Hakenkreuze übermalen – und dafür bestraft werden? In Göttingen hat das Bündnis gegen Rechts genau das getan. Jetzt hat das Gericht entschieden.
Das Amtsgericht Göttingen hat mit einem bemerkenswerten Beschluss für Aufmerksamkeit gesorgt: Das unbefugte Übermalen von Hakenkreuzen zieht nicht zwangsläufig eine Strafe nach sich. Von dieser Entscheidung profitierte das Bündnis gegen Rechts. Dessen Mitglieder hatten im Dezember 2024 mehrere Hakenkreuze an einem Hochhaus im Göttinger Iduna-Zentrum mit violetten Herzen übermalt. Die Hausverwaltung stellte daraufhin Anzeige gegen Ezra Rudolph, Sprecher*in des Bündnisses. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin einen Strafbefehl – der nun vom Amtsgericht aufgehoben wurde.
Zögerliches Verhalten der Hausverwaltung
Bereits Monate vor der Aktion waren den Aktivist:innen Nazi-Symbole aufgefallen, die mutmaßlich von einem 41-jährigen Mann an die Wände geschmiert worden waren. Im Anschluss forderte das Bündnis die Hausverwaltung auf, die Hakenkreuze vollständig zu entfernen.
Diese reagierte zwar – übermalte die Symbole jedoch nur provisorisch mit weißer Farbe, sodass sie weiterhin erkennbar blieben. Eine vollständige Entfernung sei laut Hausverwaltung sehr aufwendig und kostspielig gewesen. Die Entscheidung darüber hätte erst in einer Eigentümerversammlung getroffen werden müssen.
Die Aktion und ihre Folgen
Nach rund 60 Tagen wurde das Bündnis schließlich selbst aktiv. Im Dezember 2024 trafen sich mehrere Dutzend Aktivist:innen im Treppenhaus des Iduna-Zentrums, um die Hakenkreuze mit lila Farbe zu überstreichen.
Als Folge stellte die Hausverwaltung Ende Januar Strafanzeige gegen Rudolph wegen Sachbeschädigung, woraufhin die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl erließ.
Amtsgericht sorgt für Wende
Das Amtsgericht Göttingen kam jedoch zu einem anderen Schluss: Ein hinreichender Tatverdacht liege nicht vor. Rudolph habe lediglich bereits bestehende Beschmierungen an den Wänden übermalt, heißt es im Beschluss.
Das Gericht stellte klar, dass keine Sachbeschädigung vorliegt, da das äußere Erscheinungsbild nicht „im rechtsgutspezifischen Sinne“ verändert wurde. Dies gelte umso mehr, wenn „offensichtlich verfassungswidrige Inhalte, die vom Eigentümer zu entfernen waren, Gegenstand der (ersten) Beschmierung sind“, hieß es weiter.
Ein Beschluss mit Signalwirkung
Rudolph zeigt sich erleichtert und schöpft Hoffnung aus diesem Beschluss:
„Die Entscheidung zeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert und Zivilcourage schützt. Sie stärkt alle Menschen, die Verfassungsfeindlichkeit im öffentlichen Raum nicht dulden. Wir hoffen, dass dieses Urteil auch in ähnlichen Fällen richtungsweisend sein wird.“
Mit dem Göttinger Beschluss hat das Amtsgericht ein wichtiges Signal gesetzt: Wer verfassungsfeindliche Symbole entfernt oder übermalt, handelt nicht automatisch rechtswidrig – sondern kann sich auf das Grundprinzip einer wehrhaften Demokratie berufen.
Beitragsbild von Miguel Á. Padriñán auf pexels
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