Online-Gaming ist insbesondere in Zeiten der räumlichen Distanz für viele Jugendliche zur wichtigen Möglichkeit geworden, um soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. ‘Gaming ohne Grenzen’ versucht, durch verschiedene, teils technische Kniffe, es für alle Menschen zugänglich zu machen.
Was auf der Straße hohe Bordsteinkanten sind, sind beim Online-Gaming schwer bedienbare Controller; Hürden, die Menschen mit Behinderung von einer Teilhabe ausschließen. Das Projekt will Jugendlichen mit Behinderungen durch den Zugang zu interaktiven digitalen Räumen Erlebnisse ermöglichen, die in der realen Welt aufgrund von Einschränkungen nicht möglich sind. Gleichzeitig können die Jugendlichen so Kontakte zu anderen Spielenden knüpfen, wodurch Vorbehalte von Spieler:innen ohne Behinderungen minimiert werden.
Spiele auf dem Barrierefreiheit-Prüfstand
Um herauszufinden, welche digitalen Spiele mit verschiedenen Einschränkungen spielbar und welche Hürden überwindbar sind, testen fünf inklusive Gruppen im Raum Köln wöchentlich Online-Spiele. Für die Gruppen, bestehend aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit und ohne Einschränkungen, sind dabei die Kategorien Hören, Verstehen, Sehen und Steuern entscheidend.
Hier stellen sie sich etwa die Frage, ob das Spiel statt Ton mit Untertiteln funktioniert, sehr knifflig oder kompliziert formuliert oder auch mit Sehbeeinträchtigungen spielbar ist. Auch verschiedene Hilfsmittel testen die Jugendlichen, um das Spielerlebnis so zu erleichtern. Im gemeinsamen Spiel können sich die Jugendlichen selbst einbringen und schulen unter der Leitung von Medienpädagog:innen ihre sozialen Kompetenzen. Die Ergebnisse werden dann auf einer Website und auf Instagram festgehalten, sodass auch andere leidenschaftliche Gamer:innen sich dort informieren können.
Starke Botschafter:innen bei Gaming ohne Grenzen
Die Gaming-Expertin Melanie Eilert lebt mit spinaler Muskelatrophie und setzt sich als Botschafterin des Projekts für inklusive Online-Games ein. Mit Fortschreiten ihrer Behinderung in der frühen Jugend wurde Gaming nach und nach mühsamer und schließlich unmöglich.
“Erst durch Spiele, die Optionen anbieten, um mir das Spielen zu erleichtern und angepasste Controller, bin ich wieder zur Gamerin geworden. Seitdem versuche ich, auf mögliche Probleme aufmerksam zu machen, sodass immer mehr Spiele auch von Menschen mit verschiedenen Behinderungen gespielt werden können,”
Melanie Eilert
Auch Dennis Winkens hegt seit seiner Gameboy-Zeit eine große Leidenschaft für Videospiele. Umso stärker war der Frust, als er vor 10 Jahren nach einem Unfall dieses Hobby aufgeben musste. Der Grund: Er fand keinen geeigneten Controller. Der QuadSticks, Controller, die durch Mund- und Sprachsteuerung funktionieren, ermöglichte ihm ein Wiedereinstieg ins Gaming. Nun setzt er sich dafür ein, dass auch andere trotz Einschränkungen Spaß an diesem Hobby haben können.
Ausgezeichnete Inklusion
Wie wichtig es ist, allen einen Zugang zu virtuellen Welten zu ermöglichte, erkannte auch das Komitee des Deutschen Entwicklerpreis und prämierte ‚Gaming ohne Grenzen‘ 2020 mit der entsprechenden Auszeichnung. 2021 folgte außerdem der Dieter Baacke Preis in der Kategorie “inklusive und intersektionale Projekte“. Schließlich erkannte auch die Jury, dass das Projekt der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW zu einer inklusiven und diversen Online-Gaming-Community beiträgt.
Zeit für Wandel
Mit ihrer Arbeit wollen die Projektteilnehmer:innen zwar auch den Status Quo analysieren, doch ihre eigentliche Mission geht darüber hinaus. Mara Schule, Freie Mitarbeiterin bei ‘Gaming ohne Grenzen’ fordert: „Gaming sollte […] für alle zugänglich sein und Möglichkeiten für gemeinsame spannende Spielerfahrungen bieten.“ Kollegin Karolina Albrich ergänzt: „Ich wünsche mir, dass Entwickler:innen von Beginn an Spiele barrierearmer denken.” Dass der Wandel, den die beiden fordern, tatsächlich in die Gaming-Szene Einzug gehalten hat, zeigt ein steigendes Interesse und Bewusstsein für Barrierefreiheit. Seit 2020 wird etwa im Rahmen der Game Awards der Accessibility Award verliehen, der Spieleentwickler:innen würdigt, die bei der Entwicklung die Bedürfnisse aller Spielenden beachten.
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