Eine Billion Bäume

das ist ein GNM+ ArtikelPlant-for-the-Planet: Klimaschutz hat kein Mindestalter

von | 12. November, 2023

Die Stiftung Plant-for-the-Planet hat es sich zum Ziel gemacht, eine Billion Bäume zu pflanzen. Wieso das so wichtig ist, kommunizieren etwa 96.000 Botschafter:innen für Klimagerechtigkeit auf der ganzen Welt. Das Besondere: Die Jüngsten von ihnen sind gerade mal neun Jahre alt.  

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Wieso Waldökosysteme für die Klimakrise entscheidend sind, verstehen bereits Kinder. Bäume binden klimaschädliches CO₂ aus der Atmosphäre und speichern dieses in ihren Blättern, Stämmen und Wurzeln. Das Problem: Durch (illegale) Abholzung, Dürren und Waldbrände verlieren wir jedes Jahr 10 Milliarden Bäume – und damit einen Teil eines relevanten Instruments im Kampf gegen die Klimakrise. 

Um diese Entwicklung aufzuhalten, hat sich die internationale Initiative Plant-for-the-Planet ein ambitioniertes Ziel gesetzt: eine Billion Bäume pflanzen. Eine eins mit zwölf Nullen. Oder auch: 1.000 Milliarden. Ausgewachsen könnte eine Billion Bäume zwischen 488 und 1.012 Milliarden Tonnen CO₂ binden und damit etwa ein Viertel bis ein Drittel aller bisherigen menschlichen CO₂-Emissionen (2,2 Billionen Tonnen).

Doch Bäume können noch mehr: Waldrenaturierung trägt dazu bei, Biodiversität zu erhalten, die lokale Wasserqualität zu verbessern, Erosion zu verringern und in Ländern des Globalen Südens neue Wirtschaftszweige zu schaffen, die speziell auf der Wiederherstellung basieren. Klar ist also: Wir brauchen Bäume. 

Doch wer sorgt nun dafür, dass diese Billion Bäume gepflanzt werden? Kinder! Seit der Gründung haben sich bei sogenannten Plant-for-the-Planet-Akademien bereits 95.898 Kinder und Jugendliche in 75 Ländern gegenseitig zu Botschafter:innen für Klimagerechtigkeit ausgebildet. Denn Plant-for-the-Planet ist sich sicher, dass es vor allem auch junge Menschen braucht, um eine globale nachhaltige Entwicklung zu bewirken. Gleichzeitig ist es die Generation, die die Auswirkungen des Handelns vergangener Generationen am meisten zu spüren bekommen wird.

Aber nicht nur: Mittlerweile arbeitet die Initiative weltweit mit Wissenschaftler:innen und Expert:innen an mehr als 225 Projekten an der Renaturierung von Wäldern, darunter in Ghana, Spanien und auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, dem größten Projekt. Seit 2015 wurden dort mehr als 10,2 Millionen Bäume in Form von 41 einheimischen Arten gepflanzt. Einen offenen, täglich aktualisierten Einblick in die Pflanzaktionen liefert das Tool TreeMapper. Zudem werden in Überwachungsparzellen die Überlebens- und Wachstumsraten repräsentativer Stichproben mit Bäumen auf zufällig ausgewählten Standorten beobachtet. Die Überlebensrate unterscheidet sich nach Region, Art und Bodentyp und ist ein entscheidender Faktor für die weitere Artenauswahl. Die vorläufigen Gesamtüberlebensraten nach sechs Monaten liegen bei 28 bis 64 Prozent. 

Doch zurück zu den eigentlichen Akteur:innen, den Kindern und Jugendlichen. Was bedeutet es überhaupt, Botschafterin für Klimagerechtigkeit zu sein? Darüber habe ich mit Charlotte und Caterina von Plant-for-the-Planet gesprochen. 

