Niger ist eines der trockensten Länder der Erde. Doch mit der Halbmond-Technik belebt die Bevölkerung die Natur wieder.
Wenn der Umweltingenieur Dr. Vikalp Mishra vom Servir-Programm auf Satellitenbilder über Niger blickt, sieht er deutlich mehr Grün als vor zehn Jahren. Servir ist eine gemeinsame Initiative der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Agentur und der Nasa, die unter anderem die Vegetation in der westafrikanischen Sahelzone analysiert. Kein Wunder, dass auch die Raumfahrt-Behörde ihre Finger im Spiel hat. Denn für das Ergrünen der trockenen Wüstenböden sind Halbmonde verantwortlich.
Bäume in Mondkratern
Zwischen der gigantischen Sahara-Wüste und der westafrikanischen Sahelzone liegt Niger. Ein Großteil des Landes, etwa 88 Prozent der Fläche, ist mit Wüste bedeckt. Regen gibt es nur noch in zwei Monaten im Jahr. Nicht viel, aber dafür so heftig, dass die viel zu trockenen Böden überschwemmen, anstatt das Wasser aufzunehmen. Die Ausbreitung der Wüste, die sogenannte Desertifikation, sorgt für Hungersnöte und Konflikte zwischen Bauer:innen und Hirt:innen. Sie setzt nicht nur die Natur, sondern auch die Sicherheitslage im Land unter enormen Druck.
Doch vor einigen Jahren haben die Einwohner:innen eine alte Technik wiederentdeckt, die die Lage langfristig entschärfen könnte: die Halbmond-Technik. Dabei blicken die zahlreichen Landwirt:innen nicht in den Himmel, sondern auf den Boden. Sie heben bis zu vier Meter breite Gräben in Halbmondform aus, in denen sich in den knappen Regenzeiten Wasser sammeln soll, um auf diese Weise in die staubtrockenen Böden einsickern zu können. So können hier kleinere Pflanzen und sogar Bäume die Natur wieder zum Leben erwecken.
Nicht nur die Form, auch die Krater auf den gigantischen Flächen erinnern an den Mond. Gemeinsam mit 517 anderen Männern hat der Bauer Mahaman Dan Jimma tausende davon auf über 42 Hektar in den Boden gegraben. Sobald sich die Erde durch das Wasser gelockert hat, pflanzen sie Bäume in der Mitte sowie Kräuter und Gras an den Rändern der Krater. “Schon nach einem Jahr haben wir hier Ergebnisse erzielt”, erzählt Jimma der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen.
Nicht nur gegen die Wüste
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen unterstützt die Halbmond-Felder im Rahmen der Food Assistance for Assets. Damit soll die Ernährungslage in Niger langfristig und nachhaltig verbessert werden. Menschen vor Ort erhalten Hilfeleistungen in Form von Nahrung oder Geldern im Gegenzug für das Bauen von Straßen, Pflanzen von Bäumen oder das Ausheben von Mondkratern.
Schon 2019 berichtete die US-amerikanische Zweigstelle des Welternährungsprogramms von der Gemeinde Boussarague im Süden des Niger, in der Menschen aus über 400 Haushalten mehr als 1.200 Hektar Land mit Halbmonden übersät und so wieder zum Leben erweckt haben. Heute werfen die Felder so viel Getreide ab, dass überschüssige Reserven an Schulen in der Nähe zugutekommen.
Laut Analysen der Servir-Forscher:innen um Dr. Mishra funktioniert die Halbmond-Technik auch in der Breite. Auf über 18 Halbmond-Feldern habe sich der Zustand der Felder um 50 Prozent verbessert. “Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Interventionen eine signifikante Verbesserung für die Vegetation bedeutet”, so Mishra.
Auf diese Weise verbessern die Halbmonde nicht nur die Biodiversität in Niger, sondern auch die Ernährungslage für Mensch und Tier, entschärfen damit Konflikte zwischen Landwirt:innen und Hirt:innen, schützen vor Überschwemmungen und wirken der Ausbreitung der Wüste entgegen.
Solche Dominoeffekte kann es also auch geben.
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