Zweite Chance für die süßen Früchte

das ist ein GNM+ ArtikelErdbeerchips gegen Lebensmittelverschwendung

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von | 7. Juni, 2022

Ein Landwirtschaftsbetrieb bei Heilbronn hatte genug davon, noch genießbare Erdbeeren wegzuschmeißen – und veredelt diese nun auf besondere Art.

Endlich beginnt sie wieder, die Erdbeersaison. In kleinen, bunten Häuschen warten die roten Früchte in beigen Pappschalen darauf, gekauft und zum Highlight des Sonntagskuchens zu werden. Doch was passiert eigentlich mit den Erdbeeren, die nicht Teil von Kuchen, Obstsalat oder sommerlichen Nachspeisen werden? Katja und Nikolaus Freiherr von Mentzingen hatten genug davon, sie einfach wegzuschmeißen. Und so hatten die Inhaber:innen eines landwirtschaftlichen Betriebs aus dem baden-württembergischen Neuenstadt eine Idee: Aus Erdbeeren werden Erdbeerchips. 

Erdbeerchips gegen Lebensmittelverschwendung
Familie von Mentzingen mit Erdbeerchips und Erdbeeren. Foto: Katja v. Mentzingen

Aus Erdbeeren werden Erdbeerchips

Der Ursprung ihrer Idee liegt bei einer anderen Beere: Der chinesischen Gojibeere, die das Ehepaar vor einigen Jahren anzubauen begann. Doch für die frische Beere habe es keinen Markt gegeben – “weil die Leute es nicht kennen”, so Freiherr von Mentzingen. Stattdessen begann das Ehepaar 2017, die Beeren zu trocknen, auch, um sie so das ganze Jahr über vermarkten zu können. Dafür schafften sie sich spezielle Dörröfen an – große Geräte, die in den Räumlichkeiten des Unternehmens viel Platz beanspruchten. 

Um den Dörröfen noch einen anderen Nutzen zu geben und gleichzeitig ein anderes Problem anzugehen, hatte das schwäbische Ehepaar einen besonderen Einfall: 

“Dann sind wir auf die Idee gekommen, die Erdbeeren, die abends vom Stand zurückkommen, weil sie Druckstellen haben, und zwar nicht verschimmelt sind, aber eben nicht so ausschauen, dass man sie nicht frisch vermarkten könnte, einfach zu trocknen.”

Nikolaus Freiherr v. Mentzingen über die Entstehung der Erdbeerchips
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Das fertige Produkt. Foto: Katja v. Mentzingen

Das ganze Jahr Sommer – nach einigen Versuchen

Auf die erste Idee folgte eine ganze Reihe an Versuchen. Schnell war klar, dass sich das Trocknen bei unter 40 Grad bestens eignet, da die süßen Früchte so ihr volles Aroma behalten. Doch es sollte noch einige Anläufe brauchen, um die zahlreichen Arbeitsschritte zu optimieren: Die Erdbeeren müssen vorsortiert, gewaschen, entkelcht, geschnitten und auf die Platten der Trocknungsöfen gelegt werden. Einige Schritte hatten ihre Tücken.

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Die Herstellung der Erdbeerchips bedarf einiger Arbeitsschritte. Foto: Katja v. Mentzingen

Gemeinsam mit dem Team erprobte das Ehepaar etwa, wie sich die Früchte am besten schneiden ließen und wie dick die Scheiben sein müssten. Als optimal erwies sich daraufhin ein hochwertiger Eierschneider, der die Früchte in fünf Millimeter dicke Scheiben schneidet. Nach dem Trocknen bleiben davon noch ein Millimeter dicke Erdbeerscheibchen übrig. Aus einer ganzen Schale, also 500 Gramm frischen Erdbeeren, werden dann 10 Gramm getrocknete Erdbeeren. 

Nach ersten Erfolgen ließen sie ihr neues Produkt im Hofladen und beim eigenen Hoffest von einigen Tester:innen verkosten. Mit Erfolg: “Das Feedback war phänomenal”, freut sich das Ehepaar auch ein Jahr später noch über den Zuspruch.

