Achtlos weggeworfene Zigarettenkippen nehmen negativen Einfluss auf Mensch, Natur und Tierwelt. Zahlreiche Initiativen wollen das ändern.
4,5 Billionen Zigarettenkippen werden jährlich weggeworfen. 80 Prozent davon landen in der Umwelt. Eine einzige Zigarette verunreinigt dabei zwischen 40 und 60 Liter sauberes Grundwasser mit bis zu 7000 Schadstoffen, wovon nach Angaben des BUND 50 sogenannte Kanzerogene, also krebserregende Substanzen, sind. Diesem Problem widmen sich zahlreiche Initiativen und haben überraschend clevere Lösungen gefunden.
Denn nicht nur Menschen sind von den Auswirkungen des Suchtmittels betroffen: Achtlos weggeworfene Zigaretten stören das Pflanzenwachstum und Wassertiere, Vögel und Landsäugetiere halten sie fälschlicherweise für Nahrung. So gelangen die Kippen – inklusive ihrer Filter aus dem Kunststoff Celluloseacetat – in den Magen-Darm-Trakt der Tiere und führen im schlimmsten Fall zu deren Tod. Eine omnivore Ernährung kann dazu führen, dass Partikel den Weg zurück in die menschliche Nahrungskette finden.
Gegen die Gefahren von Zigarettenkippen
Der Naturschutzbund erklärt: “Über die Tabakreste in Zigarettenkippen wird Nikotin freigesetzt, ein toxisches Alkaloid, das die Umwelt noch mehr schädigt als die Filter. Außerdem enthalten herkömmlich hergestellte Zigaretten Dutzende chemische Zusatzstoffe, bis zu 10 Prozent des Tabaks bestehen daraus. Sie sollen die Aufnahme des Nikotins und seine Wirkung im Körper verstärken – dass sie damit auch die Nebenwirkungen in der Umwelt verstärken, ist klar.”
Dieser Status Quo soll keiner bleiben, da sind sich viele Menschen einig – und zeigen mit cleveren Ideen, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit den Kippen aussehen kann.
TchaoMegot macht aus Zigarettenkippen Isoliermaterial
“Sensibilisierung, Sammlung, Dekontamination und Recycling von Zigarettenstummeln”, ist die Mission von TchaoMegot. Das französische Start-Up hat es sich zum Ziel gemacht, die riesigen Mengen Müll, die durch Zigarettenkippen entstehen, auf sinnvolle Art und Weise zu recyceln. Nach eingehender Tüftelei fand das junge Unternehmen einen Weg, um aus Zigarettenkippen Isoliermaterial zu machen.
Zunächst müssen die Zigarettenstummeln dafür allerdings einen ausgeklügelten Reinigungs- und Recyclingprozess durchlaufen, bei dem die Toxine von den Fasern getrennt werden. Dieser Prozess kommt ganz ohne Wasser und giftige Chemikalien aus. Stattdessen extrahiert ein neutrales, ungiftiges Lösungsmittel effizient giftige Substanzen und eliminiert Gerüche. Übrig bleiben saubere und geruchlose Fasern, deren Ungiftigkeit toxikologische Studien belegen. Anschließend wird aus den Zigarettenkippen umweltfreundliches Isoliermaterial hergestellt, das in Häusern oder sogar in Kleidung zum Einsatz kommt. Für das Futter einer Daunenjacke werden so etwa 4500 Zigarettenstummel verarbeitet.
Zigarettenfilter für gutes Karma
Dokumente aus den Siebzigerjahren belegen, dass das amerikanische Tabakunternehmen R.L. Reynolds bereits damals mit biologisch abbaubaren Filter experimentierte. Dennoch ist auch fünf Jahrzehnte später die Verwendung von Celluloseacetat aufgrund mangelnder Gesetze, die die Tabakunternehmen zur Verantwortung ziehen, Standard.
Im Bewusstsein über diese Verantwortung handeln hingegen die Hersteller:innen der Zigarettenfilter von Karma. In diesen stecken Samen von Pflanzen wie Amaranth, Basilikum oder Spinat. Wirft man die Zigaretten weg, beginnen die Samen an jener Stelle zu keimen und schon bald sprießen die Pflanzen. Hergestellt werden die Filtertips unter fairen Arbeitsbedingungen und in Handarbeit im indischen Dorf Mallasandra.
Statt Papier wird in einem speziellen, patentierten Verfahren auf natürliches Obst- und Gemüse-Mark zurückgegriffen, das auf den Einsatz chemischer Bindemittel verzichtet. Das Papier schützt die dann hinzugefügten Samen vor Hitze und Nikotin, absorbiert Teer auf natürliche Weise und hält sogar die Samen während der Keimphase feucht.