Wer hat den ersten Baum gepflanzt?
Gegründet wurde Plant-for-the-Planet 2007 von dem damals neunjährigen Felix Finkbeiner. Aufgerüttelt durch ein Referat pflanzte der Schüler in Zusammenarbeit mit seiner Schule die ersten Bäume im Rahmen der Initiative und wurde in den Folgejahren zu einem der bekanntesten Naturschützer Deutschlands. 2018 erhielt er für sein Engagement die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Heute befasst er sich im Rahmen seiner Doktorarbeit mit Renaturierung und betreut das Renaturierungsprojekt auf Yucatán.

Renaturierungsprogramm in der Kritik 
2020 warf der Stern der Stiftung Intransparenz sowie fehlendes Monitoring vor. Als Reaktion darauf beauftragte die Stiftung die Wirtschaftsprüfgesellschaft PKF mit der Prüfung der Renaturierungsprojekte in Mexiko, welche alle Angaben zu den gepflanzten Bäumen bestätigte und damit die Kritik zurückwies. Zu den weiteren Maßnahmen zählt unter anderem ein Expert:innenrat, bestehend aus unabhängigen Wissenschaftler:innen der TU München, der University of Hawaii und des Centro de Investigación Científica de Yucatán, sowie ein gewachsenes Ökolog:innen- und Monitoring-Team. Das vierköpfige Monitoring-Team registriert unter anderem täglich alle Standorte der gepflanzten Bäume.

Zehn Jahre Bäume pflanzen

Elf Jahre ist es her, dass Caterina, heute 22, auf ihrer ersten Plant-for-the-Planet-Akademie war. Auf dem Land aufgewachsen, beschäftigte sie sich schon früh damit, was sie selbst tun kann, um die Natur zu schützen. Sich einen Samstag lang mit Gleichaltrigen darüber auszutauschen, klang für die damals Elfjährige, die sich selbst als besonders neugierig beschreibt, “nach einer interessanten Veranstaltung”. Und tatsächlich: “Das hat super viel Spaß gemacht und ich fand es super interessant, wie dieses Lernkonzept funktioniert”, erinnert sich die Studentin heute. Statt Frontalunterricht seien die Kinder vor allem dazu ermutigt worden, spielerisch eigene Lösungswege für globale Ungerechtigkeiten zu finden. 

Seitdem hat sich viel getan: Caterina fing schon bald selbst an, als Botschafterkind bei anderen Akademien Vorträge zu halten und den teilnehmenden Kindern die Klimakrise und deren Folgen, den Treibhauseffekt und die Bedeutung des Bäumepflanzens zu erklären. Passenderweise sitzen wir selbst unter Bäumen – zwar nicht im Wald, aber immerhin in einem Park –, als sie mir begeistert von den Inhalten der Akademien erzählt. Heute agiert sie dort vor allem als Moderatorin, außerdem hält sie Vorträge und Workshops in Unternehmen, mittlerweile im ganzen DACH-Bereich. “Ich kann mir nicht vorstellen, das nicht mehr zu machen, weil es halt einfach so lange schon ein Teil von mir ist. Natürlich haben sich meine Aufgaben entwickelt und verändert, aber es gehört dazu, sich damit zu beschäftigen.”

Auch für Charlotte ist ihr Plant-for-the-Planet-Engagement fester Bestandteil ihres Alltags. Gleichzeitig ist die Geschichte der 17-Jährigen eindrucksvoller Beleg für die Relevanz von Kindernachrichten (mehr dazu beim GEOlino-Interview), denn es war das Format logo, das sie dazu brachte, 2019 selbst an ihrer ersten Akademie in Hamburg teilzunehmen. Vor zwei Jahren organisierte sie dann in Lüneburg ihre erste eigene Akademie, schon bald soll eine zweite folgen.

