Dank einer Initiative von drei Kölner Jurastudentinnen soll im kommenden Januar die erste kostenlose Rechtsberatung für FLINTA*-Personen und queere Menschen an den Start gehen.
Wer sich mit dem Jurastudium beschäftigt hat, ist vielleicht bereits auf den Begriff Law Clinics gestoßen. Ihr Ziel ist es, Anlaufstellen für sozial benachteiligte Menschen zu schaffen, die sich kostenpflichtige Rechtsberatung nicht leisten können. Neben der weit verbreiteten Refugee Law Clinic gibt es deutschlandweit mittlerweile auch ähnliche Initiativen im Miet- und Verbraucherrecht. In einer Kölner WG-Küche wurde nun jedoch der Grundstein für ein bislang wenig beachtetes Thema gelegt.
Eine beunruhigende Bestandsaufnahme
Laut Statistiken wird jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Angesichts dieser alarmierenden Zahlen müsste man doch denken, dass beispielsweise das Sexualstrafrecht einen festen Platz in der juristischen Ausbildung genießt. Dies ist allerdings nicht der Fall. Desgleichen fehlt es in den Vorlesungen an Inhalten, die spezifisch FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen) und queere Personen betreffen. Auch in der Welt außerhalb des Hörsaals sieht es nicht rosiger aus. So stoßen Betroffene auf erhebliche Hürden beim Zugang zu notwendigen Informationen sowie zum Rechtssystem insgesamt. Dies wirkt sich auch auf die Zahlen aus. Lediglich 15 % der Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, erstatten nach verschiedenen Studien und Schätzungen schlussendlich Anzeige. Aufgrund dieser beklemmenden Lage haben sich Lilith, Karla und Lilian verpflichtet gefühlt, die Dinge nun selbst in die Hand zu nehmen. Und das taten sie auch.
Hoffnung für Betroffene
Vom kommenden Januar an soll die von ihnen konzipierte Feminist Law Clinic in die Rechtsberatung gehen. Dies ist mithin auch ein Novum, da es die erste Law Clinic Deutschlands in dieser Gestalt ist. Das Angebot richtet sich dabei in primärer Hinsicht an FLINTA* und queere Personen, welche rechtlicher Unterstützung bedürfen. Trotz dieses Schwerpunktes heißt dies natürlich nicht, dass ausschließlich diese Personen sich an das Team wenden können. Grundsätzlich soll jede Person mit Anliegen aus den entsprechenden Rechtsbereichen Kontakt aufnehmen können.
Das riesige Interesse
Innerhalb der Feminist Law Clinic engagieren sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits etwa 20 ehrenamtliche Studierende und es sollen noch deutlich mehr werden. So gäbe es laut eigenen Angaben hunderte Interessentinnen und Interessenten. Passenderweise stand zugleich vom 6.-8. Dezember bereits das erste Ausbildungswochenende an, wofür sich ebenso über 200 Teilnehmende angemeldet haben. Und dies sind Jurastudierende aus ganz Deutschland. Außerdem wurden für jenes Wochenende praxisnahe Vorträge bezüglich der Kernthemen vorbereitet, welche das Sexualstrafrecht, den Trennungsunterhalt und auch das neue Selbstbestimmungsgesetz behandeln. Zurückgreifen konnte man dabei auf die Hilfe von Volljuristinnen und Volljuristen, die sich bereits aktiv in der feministischen Rechtsarbeit engagieren. Auch in anderen Bereichen ist die Feminist Law Clinic auf die Beratung von Volljuristinnen und Volljuristen angewiesen. So bedarf es laut dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) einer Supervision. Diese umfasst die Aufsicht und Reflektion der angebotenen Beratung.
Die Rechtsberatung
Die Rechtsberatung wird künftig sowohl online als auch in Präsenz angeboten, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Angesichts der aktuellen Dezentralität liegt der Fokus jedoch vor allem auf den Online-Beratungen. Langfristig ist geplant, weitere Standorte in Städten wie Hamburg, Berlin und München aufzubauen, um eine einfachere Möglichkeit für Präsenzberatungen zu schaffen.
Da in den vorliegenden Fällen auch häufig traumatische Erfahrungen eine Rolle spielen können, soll die Arbeit im engen Kontakt mit Fachkundigen aus dem psychologischen Bereich stattfinden. Um dies zu erreichen, arbeitet die Feminist Law Clinic mit Beratungsstellen und Psycholog:innen zusammen.
Es besteht Verbesserungspotenzial
Neben der Rechtsberatung möchte die Feminist Law Clinic auch die Weiterentwicklung des bestehenden Rechts thematisieren. Laut den Initiatorinnen der Klinik besteht in Deutschland erhebliches Verbesserungspotenzial, was sich schon beim Blick auf andere EU-Staaten zeigt. In vielen europäischen Ländern gibt es fortschrittlichere Regelungen, insbesondere in Bezug auf den Konsens. Ein Beispiel ist Spanien, wo andere Vorschriften für die Bestrafung von Sexualstraftätern und die Vollstreckung ihrer Strafen gelten. Angesichts dessen ist es höchste Zeit, dass auch in Deutschland Veränderungen erfolgen.
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