Spaziergang auf Rezept

das ist ein GNM+ ArtikelNeue Wege zur Gesundheit

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von | 29. Juni, 2023

Vom Museumsbesuch bis zum Waldbaden. Unsere mentale und körperliche Gesundheit wird durch Natur und Kultur gestärkt. Deshalb stellen Ärzt:innen in immer mehr Ländern alternative Rezepte aus, die anstelle von Medikamenten Kulturerfahrungen verschreiben.

Das ist ein Beitrag aus unserem dritten Printmagazin mit dem Thema „Perspektivwechsel“. Diesen und weitere exklusive Beiträge gibt’s im GNM+ Abo

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Nach einem langen Tag im Homeoffice fliehe ich oft zur Entspannung in den Wald. Die grüne Umgebung, das Rascheln der Blätter im Wind und die frische Luft sind wie Balsam für meine Seele. Therapieansätze als Alternative zur herkömmlichen Schulmedizin werden immer wieder aufgrund ihrer fehlenden wissenschaftlichen Basis kritisiert. Die alternative Medizin geht jedoch weit über die Homöopathie hinaus. Der Ansatz von Natur- und Kulturangeboten ist in Ländern wie Japan bereits fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge.

Die Heilsamkeit der Natur spüre also nicht nur ich — laut einer Studie des Sinus-Instituts verbringen 87 Prozent der Deutschen gerne Zeit im Wald. Weitere Studien belegen, wie gut die Natur für unsere Gesundheit ist. Was so schön klingt, ist in der Umsetzung oft mühsam. Ich muss mir sehr gezielt Zeit für die Natur nehmen — besonders, seit ich in der Stadt wohne. Neben Arbeit und Haushalt geht das oft unter, obwohl ich weiß, wie wichtig die Zeit im Grünen für meine Gesundheit ist.

In einigen Ländern wird Zeit in der Natur auf Rezept verschrieben. Bei Gefühlen der Einsamkeit oder Isolation kann man einfach zur Hausärzt:in gehen und bekommt dort anstelle von Medikamenten Zeit in einem Nationalpark verschrieben. Was für viele erstmal ungewöhnlich klingt, ist in Ländern wie Kanada bewährte Praxis. Seit 2022 gibt es ein Projekt, das Natur- und Kulturangebote auf Rezept in Deutschland realisieren will.

1 – Waldbaden in Japan

„Shinrin Yoku“ bedeutet übersetzt „ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen“. Waldbaden, also völlig in den Naturort eintauchen: Der Wald wird mit allen Sinnen auf eine intensive Art und Weise wahrgenommen. Die Ruhe, das fröhliche Zwitschern der Vögel, die Entschleunigung

und das Waldklima im Schatten der Bäume senken den Blutdruck und reduzieren Stresshormone.
Die positive Auswirkung von Wäldern auf unsere Gesundheit ist bereits in vielen Studien belegt. In Japan ist Waldbaden deshalb fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge und wird von Ärzt:innen auf Rezept verschrieben.

2 – Natur und Kunst in Kanada

Auch in Kanada verschreiben Ärzt:innen seit einiger Zeit einen wiederholten Aufenthalt in der Natur per Rezept. Das Programm PaRx ermöglicht es sogar, kostenlose Jahrestickets für Nationalparks zu verschreiben, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Patient:innen zu verbessern. Auf ihrer Website klärt die Initiative über die gesundheitlichen Vorteile auf, die uns Erholung in der Natur bietet. So verringert die Auszeit im Grünen zum Beispiel das Risiko für chronische Atemwegserkrankungen und fördert die Gedächtnisleistung. Der Minister für Umwelt und Klimawandel in Kanada spricht sogar von einem „Durchbruch für die Behandlung psychischer und physischer Gesundheitsprobleme“.

Neben der Natur bieten auch Museen die Möglichkeit zur Erholung und Genesung. Bereits 2018 entstand in Kanada die Partnerschaft zwischen dem Verein Médecins francophones du Canada und dem Montreal Museum of Fine Arts. Die Zusammenarbeit ermöglicht es Ärzt:innen, Eintrittskarten für das Museum per Rezept zu verschreiben. Die Rezepte beinhalten jeweils einen kostenlosen Eintritt für zwei Erwachsene und zwei Kinder und gelten für ein Jahr.

3 – Museumsbesuche in Brüssel

Inspiriert von der Idee aus Kanada setzt Delphine Houba seit September 2022 ein Pendant in Brüssel um. Die Stadträtin für Kultur, Tourismus und Großveranstaltungen in Brüssel ist fest von den gesundheitlichen Vorteilen durch Kunst und Kultur überzeugt, die bereits eine WHO-Studie aus dem Jahr 2019 belegt.

Ärzt:innen können im Rahmen des Pilotprojekts ein Rezept für einen kostenlosen Museumsbesuch verschreiben. Die Patient:innen haben anschließend die Auswahlmöglichkeit aus vier Museen und einem Kunstzentrum. In der jeweiligen Kultureinrichtung kann das Rezept dann gegen eine kostenlose Eintrittskarte eingetauscht werden, die für bis zu drei weitere Personen gilt. Die Stadt Brüssel übernimmt die Kosten für alle ausgestellten Eintrittskarten.

4 – Kulturangebote in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es bereits Organisationen, die die Idee von Kulturangeboten auf Rezepten umsetzen wollen. Seit Januar 2022 läuft das Erasmus+-Projekt Culture on Prescription, das Gesundheitsförderung und Kulturangebote kombiniert, um die Einsamkeit und soziale Isolation der Patient:innen zu bekämpfen. Das sogenannte Kultur-Rezept kann von Fachkräften des Gesundheitswesens aus den Partnerorganisationen verschrieben werden. Insgesamt engagieren sich bei dem Projekt sieben Organisationen aus sechs europäischen Ländern.

In der circa zweijährigen Projektphase werden lokale Kunstund Kulturangebote entwickelt, die auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen. Die Angebote decken eine große Bandbreite ab, damit für alle Interessengruppen die passende Aktivität gefunden werden kann. Neben der Gemeinschaftsbildung und sozialen Teilhabe legen die Kurse auch einen Schwerpunkt auf den Ausbau bereits bestehender Kompetenzen. Einsamen oder isolierten Menschen soll so das Gefühl gegeben werden, dass sie den Herausforderungen ihres Alltags besser gewachsen sind.

Studien zu den einzelnen Kapiteln
1 – Waldbaden stärkt die Aktivität der natürlichen Killerzellen, welche Tumorzellen abtöten und den Gehalt an krebshemmenden Proteinen erhöhen. Waldbaden kann also eine präventive Wirkung auf die Entstehung und Entwicklung von Krebs haben. (Li, 2010)
2 – Zeit in der Natur reduziert Stress, verringert den Cortisolspiegel und senkt den Puls. (Kobayashi et al., 2015)
3 – Kunst hat einen positiven Effekt auf die mentale Gesundheit. (WHO, 2019)
4 – Soziale Rezepte haben einen erheblichen Nutzen für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Patient:innen. (Brandborg et al., 2021

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    Rahel Pfeffinger

    Rahel ist Redakteurin beim Good News Magazin und studiert Gender Studies im Master. In ihrer Freizeit findet sie Entspannung in der Natur, der analogen Fotografie und beim Töpfern. Ihr Tipp für einen gute Laune-Boost: Mindestens eine Good News am Tag lesen.

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