Neues Wissen darüber, was den Beton der alten Römer so langlebig macht, könnte zur Senkung der CO₂-Emissionen im Bausektor beitragen.
In wenigen europäischen Städten ist Geschichtsträchtigkeit so greifbar wie in der “ewigen Stadt” Rom. Bauten wie das Kolosseum und das Pantheon zeugen von Jahrhunderten römischer Herrschaft und vergangenem antiken Grandeur – und versetzen uns ob ihrer Langlebigkeit ins Staunen. Nun haben Forschende eine mögliche Erklärung gefunden, was die antiken Bauwerke so widerstandsfähig macht. Ihre Erkenntnisse über die besonderen Eigenschaften römischen Betons könnten dazu beitragen, die Emissionen des Bausektors zu reduzieren.
Die Geheimnisse römischen Betons
Warum sind die Baustoffe des alten Roms so viel widerstandsfähiger als ihre modernen Pendants? Dieser Frage ging das Team um Admir Masic und Linda Seymour vom Massachusetts Institute of Technology in ihrer Forschung auf den Grund. Dafür entnahmen sie Gesteinsproben aus der Stadtmauer der antiken Stadt Privernum bei Rom und untersuchten diese auf ihre Zusammensetzung.
Sie fokussierten sich dabei auf einen Bestandteil, der in bisherigen Untersuchungen oft unbeachtet blieb: die kleinen weißen Kalkbröckchen, die dem Material seine typische Optik verleihen und sowohl in den Proben aus Privernum, wie auch in vielen anderen Gesteinsproben antiker römischer Bauten omnipräsent sind. “In modernen Betonformeln findet man diese [Kalkbröckchen] nicht, warum finden wir sie also überall in diesen alten Materialien?”, fragte sich Masic.
Die Antwort scheint das Team nun gefunden zu haben. Ihren Ergebnissen zufolge, die die Forschenden Anfang des Jahres im Fachblatt “Science Advances” veröffentlichten, sind gerade diese Kalkbröckchen verantwortlich für die besondere Beständigkeit der römischen Bauten. Denn sie verleihen dem Beton die Fähigkeit, sich selbst zu regenerieren.
Beton, der sich selbst flickt
Um zu verstehen, wie dieser Prozess der Material- Selbstheilung funktioniert, lohnt ein Blick auf das ausgeklügelte System, mit dem die alten Römer ihren Baustoff produzierten. Kalk war dabei ein essenzieller Bestandteil: Er wurde zunächst gebrannt und mit Wasser gelöscht. Dann wurden sogenannte Puzzolane hinzugefügt, Bestandteile vulkanischen Ursprungs, und Wasser. In dem Hitze-intensiven Prozess entstanden die Kalkbröckchen, so die Vermutung.
Wenn über die Zeit witterungsbedingt Risse im Beton entstehen, dringt dort Wasser ein und wäscht Kalzium aus dem Material. Die kalziumhaltige Flüssigkeit kann unterschiedlich mit den Materialbestandteilen reagieren – entweder mit Teilen der Vulkanasche, die bei der ursprünglichen Herstellungsreaktion nicht aktiviert wurden, oder aber sie kristallisiert mit Kohlenstoffdioxid und Wasser zu Kalziumkarbonat. Beide Prozesse führen dazu, dass die Risse mit dem “neuen” Material wieder aufgefüllt werden und erhöhen seine Widerstandsfähigkeit.
Um ihre These zu überprüfen, führten die Forschenden eine Vergleichsstudie durch. Sie produzierten Zementproben nach alter (mit Kalksteinchen) und neuer Formel (ohne Kalksteinchen), fügten den Proben Risse zu und setzen sie Wassereinfluss aus. Das Ergebnis war eindeutig: nach zwei Wochen waren die Risse in den Proben mit Kalksteinchen aufgefüllt.
Vergangenes Wissen für eine klimafreundliche Zukunft
Das Wissen aus der Vergangenheit, so hoffen die Forschenden, könnte nun eingesetzt werden, um Betonbauten der Gegenwart und Zukunft langlebiger zu machen. Denn “unabhängig davon, ob die Schäden im Beton binnen weniger Jahre nach dem Bau entstehen oder Jahrhunderte später, solange der Beton Kalkteilchen enthält, können auch die Prozesse der Selbstregenerierung bestehen”.
Die erfolgreiche Übertragung der antiken Technik auf neue Materialien birgt so großes Potenzial für eine nachhaltigere Bauweise. Aktuell ist die Betonherstellung für bis zu acht Prozent der globalen Emissionen verantwortlich, diese Zahl könnte durch die neuen, alten Erkenntnisse deutlich verringert werden. So die Baubranche willens ist, versteht sich. Vielleicht können ja die ewigen Bauten Roms Überzeugungshilfe leisten.
Beitragsbild: Good News Magazin/Viktoria Franke