“Jeder, der es einmal probiert hat, will es immer wieder”.

Die Inhaber:innen über die ersten Verkostungen

“Je weniger Erdbeeren anfallen, desto besser”

Um das Produkt auch wirklich verkaufen zu können, mussten auch Aspekte wie etwa die Haltbarkeit getestet werden. Über ein Jahr sind die Früchte gedörrt nun haltbar. Der weitere Vertrieb soll möglichst lokal sein, am besten ohne Lebensmitteleinzelhandel oder Zwischenhändler:innen.

Doch auch, wenn das Team viele Menschen von ihrem gesunden Snack begeistern will, stellt der Geschäftsführer klar: “Je weniger Erdbeeren anfallen, desto besser.” Seine Frau ergänzt: “Wir trocknen nur die, die nicht mehr schön sind” und verweist auf das witterungsbedingt schwierige letzte Jahr, in dem sie viele Erdbeeren entsorgen mussten. “Und das tut natürlich weh.”

Zusammenarbeit mit der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft

Seit November 2021 ist das Unternehmen aus der Nähe von Heilbronn mit ihren Erdbeerchips außerdem Teil eines Demonstrationsprojektes der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) zum Thema Lebensmittelverschwendungsvermeidung. Seitdem werden die Bemühungen, durch die Erdbeerchips Lebensmittelabfälle zu reduzieren, einer fachlichen Bewertung durch die Spezialist:innen des Thünen-Instituts unterzogen. 

Diese Bewertung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst, so die DLG, werde dabei die Effektivität der Maßnahmen berechnet, also wie viel Lebensmittelabfälle (hier in Form von Erdbeeren) eingespart und qualitativ hochwertigere Produkte – also Erdbeerchips – erzeugt werden. Außerdem wird für Aussagen über die sogenannte Ressourceneffizienz eine Kosten-Nutzen-Analyse entlang der drei Nachhaltigkeitsdimensionen (ökonomisch, ökologisch und sozial) durchgeführt. Faktoren wie eingesparte CO2-Emissionen oder die Übertragbarkeit der Maßnahme auf andere Betriebe spielen hier eine Rolle. 

Weitere Projekte sollen folgen

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Die fertigen Erdbeerchips. Foto: Katja v. Mentzingen

Nicht nur durch die Erdbeerchips will der landwirtschaftliche Betrieb gegen Lebensmittelverschwendung angehen. Auch andere Projekte sind gerade in der Versuchsphase, darunter ein ganz besonders spannendes: Aus Spargelabfällen soll in Zusammenarbeit mit dem befreundeten Unternehmen tecnaro vielleicht schon bald Plastikgranulat werden. 

Eine Idee, wie der Spargel industriell getrocknet werden kann, habe er bereits, meint der Inhaber von Beeren und Spargel v. Mentzingen. Erste Versuche waren vielversprechend, die Spargelfasern erwiesen sich als besonders leicht und reißfest. Das Paar vermutet darum ein großes Potenzial, denn “Spargelabfälle gibt es in Deutschland mehr als genug”.

Und auch sonst zeigen sich die beiden experimentierfreudig hinsichtlich weiterer Projekte gegen Lebensmittelverschwendung. “Das ist eine große Reise, auf die wir uns alle begeben”, fasst Frau von Mentzingen die gegenwärtigen Bemühungen zusammen. Wir sind gespannt, ob es vielleicht schon bald von neuen Erfolgen aus dem Hause von Mentzingen zu berichten gibt.

Beitragsbild: Katja v. Mentzingen

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    Nina Kegel

    Nina ist stellvertretende Chefredakteurin beim Good News Magazin und vor allem eins: Neugierig. Immer auf der Suche nach Good News beschäftigt sie sich am liebsten mit Themen rund um einen nachhaltigen Wandel – egal ob kreatives Bauprojekt, ökologische Initiative oder innovatives Unternehmenskonzept, sie lässt sich für vieles begeistern. Außerdem studiert sie im Master Medienkultur und Globalisierung.

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