TobaCycle setzt auf ein Sammelsystem
Die Initiative TobaCycle e.V. aus Köln will dafür sorgen, dass erst gar keine Zigarette in die Umwelt gelangt. Einerseits betreibt der 2018 gegründete Verein dafür wichtige Aufklärungsarbeit, andererseits gehen die Mitglieder das Problem durch ein Sammelsystem für Zigarettenkippen praktisch an.
Dafür können spezielle Behältnissen geordert werden, um den Sondermüll zu sammeln. Partner:innen von TobaCycle sind längst schon zahlreiche Unternehmen, Gastronomie, Bildungseinrichtungen, Veranstalter:innen sowie Städte und Gemeinden. Sie alle schicken oder bringen ihren Kippenmüll an eine Annahmestelle von TobaCycle und profitieren so von einer kippenfreien Umgebung.
Doch der Verein sorgt nicht nur dafür, dass die Giftstoffe unschädlich gemacht werden, sondern auch für eine sinnvolle Wiederverwendung: Die Zigarettenreste werden gemahlen und durch Beimischung eines ökologischen Kunstharzes sowie geschredderten Kunststoffen aus dem gelben Sack sowie von Clean-Ups zu einem spritzfähigen Granulat, aus dem dann neue Behälter für das Sammelsystem hergestellt werden können. Somit entsteht ein geschlossener Wertstoffkreislauf. Dieses einzigartige Konzept stößt auf internationales Interesse, wie Anfragen aus Kanada und Südkorea zeigen.
Gemeinsam gegen die Kippenflut
Bereits im letzten Jahr berichteten wir über Karin Meixner-Nentwig, die es sich zum Ziel gemacht hat, das bayerische Amberg von Kippen zu befreien. Die heute 83-Jährige begann vor vier Jahren, ihre Heimatstadt von Zigarettenstummeln zu befreien und Menschen über die Auswirkungen aufzuklären.
Dieser Aktionismus steckte an: Immer mehr Amberger:innen folgten ihrem Tatendrang, heute steht der Verein Kippenjäger ebenso hinter ihrer Mission wie viele gastronomische Betriebe und Unternehmen der oberpfälzischen Stadt. Durch viele zusätzliche Abfallbehälter sollen die Kippen fachgerecht entsorgt werden – nicht in der Restmülltonne, sondern aufgrund der Giftstoffe als Sondermüll auf dem städtischen Bauhof.
Schluss mit Tabak?
Ein Blick auf die negativen Auswirkungen des Konsums sowie der falschen Entsorgung von Zigaretten lässt von vielerlei Seiten die Forderung nach einem kompletten Verbot des Suchtmittels wachsen. In den letzten Jahren wagten etwa Indien und New Jersey erste Versuche, um Tabakkonsum durch strengere Auflagen einzuschränken.
Seit Ende letzten Jahres richtet sich der gespannte Blick insbesondere gen Pazifik: Neuseeland will das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten von Jahr zu Jahr anheben, um jungen Menschen so den legalen Kauf von Zigaretten zu verwehren. Nach Angaben der Gesundheitsministerin Ayesha Verrall könnten damit Jugendliche, die bei Inkrafttreten des Gesetzes jünger als 14 Jahre seien, niemals legal Tabakprodukte kaufen. Auch soll im Einzelhandel der Verkauf von Tabakprodukten stark eingeschränkt, gleichzeitig aber auch Raucher:innen bei der Entwöhnung unterstützt werden. Kritiker:innen fürchten hier allerdings bereits einen wachsenden illegalen Handel.
Rauchen mit Verantwortung
Der wohl wichtigste Appell an alle Raucher:innen, um zwar nicht das gesundheits-, aber doch wenigstens den umweltschädlichen Einfluss von Zigaretten zu limitieren, besteht darin, ihren Müll nicht achtlos wegzuwerfen, sondern fachgerecht zu entsorgen. Die Idee der Berliner Initiative Die Aufheber ist es deshalb, Zigaretten beim Verkauf mit einem Pfand zu belegen, welches bei Rückgabe der Kippen erstattet wird. 20 Cent Pfand pro Zigarette beziehungsweise vier Euro pro Packung sollen das sein, außerdem soll ein Taschenaschenbecher beim Kauf einer Packung inklusive sein. Bereits über 100.000 Menschen konnte der Gründer der Bewegung, Stephan von Orlow, durch eine Petition von dieser Idee begeistern.
Um das Problem langfristig anzugehen, ist wohl einer Kombination aller Ansätze der Schlüssel. Verantwortungsvoller (Ver-)Kauf ebenso wie bewusster Konsum und achtsame Entsorgung.
Beitragsbild: TobaCycle