Aus Grau mach Grün

Ein Betonkoloss in St. Pauli wird zur grünen Oase

von | 13. Dezember, 2023

In St. Pauli entsteht mit dem „Grünen Bunker“ ein Leuchtturmprojekt für die Anpassung an den Klimawandel. Ein Kriegsbunker wurde begrünt und neu ausgebaut.

Im UN-Klimabericht 2022 wurde erstmals die Frage thematisiert, wie die Erhitzung von Großstädten aufgehalten werden kann, da die starke Erhitzung von Beton und Asphalt in den Sommermonaten den Klimawandel beschleunigt. In St. Pauli zeigt der grüne Umbau eines Bunkers, wie dies auf originelle Art und Weise funktionieren kann. Seit nun schon vier Jahren laufen die Bau- und Begrünungsarbeiten auf dem Kriegsbunker in der Hansestadt Hamburg. Das Ziel ist eine Naturoase auf 60 Meter Höhe inmitten der nördlichen Millionenstadt. Die Fertigstellung für den Grünen Bunker wurde für den Winter 2023 angekündigt.

Von Schutzstätte zu Erholungsort 

Das Erscheinungsbild des grauen Gebäudekolosses ist heute nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken, obwohl die Geschichte des Bunkers bis in die düstere Zeit des NS-Regimes zurückreicht. 1942 wurde die Schutzstätte binnen 300 Tagen von Zwangsarbeitern errichtet und diente mit seinem starren und dicken Festungsstil als Propagandamittel, das die Stärke des Regimes widerspiegeln sollte. Das mächtige Auftreten des Bunkers sollte die Bevölkerung davon abhalten, “kriegsmüde” zu werden und an der Stärke des Landes zu zweifeln. Kaum zu glauben, dass dieser Bunker, der einst 25.000 Menschen Schutz gab, heute zu einem landschaftsarchitektonischen Pionierprojekt herangewachsen ist.


Nach Kriegsende sahen die Alliierten vor, alle Hochbunker der Stadt zu sprengen. Bei dem Bunker am Hamburger Heiligengeistfeld, der heute als “Grüner Bunker” bekannt ist, mussten sie jedoch von einer Sprengung absehen. Die Gefahr war zu groß, angrenzende oder sogar weit entfernte Wohnviertel aufgrund der massiven Sprengung der dicken Mauer zu gefährden. Der Bunker wuchs zu einer Art Notunterkunft für Menschen heran, die ihre Wohnung im Krieg verloren hatten und schon bald wurde der heutige “Grüne Bunker” zum festen Bestandteil der Stadt. Kunst, Kultur, Musik- und Zeitzeugenveranstaltungen machten den Betonkoloss zu einem kreativen Begegnungsort. Heute steht der Bunker unter Denkmalschutz und ist bereits seit einigen Jahren im Umbau zum grünen Pionierprojekt des Nordens.

Bei der Fertigstellung des Bunkers in den kommenden Monaten, erwartet alle Hamburger:innen und Besucher:innen ein vielfältiger Ort der Kunst und Bildung. Es bestehen Räume für Stadtteilkultur, Ausstellungsflächen und erstmalig auch einen Gedenk-und Informationsort zu der Geschichte des Gebäudes. Außerdem bieten der Dachgarten Ort zur Entspannung, zum urbanen Gärtnern und für den Schulsport steht eine Dreifeldhalle bereit. Wer einmal in der grünen Betonfestung übernachten möchte, kann dies in dem geplanten Hotel tun und dies sicherlich mit einer Kulturveranstaltung verbinden. Der Bunker in St.Pauli verbindet Historie und die Vision einer grünen Zukunft in nur einem Gebäude.

Die grüne Lunge St. Paulis  

Die Bauarbeiten am “Grünen Bunker” ziehen sich bereits über vier Jahre, nachdem die Fertigstellung immer wieder verschoben werden musste. Die Pläne für den Umbau des Gedenkortes sind umfangreich und vor allem kostenspielig. Mit einem Budget von 60 Millionen Euro sollte der graue Bunker zu einem Ort der Vielfalt und Erholung werden, dessen Fassade und Dach komplett in Grün verschwinden. Mittlerweile ist das ursprünglich 38 Meter hohe Gebäude um fünf Etagen erweitert und an den Außenwänden mit dem üppig bepflanzten “Bergpfad” bereichtert worden. Mit 300 Meter Länge wird der städtische “Wanderweg” bald über Ost-, Süd-, und Westfassade den Passanten einen panoramareichen Aufstieg ermöglichen. Im Dachgarten angekommen, erwarten die zukünftige Besucher:innen rund 4.700 Bäume, Sträucher, Hecken und Kettenpflanzen, die bereits bei der Bepflanzung im Jahr 2022 zu Teilen eine beachtliche Höhe von 5 Metern erreicht hatten.