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Wenn Kinder über sich hinauswachsen

Besonders von einem Programmpunkt der Akademien erzählen die Botschafterinnen für Klimagerechtigkeit mit Stolz: dem etwa 40-minütigen Schlussvortrag, bei dem ein paar der teilnehmenden Kinder das Gelernte für alle in eigenen Worten wiedergeben. Dass die Kinder selbst Gleichaltrigen die Thematik erklären und nicht Erwachsene die Vorträge halten, sei ein wichtiger Aspekt der Akademien. Gleichzeitig ist der Schlussvortrag für Caterina jedes Mal aufs Neue ein eindrucksvolles Ergebnis der Entwicklung, die die Kinder am Tag durchliefen: 

“Am Anfang sind die Kinder sehr zurückhaltend. Sie können teilweise nicht mal flüssig sagen, wie sie heißen – weil sie dich nicht kennen, nicht so viele von den Kindern kennen, weil sie generell nicht wissen, was hier gerade abgeht, und alles ein bisschen neu ist. Über den Tag entwickeln sie sich immer in eine wilde Horde und am Ende stehen da sogar Sieben- oder Achtjährige vor 80 Leuten, vor ihren Eltern, und halten den Vortrag, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Die Kinder machen das richtig galant und du siehst, wie viel Spaß sie dabei haben. Das ist tatsächlich das, was mich daran begeistert.”

Auch die Eltern seien jedes Mal beeindruckt über das neu gewonnene Selbstbewusstsein der Kinder – auch wenn die ihnen in den Vorträgen gerne mal direkt sagen “ihr seid schuld”. 

Wirksames Mittel gegen die Klimaangst

Geht es um die intensive Beschäftigung mit klimabezogenen Inhalten, fällt immer wieder ein Wort. Solastalgie. Klimaangst. Denn die Szenarien, die mit den Folgen der Klimakrise einhergehen, sind so dystopisch, dass eine Beschäftigung damit schnell zulasten der mentalen Gesundheit gehen kann. Konkreter beschreibt das Phänomen den Schmerz über den Verlust Trost spendender Heimat – zusammengesetzt aus dem lateinischen solacium („Trost“) und dem altgriechischen algos („Schmerz“). 

Ein Wort, das es gar nicht geben sollte”, beschreibt es National Geopgraphic. Und doch geben in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im August 2023 61 Prozent der Erwachsenen an, Angst vor Extremwetterereignissen wie Fluten, Tornados, Waldbränden oder extremer Hitze in Deutschland zu haben, also Geschehnissen, die unbestreitbar mit der Klimakrise in Verbindung stehen. Bei der jüngeren Generation sind diese Zahlen noch eindeutiger: In einer 2022 von der Bertelsmann Stiftung publizierten Umfrage gaben 80 Prozent der Befragten zwischen zwölf und18 Jahren an, wegen der Klimakrise etwas (38 Prozent) oder sehr (42 Prozent) besorgt zu sein. 

Wie also schaffen es die Botschafterinnen, diese Klimaangst in ihren Vorträgen nicht als eine Art blinder Passagier mit den Informationen mitzutransportieren? “Ich möchte Kindern, wenn ich diese Akademien moderiere, keine Angst machen, weil uns das nicht weiterbringt . Angst ist ja eher ein lähmendes Gefühl, wenn man nicht weiß, wie man mit der Situation umgehen soll. Stattdessen möchte ich ihnen zeigen, dass es ein Problem gibt, aber auch Lösungsansätze”, ist sich Caterina sicher. 

“Natürlich können wir nicht alles, was in den letzten Jahren passiert ist, rückgängig machen. Aber wir können Schlimmeres verhindern und damit auch ganz klar Menschenleben retten.” Vor allem gehe es darum, das Potenzial einer gesamtgesellschaftlichen, systemischen Änderung zu vermitteln – einer Änderung, an der auch Kinder mitwirken können. “Man muss den Kindern mitgeben, dass ihre Stimme zählt, auch wenn es ein zehnjähriges Kind ist”, betont sie. 

