Tanzen zum CO₂-Sparen

Glasgower Club nutzt erstmalig Körperwärme der Feiergäste zum Heizen

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von | 17. Oktober, 2022

Ein schottischer Nachtclub wandelt die Körperwärme seiner Besucher:innen in Energie um und spart so bis zu 70 Tonnen CO₂ pro Jahr.

Nachts um eins im Club. Die Luft steht, der Bass hämmert, die Masse tanzt ausgelassen, Schweiß tropft von der Decke. Es ist laut und vor allem eines: heiß. Genau das hat sich nun ein Nachtclub im schottischen Glasgow zu Nutzen gemacht. Mit einem innovativen System nutzt das SWG3 die Körperwärme seiner Besucher:innen zur Energiegewinnung. Bodyheat nennt sich das Erfolgsprojekt, das zum Vorbild für Veranstaltungsorte weltweit werden könnte. 

Ein verrückter Traum

Andrew Fleming-Brown hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2025 will der Manager des SWG3 den bekannten Glasgower Veranstaltungsort klimaneutral machen. Eine der größten Herausforderungen dabei ist die Umstellung auf nachhaltige Energie, wie Fleming-Brown bald feststellte. Und so nahm er Kontakt zu TownRock Energy auf, einer Beratungsfirma, die klimafreundliche Lösungen auf Basis geothermischer Energie entwickelt. In seinem Hinterkopf hatte er dabei bereits eine Idee: Warum nicht die Gäste als Quelle zur Energiegewinnung nutzen?

Bei TownRock-Geschäftsführer David Townsend stieß er mit diesem Gedanken auf offene Ohren. Gemeinsam entwickelten die beiden einen innovativen Ansatz, wie die Körperwärme der Besucher:innen des SWG3 gespeichert und zum Heizen der Anlage genutzt werden kann. Sie gaben dem Konzept den passenden Namen Bodyheat, auf Deutsch: Körperwärme.

David Townsend fasst den Gründungsprozess so zusammen: “Bodyheat ist ein verrückter Traum, entstanden aus vielen Nächten in heißen Clubs, der Arbeit mit geothermischer Energie und der Idee, die beiden Dinge zusammenzubringen.” 

Wie funktioniert es? 

Letztendlich steckt hinter der “verrückten” Idee Bodyheat das Prinzip einer Wärmepumpe: Über eine spezielle Flüssigkeit fließt die von den Besucher:innen generierte Wärme durch ein System aus Rohren zu Wärmepumpen im Technikraum. Von dort wird sie in zwölf 200 Meter tiefe Bohrlöcher geleitet und dort für Tage, Woche oder gar mehrere Monate gespeichert. Bei Bedarf wird die Energie dann über denselben Weg zurückgeleitet und über die Wärmepumpen auf die gewünschte Temperatur gebracht. Das System kann also sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen eingesetzt werden. Zudem ist es möglich, die Wärme direkt von einem Veranstaltungsraum in den anderen zu transportieren. 

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Die Möglichkeiten zur Energiegewinnung sind dabei enorm. Schließlich zählt das SWG3 als eine der angesagtesten Veranstaltungslocations in Schottland mit Ausstellungen, alternativen Performances und Fashion Shows über 250.000 Besucher:innen jedes Jahr. Und da der Mensch im Durchschnitt rund 100 Watt (W) an Wärme abgibt, ergibt sich schnell ein nicht unerhebliches Potenzial an Energie, die gespeichert und später genutzt werden kann.

Basslines für maximalen Energiegewinn

Am einträglichsten für die Energiebilanz sind allerdings die Feiernächte. Denn beim Tanzen geben wir noch einmal deutlich mehr Körperwärme ab. Wie viel, das misst David Townsend am Musik- und Tanzstil. Ihm zufolge kämen bei den Rolling Stones etwa 250W zustande, wenn die Menge zu den schweren Basslines der großen DJs mitspringt, wären es sogar 500 bis 600W an Wärmeenergie pro Person.

Mit Bodyheat kann das SWG3 all diese Energie nun nutzen – und seinen CO₂-Abdruck erheblich verringern. Laut eigenen Angaben rechnet der Club damit, durch das neue System bis zu 70 Tonnen Kohlendioxid jährlich einsparen zu können, immerhin die Hälfte seiner Gesamtemissionen. Und zumindest die Heizung des Clubs ist von nun an komplett emissionsfrei, denn der Strom, der für die Umwandlung an den Wärmepumpen gebraucht wird, kommt komplett aus erneuerbaren Quellen.

Auch finanziell sollte die neue Energiequelle langfristig Vorteile bringen. Zwar betrugen die Kosten für die Installation des neuen Wärme- und Kühlsystems satte 600.000 Pfund. Doch es sei durchaus realistisch, diese Summe innerhalb der nächsten fünf Jahre durch Einsparungen an Energiekosten wieder zurückzugewinnen, so Fleming Brown. Angesichts der derzeit drastisch steigenden Energiekosten ist es möglich, dass die Investition sich sogar schneller auszahlt als erhofft.

Vom Traum zur Realität

Drei Jahre hat es gedauert, bis das neue System komplett entwickelt und installiert war. Am 5. Oktober war es dann soweit: Bei einer exklusiven Feier im SWG3 wurde Bodyheat offiziell in Betrieb genommen, inklusive einer Sonderedition des Slosh-Line-Dance, bei dem die Tänzer:innen nebenbei die Energie für die nächsten Tage generierten. Was als ein “verrückter Traum” begann, ist nun also Realität. Damit ist das Projekt Bodyheat jedoch nicht abgeschlossen. Wenn es nach den Fleming-Brown und Townsend geht, steht es vielmehr erst in den Startlöchern:

“Am liebsten wäre es uns, wenn verschiedene Clubs in verschiedenen Städten wetteifern würden, welcher der umweltfreundlichste ist und schauen, wie sie das dafür nutzen können, mehr Besucher:innen zu gewinnen. Die Generation, die heute clubben geht, ist sehr aufgeklärt, was den Klimawandel betrifft und da wird es einen großen Unterschied für Clubs machen, wenn sie sagen können, sie sind klimaneutral.” 

– David Townsend

In Berlin ist diese Botschaft schon angekommen. Im September verkündete der SchwuZ Queer-Club in Neukölln Interesse an den Plänen nach schottischem Vorbild. Ein erstes Gespräch zur möglichen Umsetzung des Energie-aus-Körperwärme-Ansatzes in dem Neuköllner Traditionsclub sei noch für Oktober geplant, so Geschäftsführer Michael Weber. 

Beitragsbild: Antoine J. on Unsplash

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    Luisa Vogt

    Luisa Vogt ist stellvertretende Print-Chefredakteurin beim Good News Magazin und liebt Sprachen, Reisen und das kennenlernen verschiedenster Kulturen. Beim Good News Magazin lebt sie ihre Leidenschaft für Sprache und für spannende, schöne Berichte aus aller Welt - weil die Welt viel mehr realistischen Idealismus braucht. Außerdem studiert sie nach ihrem Bachelor in Englisch und Französisch inzwischen im Master Asien- und Afrikastudien in Berlin und arbeitet als Lerntherapeutin.

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