sieht nämlich vor, Steuerlücken zu schließen und die Preise für staatlich subventionierte Medikamente neu zu verhandeln. Die langfristig geplanten Kosten des IRA setzten sich ursprünglich aus Investitionen in das Gesundheitssystem von etwas über 100 Milliarden Dollar und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels im Wert von knapp 400 Milliarden Dollar zusammen. Neueste Berechnungen schätzen das Ausmaß der klimafreundlichen Ausgaben jetzt sogar auf fast das Doppelte. Der Grund dafür ist die innovative Struktur des Gesetzes.

Klimaschutz durch Steueranreize

Der den Klimawandel betreffende Teil des Gesetzes-Paktes setzt sich aus einer Vielzahl von verschiedenen Maßnahmen zusammen. Unterschiedliche Behörden werden mit den finanziellen Mitteln ausgestattet, um Zuschüsse, Darlehen und andere Investitionen bereitstellen zu können. Diese sollen zum Beispiel die Produktion und den Kauf von erneuerbarer Energie und grüner Mobilitätstechnologie fördern. 

Zum Beispiel werden die Solar-, Wind- und Wasserstoffindustrie, die Batterieproduktion und Elektroautos sowie die dafür nötige Infrastruktur gefördert. Besonders innovativ ist die Struktur der Steueranreize, die zur Förderung von Investitionen in grüne Technologien verwendet wird.

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Dank neuer Gesetze können Unternehmen bezüglich ihrer klimafreundlichen Investitionen besser planen. | Quelle: depositphotos.com

Unternehmen ist es möglich, diese Investitionen teilweise fast vollständig von ihren Steuern abzusetzen und das in einem unbegrenzten Ausmaß. Dadurch erklären sich auch die ständig steigenden Kosten des Gesetzes. Je mehr Unternehmen in klimafreundliche Technologien investieren, desto mehr sparen sie bei ihren Steuern. 

Das kostet den amerikanischen Staat viel Geld, doch andererseits hat dies den Vorteil, dass die Unternehmen bezüglich ihrer klimafreundlichen Investitionen sicher planen können. Sie konkurrieren nicht um begrenzte Zuschüsse, sondern wissen, dass eine großer Anteil ihrer Investitionen indirekt vom Staat bezahlt wird. Dies zahlt sich aus – allein im Jahr 2023 investierten Unternehmen in den USA 44 Milliarden US-Dollar in den Ausbau von Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien.

Klimaschutz und Sozialpolitik zusammen gedacht

Doch nicht nur für Unternehmen sind die Steueranreize attraktiv. Ihr Ausmaß hängt nämlich von den Arbeitsbedingungen in den steuerlich begünstigten Produktionsstätten ab. Unternehmen können nur unter bestimmten Bedingungen vollständig von den Steuervergünstigungen profitieren. Die grünen Investitionen müssen in Projekte fließen, die zu einem großen Teil in den USA angesiedelt sind, einen fairen Lohn zahlen, Gewerkschaften ermöglichen und ökonomisch schwache Regionen fördern. Durch das Gesetz werden so gut bezahlte und vergewerkschaftete Jobs insbesondere für Industriearbeiter:innen geschaffen.

Perspektivisch ist der IRA zwar durch die Wahl Donald Trumps bedroht, da dieser dem Ausbau von erneuerbaren Energien kritisch gegenübersteht. Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass die Regelung zurückgenommen wird, da ein Großteil der bisherigen Investitionen in republikanisch dominierte Regionen geflossen ist. Es wird daher selbst für republikanische Politiker:innen schwierig sein sich gegen den IRA zu stellen, wenn dieser in ihren Wahldistrikten zehntausende Arbeitsplätze geschaffen hat.  

Bidenomics als Vorbild

Bidenomics zeigt, dass eine gerechte Verteilungspolitik mit der Dekarbonisierung der Wirtschaft in Einklang gebracht werden kann. Durch die innovative, offene und gleichzeitig sozial orientierte Struktur der Steueranreize im IRA werden zukunftsträchtige Industrien gefördert und gleichzeitig Arbeitsplätze in den USA geschaffen. 

Dabei wird die marktliberale Ideologie zugunsten einer aktiven, angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, überwunden, die sich an gesamtgesellschaftlichen Zielen orientiert. 

Auch für Europa könnte Bidenomics ein Vorbild sein und uns dabei helfen, den vermeintlichen Widerspruch zwischen Sozial- und Klimapolitik aufzulösen.

Beitragsbild: Thenews2.com | depositphotos.com

Über die Autoren:

Moritz von Kapff Plurale Ökonomik

Moritz Kapff studiert Economics/Politische Ökonomik in Heidelberg. Er engagiert sich bei Plurale Ökonomik, Fiscal Future sowie zum Green New Deal und schreibt in seiner Freizeit zu ökonomischen und gesellschaftlichen Themen. Seine Interessen umfassen die sozial-ökologische Transformation, Zentralbanken und ökonomische Ideengeschichte.

Lennard Friedrich Plurale Ökonomik

Lennard Fredrich studiert Philosophie in Heidelberg. Er ist aktiv beim Netzwerk Plurale Ökonomik und schreibt in seiner Freizeit zu ökonomischen und gesellschaftlichen Themen.

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Dieser Artikel wurde von einer externen Person geschrieben.

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