“Ist ja schön, was du da machst”

Es gibt eine Frage, die vermutlich junge Aktivisti auf der ganzen Welt beschäftigt: Wie schaffen wir es, ernst genommen zu werden? Auch Caterina erzählt von dem Gegenwind, den sie seit jeher für ihre Bildungsarbeit bekommt. Insbesondere in ihrer Anfangszeit hätten Aussagen wie ‘Ach du bist ja ein nettes Kind. Schön, dass du dich auf die Bühne traust’ zum Standard gehört. Um den Inhalt ihres Vortrags ging es dann eher weniger. Mit den Jahren hätten sich die Art der Negativreaktionen geändert – trotz aller positiven Rückmeldungen, wie sie betont. Und jede Reaktion, gerade auch die negativen, zeigen ja auch, dass es der Person nicht egal ist, dass die Worte nicht spurlos vorbeigehen, sondern etwas ausgelöst haben, und damit ist schon mal ein Anfang geschaffen. Hält die Studentin nun Vorträge in Unternehmen, bekommt sie vor allem von Teilnehmern die Rückmeldung, wie unnötig das sei. Wie dramatisch sie selbst. Dabei ist dramatisch doch dabei vielmehr das, was auf uns zukommt, wenn Kinder und Jugendliche eben nicht handeln. 

Umso wichtiger ist deshalb die (internationale) Zusammenarbeit der Botschafter:innen, um sich gegenseitig zu bestärken. Die deutliche Aussage der Botschafterinnen: Klimaschutz geht nur gemeinsam. Aus diesem Grund treffen sich alle Botschafter:innen einmal jährlich für knapp eine Woche bei dem sogenannten Youth Summit. Neben wissenschaftlichem Input geht es darum, den jungen Aktivisti die Bedeutung einer globalen Gemeinschaft zu vermitteln. ”Ich habe auch gelernt, dass Zusammenhalt und diese Freundschaften sehr, sehr wichtig sind.” Auch wenn sie viele der anderen Freiwilligen nur ein- oder zweimal im Jahr sehe, fühle es sich an wie Familie, erzählt sie lächelnd.

Plant-for-the-Planet: Eine Billion Bäume

Aber wie sieht es jetzt eigentlich aus mit der Billion – zur Wiederholung: eins null null null null null null null null null null null null – Bäume? Aktuell verzeichnet die Stiftung 24,2 Millionen gepflanzte Bäume über die Plant-for-the-Planet A.C. Mexiko sowie Partnerprojekte. Zudem wurden über die entsprechende Plattform seit 2019 weltweit 70,34 Millionen Bäume an Renaturierungsprojekte gespendet (bis 31.12.2022). Für Charlotte Grund für Optimismus: ”Ich glaube, wir würden es schon schaffen, das Ziel von 1.000 Milliarden Bäumen bis 2030 zu erreichen oder sogar noch mehr.” Um effektiv gegen die Klimakrise anzugehen, seien allerdings nicht nur Bäume, sondern vor allem globale politische Handlungen erforderlich. “Und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch echt”, betont Caterina. 

Gleichzeitig bedeutet das nach Meinung der beiden nicht, dass die Verantwortung komplett von den Einzelnen abgewendet wird. Gerade deswegen wollen sie andere große und kleine Menschen dazu motivieren, eigene Projekte zu starten. Und auch für den Alltag hat Charlotte gegen Ende noch ein paar Tipps parat: benutzte Gläser zur Aufbewahrung wiederzuverwenden und unverpackt einzukaufen beispielsweise. “Und die Erwachsenen dazu anregen, da mitzumachen.” Zuletzt, meint die Auszubildende, zähle beim Klimaschutz vor allem eins: Dranbleiben. 

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Nina Kegel

Nina ist stellvertretende Chefredakteurin beim Good News Magazin und vor allem eins: Neugierig. Immer auf der Suche nach Good News beschäftigt sie sich am liebsten mit Themen rund um einen nachhaltigen Wandel – egal ob kreatives Bauprojekt, ökologische Initiative oder innovatives Unternehmenskonzept, sie lässt sich für vieles begeistern. Außerdem studiert sie im Master Medienkultur und Globalisierung.

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