Für die imposante Naturoase, mit einer beachtlichen Größe von 7.600 Quadratmetern Grün- und Gemeinschaftsfläche, mussten mit großer Sorgfalt die richtigen Pflanzen ausgewählt werden. Schließlich müssen die Pflanzen eine enorme Höhe, Windeinfluss und im Sommer auch Dürrephasen gut verkraften. Neben anderen alpinen und nordeuropäischen Pflanzen schafften es unter anderem Bergkiefern und Lorbeer-Kirschen auf das Dach des Bunkers. Ihre hohe Robustheit würde mit dem schroffen Klima über den Stadtdächern gut zurechtkommen und außerdem, so der Sprecher des Bunkerprojektes Frank Schulze, passe sowieso kein englischer Garten in einen Stadtteil wie St. Pauli.

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Einen tieferen Einblick in die Arbeiten am Bunker gewährt diese Dokumentation des NDR. Quelle: NDR

Ein Paradebeispiel für die Zukunft 

Gebäude, ähnlich wie der Grüne Bunker, sind die Zukunft für Großstädte.
Begrünte Gebäude, wie das Bosco Verticale in Mailand, sind die Zukunft für unsere Großstädte. Bild: Mathias Reding via pexels

Das Interesse an der einzigartigen Umgestaltung des Bunkers in St. Pauli ist seit seinem Beginn enorm . Viele Landschaftsarchitekt:innen, Umweltplaner:innen und Stadtplaner:innen von überall sehen im Bunkerprojekt in St. Pauli ein Paradebeispiel für die Zukunft vieler Städte international. Der Wissenschaftler Marco Schmidt von der TU Berlin betont: “Der Bunker von St. Pauli wird ein Vorbild und wissenschaftliches Demonstrationsprojekt für die Klimaanpassung von Großstädten weltweit.”

Das Konzept der Begrünung von urbanen Lebensräumen ist seit geraumer Zeit eine vielversprechende Methode, die Erhitzung von Großstädten zu stoppen. Um diese Effekte der Begrünung auch nachweislich dokumentieren zu können, hat ein Forschungsteam der TU Berlin bereits im gesamten Bunker rund 80 Sensoren mit ca. 200 Datenpunkten installiert. Sie werden Werte zu Niederschlag, Temperatur, Globalstrahlung und viele weitere umweltwissenschaftlich relevante Daten sammeln. So kann in naher Zukunft die Wirkung auf das Gebäude und auch auf das Mikroklima im Stadtviertel ausgewertet werden. Andere Projekte dieser Art könnten durch diese Daten und Erfahrungen unterstützt und ausgebaut werden.

Klimaforscher Matei Georgescu lehrt an der Arizona State University und appelliert seit geraumer Zeit an andere Klimaforscher:innen, dass sie vermehrt mit Städteplaner:innen zusammenarbeiten sollen. In einem Beitrag des Deutschlandfunk erklärt er, dass sich Städte aufgrund des hohen Anteils von Asphalt und Beton in Zukunft während Hitzeperioden kaum noch abkühlen können. Die über den Tag aufgeheizten Wände der Stadt geben die Wärme in der Nacht wieder ab und es bilden sich sogenannte “Hitzeinseln”. Eine übliche Strategie, um diese übermäßige Erwärmung zu verhindern, ist die Begrünung von Stadtdächern. Die Pflanzen würden durch das Ausschwitzen ihrer Feuchtigkeit für Kühlung sorgen und dem Phänomen der Hitzeinseln natürlich entgegenwirken. In der Meteorologie nennt man diesen Vorgang Evapotranspiration. Das beschreibt die Summe der Verdunstung von Wasser aus Tier-und Pflanzenwelt, sowie Boden- und Wasseroberflächen. Der grüne Bunker schafft im Idealfall also nicht nur Lebensraum für Tiere und frischere Luft in der Stadt, sondern beugt auch übermäßigen Überhitzungen in St. Pauli vor. 

Es sei unfassbar, wie schnell dem starren Bunker wieder Leben eingehaucht wurde, nur weil er begrünt worden sei, sagte eine Landschaftsgärtnerin des Projektes gegenüber dem NDR. Mit dem ersten Baum seien die ersten Tiere gekommen und mittlerweile gebe es überall Krabbeltiere, Hummeln und Vogelnester. So schnell nimmt die Natur also Möglichkeiten an, wenn man sich dazu entscheidet, sie ihr zu geben.

Beitragsbild: Planungsbüro Bunker/Matzen Immobilien

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Mara Betjemann

Mara Betjemann ist Redakteurin bei Good News Magazin und freie Autorin. Sie ist der Meinung, dass Medien maßgeblich das Denken vieler Menschen beeinflussen und genau deswegen positiver Journalismus noch viel mehr etabliert werden sollte. Neben dem Schreiben für Good News Magazin, studiert sie Sozialwissenschaften in Düsseldorf und genießt das Leben im Rheinland.

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