Wohlhabende Menschen verursachen höhere Emissionen – doch mittlerweile gibt es viele Ansätze zur Verringerung dieser Emissionsungleichheit.
In unserem Kommentarformat hat sich unsere Redakteurin Lara die Auswirkungen von Wohlstand auf die Klimakrise angeschaut und vielfältige Lösungen gefunden, die den steigenden Emissionen reicher Menschen entgegenwirken.
Doch was hat die Klimakrise überhaupt mit sozialem Wohlstand zu tun? In Deutschland liegen die Emissionen pro Kopf im Durchschnitt bei etwa elf Tonnen CO2-Äquivalenten. Die reichsten zehn Prozent dagegen emittieren 45 Tonnen. Die reichsten 0,1 Prozent liegen nochmals weit darüber bei 800 Tonnen.
Eine Studie der Nature Sustainability zeigt die gesellschaftlichen Unterschiede noch deutlicher auf: Die reichsten zehn Prozent der Menschheit verantworten fast die Hälfte der weltweiten Emissionen, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung lediglich ein Zehntel der Treibhausgase verursacht. Die Studie zeigt auch: Rund 63 Prozent der globalen Unterschiede in den Emissionen sind auf Wohlstandsunterschiede und nicht auf Differenzen zwischen verschiedenen Ländern zurückzuführen.
Die Suche nach Ursachen
Es mag einfach erscheinen, nun mit dem Finger auf reiche Bürger:innen zu zeigen, aber tatsächlich sind die hohen Emissionen reicher Menschen mehreren Ursachen geschuldet. Zuerst das Offensichtliche: Reiche Menschen haben in der Regel ein höheres Konsumverhalten, insbesondere im Bereich Mobilität. Im Flugverkehr beispielsweise liegen die Emissionen der reichsten Menschen dreizehnmal so hoch wie die der ärmsten. Doch auch in anderen Bereichen sind die Emissionen überdurchschnittlich hoch. So besitzen reiche Menschen in der Regel deutlich mehr Wohnfläche und konsumieren mehr Luxusprodukte.
In Deutschland hat sich in den vergangenen dreißig Jahren der Ausstoß von Treibhausgasen durch die ärmeren 50 Prozent verringert, der der wohlhabenderen zehn Prozent ist gestiegen. Die Emissionsungleichheit vergrößert sich also. Um die Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen, ist es vor allem wichtig, die Emissionen der reicheren Menschen zu reduzieren. Denn tatsächlich liegt der durchschnittliche Ausstoß von Treibhausgasen der ärmeren Bevölkerungshälfte bei sechs Tonnen jährlich. Wenn alle Menschen in Deutschland sich an diesen Wert anpassen würden, wären wir schon auf der Zielgeraden für die gesetzten Klimaziele.
Der Zusammenhang von Konsumverhalten und Wohlstand ist dabei eine wichtige Komponente. Das zeigen gesellschaftliche Entwicklungen. Seit 1990 sind die Emissionen weltweit gestiegen. Denn in ärmeren Ländern hat sich der Lebensstandard vieler Menschen verbessert. Gleichzeitig sind weltweit auch die Emissionen reicher Menschen weiter gestiegen. Die Schere zwischen Arm und Reich wächst immer weiter – und damit auch die Emissionsungleichheit. Eine Studie der Universität Bern belegt sogar: Das Konsumverhalten von Individuen lässt sich besser durch ihr Einkommen als durch ihre umweltbezogenen Werte beschreiben.
Felix Creutzig, Mitautor der IPCC-Berichte, bestätigt: „Das Konsumverhalten ist nicht nur für sich genommen wichtig, sondern auch dahingehend, dass viele andere dem nacheifern. Dieser Effekt führt in ungleichen Ländern dazu, dass alle mehr konsumieren, um sozial gut dazustehen.“
Reiche setzen sich für ein gerechteres Morgen ein
Bei der reinen Betrachtung des Emissionsausstoßes wohlhabender Menschen kommt schnell ein Groll auf. Doch tatsächlich zeigen die Daten nur eine Seite der Medaille. Denn während reiche Menschen mehr konsumieren, so das Forscher:innenteam um den Psychologen Kristian Nielsen von der University of Cambridge, können sie auch überdurchschnittlich zu klimafreundlichen und oft teureren Alternativen, Innovationen und politischen Entscheidungen beitragen. Außerdem sind sie häufig wichtige Mitglieder großer Unternehmen und damit in der Lage, nachhaltige Entwicklungen maßgeblich voranzutreiben.
Zusätzlich setzen sich auch viele reiche Menschen aktiv für mehr Emissionsgerechtigkeit ein. Marlene Engelhorn ist Erbin eines zweistelligen Millionenbetrages. Sie ist sich der Macht, die ein solches Vermögen mit sich bringt, bewusst, und hat deshalb die Initiative taxmenow ins Leben gerufen. Im Jahr 2022 schrieb sie gemeinsam mit über 100 Milliardär:innen und Millionär:innen einen offenen Brief im Rahmen des World Economic Forums, in dem die Unterschreibenden fordern, höher besteuert zu werden. Nach Marlene Engelhorn dürfen das gerne 90 Prozent ihres Vermögens sein. Denn sie findet, dass in einer Demokratie der Staat entscheiden sollte, wohin das Geld investiert wird.
