Risikofreude und Unternehmergeist

Zahl der Gründer:innen mit Migrationshintergrund hat sich verdoppelt

von | 9. Mai, 2021

In den letzten vier Jahren ist der Anteil von Unternehmensgründer:innen, die einen Migrationshintergrund haben, um ganze 52 Prozent gestiegen. Vor allem liegt es am Startup-Mindset. Was das ist und wie aus einer Not Selbstverwirklichung entstand.

Özlem Türeci und Ugur Sahin kennt mittlerweile das ganze Land. Das Forscherehepaar führt das Mainzer Unternehmen Biontech; den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus haben wir ihnen und ihrem Team zu verdanken. Beide sind die Kinder türkischer Eltern und ein Beispiel für erfolgreiche Gründer:innen mit Migrationshintergrund. Doch sie sind nicht allein. Der Migrant Founders Monitor des Startup-Verbandes und der Friedrich-Naumann-Stiftung zeigt: Der Anteil der Gründer:innen mit Migrationshintergrund wächst. Allein im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 ist ihr Anteil um 52 Prozent gestiegen.

Qualifiziert und risikofreudig

Etwa ein Fünftel der Startups in Deutschland wurden von Menschen mit Migrationshintergrund gegründet. Neben Biontech sind Delivery Hero, GetYourGuide oder Gorillas gute Beispiele für Unternehmen, deren Spitze von Menschen mit ausländischen Wurzeln geführt werden. Laut Migrant Founders Monitor lässt sich der Erfolg vor allem damit erklären, dass die Gründer:innen ein “Startup-Mindset” an den Tag legen: Sie denken unternehmerisch, zeichnen sich durch Risikofreude aus und sind gewillt, an die Börse zu gehen. Hinzu kommt, dass die Gründer:innen mit Migrationshintergrund besonders qualifiziert sind. 91 Prozent der insgesamt 1900 befragten Gründerinnen haben einen akademischen Abschluss, jede:r Zweite sogar in den besonders gefragten und zukunftsfähigen MINT-Fächern.

Selbstverwirklichung statt Existenzangst

Die hohe Qualifikation zeigt auch, dass sich die Gründungen durch Menschen mit Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren verändert haben. „Existenzgründungen von Migrantinnen und Migranten waren in der Vergangenheit oft Notgründungen, weil sie schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten und immer noch haben”, sagt die Geschäftsführerin der Deutschlandstiftung Integration, Gonca Türkeli-Dehnert, im Gespräch mit BR24. Im Gegensatz dazu seien heute Chancengründungen der Normalfall. Die Existenzangst weicht der Selbstverwirklichung. Das liegt im Übrigen keinesfalls daran, dass jetzt die Kinder von Migrant:innen, sprich die zweite Generation, an der Reihe ist. Mehr als die Hälfte der befragten Gründer:innen ist nicht in Deutschland geboren und zählt damit selbst zur ersten Migrationsgeneration.

Barrieren der Startup-Szene

Gründer:innen mit Migrationshintergrund sind also auf der Erfolgsspur – und trotzdem sehen sie sich immer noch mit Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere bei der Finanzierung treten Schwierigkeiten auf. Während der Durchschnitt aller Gründer:innen 2,6 Millionen Euro Kapital von außen verzeichnen kann, sind es bei Gründer:innen mit ausländischen Wurzeln lediglich 1,1 Millionen Euro. Dem Urteil des Migrant Founders Monitors zufolge würden sich hieran die strukturellen und kulturellen Barrieren innerhalb und außerhalb der Startup-Szene zeigen. Um das zu ändern, sollten Gründer:innen bei der Vernetzung unterstützt und sie beispielsweise mit Wissenschaftseinrichtungen verbunden werden. Eine weitere Erleichterung ginge mit dem Abbau sprachlicher Barrieren und bürokratischer Hürden einher. Stichwort: Visum, Arbeitserlaubnis, Anerkennung von ausländischen Qualifikationen und Abschlüssen. 

Diversität ist die Lösung

Den Abbau von Barrieren voranzutreiben, kann sich auszahlen. Mit einem Anteil von 20 Prozent sind die Gründer:innen mit Migrationshintergrund schon jetzt relevant für das Startup-Ökosystem. Außerdem sind sie Vorreiter:innen, wenn es um Vielfalt und moderne Arbeitskultur geht. Sie setzen nicht nur überdurchschnittlich oft auf Englisch als Arbeitssprache, sondern beschäftigen auch sehr diverse Teams. 14 Prozent der Belegschaft kommen aus EU-Staaten, die nicht Deutschland sind; 13 Prozent aus anderen Ländern der Welt. Damit haben sie im Gegensatz zu einigen deutschen Gründer:innen erkannt, dass Diversity ein Erfolgsfaktor ist. Die Gründe dafür haben wir euch übrigens in diesem Artikel zusammengefasst und hier erfahrt ihr, warum Migration ein echter Fortschrittsmotor ist.

Beitragsbild: heylagostechie // Unsplash

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Lucie Herrmann

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