Die EU-Wahlen aus ökonomischer Sicht

Doch kein Klima-Backlash? Wie die EU-Bürger:innen zu mehr Klimaschutz stehen

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von | 4. Juni, 2024

Mehr Klimaschutz gewünscht? Das ergibt eine Studie des Jacques-Delors Center und schaut sich Klimaschutz in der EU genauer an.

Wenn man die öffentliche Debatte zur Europawahl verfolgt, kann man den Eindruck gewinnen, dass Menschen rechte Parteien auch aufgrund einer zu ambitionierten Klimapolitik wählen und deshalb schon bald die Fortschritte der letzten Jahre hinweggefegt werden. Neue Umfragen zeigen jedoch, dass dieses Narrativ die Einstellung der meisten Wähler:innen nicht zutreffend darstellt und ein positiverer Ausblick auf die Klimapolitik der EU gerechtfertigt ist.

Zwar ist nicht zu leugnen, dass es unter anderem in Brüssel starke Proteste gegen den „Green Deal” gab. Doch diese sind besonders auf einzelne Gesetze und Gruppen konzentriert, insbesondere in der Landwirtschaft. Es ist wichtig, auf solche Gruppen zu achten und diese, wenn notwendig, anders und besser bei Belastungen zu unterstützen, die den durch die sozial-ökologische Transformation verursacht wurden. Trotzdem sollte die Politik des „Green Deals” fortgesetzt und notwendige Maßnahmen, die in der Bevölkerung weiterhin Rückhalt haben, umgesetzt werden.

Anders als zur letzten Europawahl befinden wir uns nicht in einer Phase, in der die öffentliche Debatte stark von Fridays for Future und ähnlichen Akteur:innen geprägt ist. Dies beeinflusste natürlich die Ausrichtung der (jetzt noch aktuellen) EU-Kommission positiv. Dabei ist der „Green” Deal mit den konkurrierenden Programmen in den USA  aber auch nicht unwichtiger geworden.

Studie zur Einstellung von EU-Bürger:innen zum „Green Deal” 

Eine Studie des Jaques Delors Centers hat sich angeschaut, wie beliebt die Maßnahmen des „Green Deals” waren und wie genau die Meinung innerhalb der EU zum Klimaschutz steht. Die Autoren Tarik Abou-Chadi, Jannik Jansen, Markus Kollberg und Nils Redeker haben sich dabei genauer die Meinung innerhalb der EU zum Klimaschutz und der Klimapolitik angeschaut. Dafür wurden mehr als 15.000 Menschen in Deutschland, Frankreich und Polen befragt.

Die Studie kommt hierbei zu einigen spannenden Ergebnissen. Zuerst lässt sich überraschenderweise nicht sehen, dass es einen breiten Anti-Klima-Backlash gibt. Dies zeigt sich darin, dass sich zwischen 60 bis 80 Prozent der Befragten persönlich Sorgen um den Klimawandel in den nächsten Jahren machen und es auch eine Mehrheit für mehr Klimaschutz gibt.

Der Rechtsruck ist hierbei trotzdem relevant, denn die Zahlen zeigen auch, dass es eine nicht irrelevante Minderheit gibt, die sich gegen weiteren Klimaschutz stellt. Diese Gruppe ist überproportional in rechtsextremen und populistischen Parteien vertreten und im Vergleich zu anderen Studien über die letzten Jahre relativ konstant geblieben.

Die Autoren finden dabei auch, dass die Einstellungen weder auf ökonomische Faktoren noch mit dem beruflichen Sektor zusammenhängen und eher auf eine ideologische Konfliktlinie schließen lassen. Trotzdem gewinnen gewisse Maßnahmen an Beliebtheit, wenn man sie sozialer ausgestaltet, beispielsweise eine Verbindung des CO2-Preises mit einem Klimageld.

Konkrete Klimaschutz-Maßnahmen

Als nächstes schaute sich die Studie an, inwiefern sich dieser abstrakte Wille zum Klimaschutz auch in die Befürwortung konkreter Maßnahmen übersetzen lässt. 

In allen Ländern und über alle politischen Lager hinweg sind industriepolitische und regulatorische Maßnahmen relativ beliebt. Das finden die Autoren interessanterweise auch für liberale und liberal-konservative Wähler:innen. Hingegen sind Verbote, die breite Bevölkerungsschichten treffen, und preisbasierte Mechanismen wie ein CO2-Preis vergleichsweise unbeliebt.

Ausblick für die Wahl und die neue Kommission

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Klimaschutz generell befürwortet wird, aber verschiedene Ansätze sich unterschiedlicher Beliebtheit erfreuen. Die Debatte sollte also mehr um das „Wie?” als um das „Ob” des Klimaschutzes geführt werden. Dies ist besonders wichtig, weil die Autoren der Studie auch davon ausgehen, dass Parteien die Meinung ihrer Wähler:innen durch die Setzung von Wahlkampfthemen beeinflussen können.

Mehr Klimaschutz gewünscht? Das ergibt eine Studie des Jacques-Delors Center und schaut sich Klimaschutz in der EU genauer an.
Klimaschutz „Ja!”, die Frage ist nur wie er umgesetzt wird | depositphotos.com

Außerdem zeigt das Ergebnis, dass sich in der Bevölkerung der Wille, den „Green Deal” zu beenden, nicht nachweisen lässt. Stattdessen sollte man sich auf europäischer Ebene Gedanken machen, wie eine Ausweitung spezifischer Politikinstrumente möglich ist.

Inspiration ließe sich bei den industriepolitischen Maßnahmen, die in den USA beim IRA verwendet wurden, finden. Um das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen aufrechtzuerhalten, ist es ebenfalls unumgänglich, die ökonomischen Folgen der Klimapolitik sozial abzufedern. Wenn dies gelingt, ist eine Fortführung der EU-Klimapolitik nachweislich mit dem Willen der Wähler:innen vereinbar.

Moritz von Kapff Plurale Ökonomik

Moritz Kapff studiert Economics/Politische Ökonomik in Heidelberg. Er engagiert sich bei Plurale Ökonomik, Fiscal Future sowie zum Green (New) Deal und schreibt in seiner Freizeit zu ökonomischen und gesellschaftlichen Themen. Seine Interessen umfassen die sozial-ökologische Transformation, Zentralbanken und ökonomische Ideengeschichte.

Lennard Friedrich Plurale Ökonomik

Lennard Fredrich studiert Philosophie in Heidelberg. Er ist aktiv beim Netzwerk Plurale Ökonomik und schreibt in seiner Freizeit zu ökonomischen und gesellschaftlichen Themen.

Beitragsbild: Bogdan Wanlowitz | depositphotos.com

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    Dieser Artikel wurde von einer externen Person geschrieben.

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