In Davos kommen einmal im Jahr wirtschaftliche Entscheider:innen zusammen | depositphotos.com
So sieht es auch Stephanie Bremer, die zum Schutz ihrer Familie ein Pseudonym verwendet:
„Reich sein ist angenehm, aber noch viel lieber wünsche ich mir eine Gesellschaft, in der ich eine intakte Umwelt habe und in der ich versorgt bin, wenn mir etwas zustößt. Das ist mir viel wichtiger und viel mehr wert.“
Stephanie Bremer ist reich – und wünscht sich eine Vermögenssteuer | © Matthias Ziegler
Tatsächlich wurde ein Szenario mit einer zusätzlichen Vermögenssteuer bereits durchgerechnet. Laut internationaler Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam könnten die weltweiten Steuereinnahmen um 2,37 Billionen Euro steigen. Dieses Geld wiederum könnte in die Entwicklungshilfe, den Abbau von Kohlekraftwerken oder den Schutz von Naturreservaten investiert werden.
So geht investieren nachhaltig
Die Studie der Nature Sustainability zeigt einen weiteren wichtigen Parameter auf, der bei der Diskussion um das Konsumverhalten oft ausgelassen wird: Investitionen. Denn auch wenn der Diskurs ums Konsumieren ein richtiger und wichtiger ist, kommen die meisten Treibhausgase aus den finanziellen Anlagen wohlhabender Menschen. Und auch hier gibt es einige Initiativen, die weitreichende Unterstützung erlangen.
Bereits über 1.100 Organisationen und 59.000 Individuen haben sich über die Bewegung DivestInvest dazu verpflichtet, ihre insgesamt 8,2 Billionen in fossile Brennstoffe investierten Euro aus der Industrie zurückzuziehen. Divestment nennt sich das Ganze – und es löst eine Kettenreaktion aus. Denn je mehr Anleger:innen ihre Investitionen in nachhaltige Projekte umverlagern, desto weniger lohnt sich eine Investition in fossile Brennstoffe und desto attraktiver werden emissionsschwache Anlagen.
Nachhaltiges Unternehmertum für morgen
Unternehmer:innen haben bereits mehrfach gezeigt, dass wohlhabend Sein auch verantwortungsvoll geht. Der Patagonia-Gründer Yvon Chouinard stieg 2022 aus dem international erfolgreichen und für den Aktivismus bekannten Unternehmen aus – doch nicht ohne sicherzustellen, dass seine Werte weitergelebt werden und mit der Mission, der Erde so viel wie möglich zurückzugeben. 98 Prozent des Unternehmens gehören nun der gemeinnützigen Umweltorganisation Holdfast Collective.
Patagonia-Gründer Yvon Chouinard | Campbell Brewer
„Es ist ein halbes Jahrhundert her, dass wir unser Experiment eines verantwortungsvollen Geschäfts begonnen haben. Wenn wir auf einen blühenden Planeten in 50 Jahren hoffen wollen, müssen wir alle alles tun, was wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen tun können. Als der Wirtschaftsführer, der ich nie sein wollte, leiste ich meinen Beitrag. Anstatt der Natur Werte zu entziehen und sie in Reichtum umzuwandeln, nutzen wir den Reichtum, den Patagonia schafft, um die Quelle zu schützen. Wir machen die Erde zu unserem einzigen Aktionär. Es ist mir todernst mit der Rettung dieses Planeten.“
Patagonia-Gründer Yvon Chouinard
Auch Blinkist Mitgründer Sebastian Klein geht unkonventionelle Wege. Nachdem die Firma im Mai verkauft wurde, erregte er auf LinkedIn Aufsehen. Denn laut eigener Aussage möchte er 90 Prozent seines Vermögens zum Schutz der Umwelt spenden. Seine Erklärung spiegelt wider, worin auch Expert:innen das Problem in extremem Reichtum sehen:
„Warum ich 90 Prozent meines Privatvermögens aufgebe? Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass extremer Reichtum einen schädlichen Einfluss auf unsere Gesellschaft hat. Die zunehmende Vermögenskonzentration macht mir große Sorgen, denn sie zersetzt unsere Gesellschaft und zerstört die Demokratie. Für mich hängt sie außerdem direkt mit der Klimakrise zusammen.“
Politische Ansätze zum Ausgleich der Emissionsungleichheit
Eine große Frage bleibt nun: Reicht das steigende Engagement aus, um langfristig gegen die Ungleichheit beim Ausstoß von Treibhausgasen anzukämpfen? Die Expert:innen sagen: nein. Doch welche politischen Ansätze Lösungen bieten könnten, darüber herrscht bisher noch Uneinigkeit.
