Ruhe tut uns nicht nur gut, sondern ist essentiell für unser Gehirn und unser Wohlbefinden. Um wirklich zur Ruhe zu kommen, müssen wir umdenken – aber es lohnt sich.
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Berlin Hauptbahnhof, Freitag, 17:34 Uhr. Menschen strömen in unterschiedliche Richtungen, drängen sich auf Rolltreppen an stehenden Menschen vorbei, hasten die Treppen zum Gleis hinauf oder hinunter. Vor dem Bahnhof warten Menschen auf den Bus. Die M10 fährt gerade ein, mehrere Menschen rennen noch schnell unter Hupen eines nahenden Autos über die rote Ampel. Der Mann im Anzug hinter mir weist seinen Kollegen am anderen Ende der Leitung an, heute dringend noch mehrere wichtige Mails rauszuschicken. Das Mädchen vor mir entschuldigt sich am Handy bei einem Freund: Sorry, ich kann heute nicht, ich bin doch fürs Theater verabredet und morgen früh gehe ich mit den Mädels brunchen…
Selten wird mir die ständige Bewegung so bewusst wie in solchen Momenten. Und ich bin selbst genauso Teil von ihr, immer unterwegs zwischen deutschen Städten oder auch im Ausland. In Berlin wechsle ich zwischen zwei Jobs und der Uni, meinen Boulderhallen und sozialen Verpflichtungen hin und her. Dabei bin ich nicht nur körperlich, sondern auch gedanklich fast ständig in Bewegung. Meistens genieße ich das Gefühl, so vielseitig unterwegs zu sein. Doch manchmal kommt der Punkt, wo ich im Zug einfach nur den Laptop zuklappen, aus dem Fenster gucken und GAR NICHTS tun will. Die ganzen 4,5 Stunden von Berlin nach Köln.
Genau das sollte ich auch tun. Das zumindest sagt die Forschung. Denn Momente der Ruhe sind wichtig für unser Gehirn und gut für unser allgemeines Wohlbefinden. Wenn wir nichts tun, tun wir also eigentlich enorm viel – und zwar viel Gutes. Diese Haltung findet auch immer mehr Verbreitung in der Gesellschaft. Von Niksen über die Abschaffung der “Faulheit” bis zum Ausruhen als Form des Widerstands: Ausruhen, um des Ausruhens willen, wird immer populärer. Gute Nachrichten für all diejenigen von uns, die mal wieder eine Pause brauchen. Also wir alle, eigentlich.
Die hohe Kunst des Nichtstuns
“Niksen” ist ein niederländisches Wort. Es ist einer dieser Begriffe, die sich, ähnlich wie das deutsche “geborgen sein”, nur schwer in ihrer vollen Bedeutung in andere Sprachen übertragen lassen. Eine klare Definition von “niksen” zu finden, ist ebenso schwierig. Denn das Verb ist in den letzten Jahren zu einer Art Lebenskonzept geworden.
“Nichts tun, ohne eine Absicht dahinter” – so definiert Olga Mecking “niksen”. In Polen geboren und in Deutschland aufgewachsen, lebt Mecking inzwischen seit 14 Jahren in den Niederlanden. 2018 stolperte sie zufällig in einem Artikel über das Wort “niksen”. Von dem Konzept fasziniert, schrieb sie einen Artikel unter der Überschrift “The case for doing nothing”, der 2019 in der New York Times veröffentlicht wurde und ihr binnen weniger Wochen einen Vertrag mit einem Verlag bescherte. 2020 erschien ihr Buch “Niksen. Embracing the Dutch Art of Doing Nothing” (Dt.: Niksen…