Ein Vorschlag des kalifornischen Juristen Bill Magavern ist die Klimasteuer auf das Vermögen von Superreichen. So argumentiert er, dass Einkommen über zwei Millionen Euro mit einer Klimaabgabe von 1,75 Prozent besteuert werden sollten. Das zusätzliche Steuereinkommen könnte dann in den Schutz vor Waldbränden und die Verkehrswende in Kalifornien eingesetzt werden. Das Vorhaben ließ sich politisch bisher jedoch noch nicht umsetzen und ist auch sonst umschritten. Denn um einen nachhaltigen Einfluss auf die Emissionsgerechtigkeit zu haben, müssten in Kalifornien die reichsten zwanzig Prozent besteuert werden, so Felix Creuzig des IPCC.
Die Vielflieger:innensteuer ist ein weiterer Ansatz, der international diskutiert wird. Die Emissionen aus dem Flugverkehr von Wohlhabenden sind deutlich höher als die der Ärmeren. Laut Internationalem Rat für sauberen Verkehr (ICCT) sollte die Steuer steigen, je mehr eine Person fliegt. Der erste Flug soll demnach steuerfrei sein, ab dem zweiten gilt ein Aufpreis von 8,5 Euro und bei dem zwanzigsten Flug im selben Jahr zahlen Vielflieger:innen 166 Euro extra. Das Geld kann dann in die Entwicklung nachhaltigen Flugverkehrs investiert werden.
Der Flugverkehr ist bisher nur wenig in die Klimapolitik eingebunden und wird nach wie vor stark subventioniert. Eine Vielflieger:innensteuer könnte einen wichtigen Schritt darstellen, auf die Klimaauswirkungen des Vielfliegens hinzuweisen. Kritiker:innen weisen jedoch darauf hin, dass es in Kombination mit den Subventionen die Kosten auf die Konsument:innen anstelle der Unternehmen übertrage.
Ein dritter Vorschlag wäre die Einführung eines Klimageldes. Die Idee dahinter ist einfach: Überall dort, wo hohe Emissionen entstehen, muss ein CO2-Preis bezahlt werden – so zum Beispiel bei Kraftwerken. Dadurch steigen in Folge die Preise für Endverbrauchende. Der Staat schüttet am Ende des Jahres ein Klimageld aus, das für alle Bürger:innen gleich hoch ist. Wer also mehr konsumiert, hat weniger vom Klimageld. IPCC-Mitautor Felix Creuzig findet die Idee an sich gut, denkt aber, dass der Einfluss auf die Emissionsungleichheit minimal sein würde. Ein solches Klimageld wird zur Zeit von den Grünen in Deutschland gefordert. In Österreich wurde der Klimabonus in Höhe von 500 Euro pro Person im Jahr 2022 eingeführt.
Der renommierte Klimaforscher Hans Joachim Schnellnhuber vom Potsdam Institute for Climate Impact Research schlägt zudem vor, die Idee der CO2-Zertifikate, wie es sie bereits bei Unternehmen gibt, für Privatpersonen einzuführen. Demnach müssten Verbraucher:innen beim Überschreiten einer festgelegten CO2-Grenze Rechte einkaufen. Wer unter der Grenze bleibt, kann dagegen seine Rechte verkaufen. Über die Anzahl der Zertifikate kann der Staat so die Gesamtemissionen regulieren. Gleichzeitig wird klimafreundliches Verhalten belohnt und mit steigenden Preisen für die Zertifikate immer attraktiver.
Letztendlich wäre ein Portfolio verschiedener politischer Maßnahmen notwendig, um sowohl die Emissionsungleichheit zu verringern als auch klimafreundliches Verhalten zu fördern und zusätzliches Kapital zu generieren, welches zurück in den Klimaschutz fließen kann.
Klimaschutz kann jede:r
Wohlhabende Länder wie Deutschland spielen eine besondere Rolle im Kampf gegen die hohen Emissionen. Denn ein hoher sozialökonomischer Status ist im globalen Vergleich bereits mit einem Jahreseinkommen von 33.800 Euro erreicht. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Bruttoeinkommen pro Kopf liegt in Deutschland bei über 40.000 Euro. Damit besitzen Länder wie Deutschland höhere Kapazitäten, nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben.
Mit gutem Beispiel vorangehen kann übrigens jede:r, ganz unabhängig vom Einkommen. Denn auch kleine Taten können einen Schmetterlingseffekt auslösen. Wenn du dich also hauptsächlich pflanzlich ernährst, zum regionalen Bio-Gemüse auf dem Wochenmarkt greifst, Kleidung Second Hand kaufst oder mit der Bahn in den Urlaub fährst, wirkst du nicht nur durch die Tat selbst der Klimakrise entgegen, sondern kannst für dein Umfeld Inspiration und Motivation sein, ebenfalls Gewohnheiten nachhaltiger zu gestalten.
Beitragsbild: Vadim Vasenin | depositphotos.com