In immer mehr Teilen der Welt sorgen Projekte und Gesetze dafür, dass Periodenprodukte allen zugänglich sind, die sie brauchen.
Die Hälfte der Weltbevölkerung menstruiert im Laufe ihres Lebens. Das sind rund 3,9 Milliarden Menschen. Doch viele von ihnen haben nur mangelhaften Zugang zu Produkten, die sie während ihrer Periode benötigen. Das soll sich ändern. Von landesweiten Gesetzen zu lokalen Projekten: wir geben einen Überblick über die Fortschritte im Kampf gegen Periodenarmut und untersuchen, warum es so wichtig ist, Tampons und Binden vom Luxusartikel zur Selbstverständlichkeit zu machen.
Ein Ort für kostenlose Tampons
Es sei „ein stolzer Tag für Schottland“, so die schottische Labour-Gesundheitssprecherin Monica Lennon am Abend des 24. Novembers 2020. Es ist der Tag, an dem das schottische Parlament den The Period Products (Free Provision) (Scotland) Act verabschiedet – und damit als erstes Land den kostenlosen Zugang zu Periodenprodukten an öffentlichen Orten festlegt. Damit müssen in Bildungseinrichtungen, Jugendzentren, Obdachlosenheimen, Gefängnissen und anderen Einrichtungen des öffentlichen Raums umsonst Tampons, Binden und Slipeinlagen zur Verfügung stehen.
Nur wenige Monate später verkündete Neuseeland, ab Mitte 2021 in allen Schulen des Landes kostenlose Menstruationsprodukte einzuführen. Auch in anderen Ländern wie Frankreich, England oder Teilen der USA gibt es Modellprojekte und Teilregelungen für den kostenlosen Zugang zu Hygieneprodukten für die Menstruation, insbesondere an Schulen. Es ist ein erster großer Schritt im Kampf gegen Period Poverty, auf Deutsch: Periodenarmut.
Wenn Tampons und Binden nicht im Budget sind
Die Organisation Days for Girls beschreibt Period Poverty, als „den Kampf, mit dem sich viele menstruierende Personen konfrontiert sehen, weil sie keinen Zugang zu adäquaten Produkten für und Aufklärung über die Menstruation und ihre gesundheitlichen Zusammenhänge haben“. Über 500 Millionen Menschen weltweit erleben Periodenarmut, so die Organisation – zum Teil mit gravierenden Folgen.
Denn in Ermangelung von Hygieneartikeln wie Tampons oder Binden greifen die betroffenen Personen zu gesundheitsgefährdenden Alternativen. So dienen beispielsweise Toilettenpapier, alte Stoffreste, Zeitungen oder gar Socken als notdürftiger Ersatz für Slipeinlagen. Auch werden die wenigen verfügbaren Periodenartikel häufig deutlich länger verwendet als vorgesehen. Dadurch steigt die Gefahr einer Infektion, bis hin zum Risiko eines Toxischen Schocks.
Auch über die gesundheitlichen Auswirkungen hinaus beeinträchtigt Periodenarmut das Leben der Betroffenen, insbesondere in Bezug auf Beruf und Bildung. So verpassten 2014 rund 40 Prozent der Jugendlichen in Bangladesch monatlich etwa drei Schultage aufgrund ihrer Menstruation.
Der Kampf gegen Periodenarmut – auch ein Kampf gegen Stigmatisierung
Grundsätzlich sind mehr Menschen in Ländern des Globalen Südens von Periodenarmut betroffen, doch auch in Industrieländern ist Period Poverty weiter verbreitet, als man vermuten könnte. Laut einer Studie von U by Kotex haben zwei von fünf Frauen in den USA die Erfahrung gemacht, beim Kauf von Menstruationsprodukten an finanzielle Grenzen zu stoßen. Mehr als ein Drittel aller Befragten der unteren Einkommensschicht gab an, aufgrund fehlender Menstruationsprodukte nicht zur Schule oder zur Arbeit gegangen zu sein oder andere wichtige Verpflichtungen verpasst zu haben.
Dabei spielt das noch immer weit verbreitete Stigma in Bezug auf die Menstruation eine große Rolle: Aus Scham bleiben diejenigen, die sich Periodenprodukte nicht leisten können, während ihrer Periode zuhause. Und diese Scham hält sie oftmals auch davon ab, bei Ärzten oder in der Schule um Unterstützung zu bitten. Nicht umsonst spricht die Organisation Moms Helping Moms in einem unlängst erschienenen Artikel im Forbes Magazine von einer „Gesundheitskrise, über die niemand sprechen will“.
Zum Glück stimmt das so nicht ganz: Es wird sehr wohl über Periodenarmut gesprochen. Gerade in den letzten Jahren ist das Thema immer mehr von den schambehafteten Rändern ins Zentrum politischer und gesellschaftlicher Debatten gerückt. Was noch mehr Hoffnung macht: Es wird nicht nur gesprochen, sondern auch gehandelt.
Jugendliche ergreifen die Initiative
Die Bewegung geht dabei vor allem von der jüngeren Generation aus. Ein Beispiel dafür ist die Texas Menstrual Equity Coalition, eine Gruppe von Schüler:innen und jungen Erwachsenen, die insbesondere fordern, dass Menstruationsprodukte von der Steuer ausgenommen werden sollen – so wie auch andere medizinische Grundartikel oder sogar Produkte wie Viagra.
Sie argumentieren, dass die Besteuerung von Periodenartikeln nicht nur den Zugang zu medizinisch notwendigen Mitteln der Grundversorgung erschwert, sondern zudem gegen Grundsätze der Gendergleichheit und -gerechtigkeit verstößt. Im April 2021 zogen sie deshalb gegen die sogenannte „Pink Tax“ vor Gericht. Noch steht eine Entscheidung aus, doch das enorme mediale Interesse hat bereits jetzt dazu geführt, das Thema Period Poverty weiter ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Und eine konkrete Verbesserung gibt es schon in Texas: Die Stadt Austin beschloss am 19. Mai, Menstruationsprodukte in stadteigenen Institutionen wie öffentlichen Toiletten oder Bibliotheken kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Weil die Periode kein Luxus ist
Die „Pink Tax“, oder auch „Tampon Tax“ auf Periodenprodukte wird nicht nur in Texas kritisiert. Mit Erfolg: Waren es 2016 noch fünf US-Staaten, in denen Tampons oder Binden als medizinisch notwendige Artikel von der Steuer befreit waren, sind es heute bereits 24. Im Staat New York, wo die 2016 die Steuer auf Menstruationsprodukte aufgehoben wurde, argumentierte der damalige Gouverneur Andrew Cuomo: “Das ist eine regressive Steuer auf essenzielle Produkte, die Frauen viel zu lange zahlen mussten. Sie abzuschaffen ist eine Frage sozialer und wirtschaftlicher/ökonomischer Gerechtigkeit”. Und Linda B Rosenthal, die Initiatorin der Abschaffung, fügte hinzu: „Tampons sind kein Luxusartikel, Punkt“.
Ähnlich argumentierten im Jahr 2019 zwei Petitionen in Deutschland: Unter der Devise „Die Periode ist kein Luxus!“ forderten die Initiator:innen eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Periodenprodukte. Die lag zu dem Zeitpunkt bei 19 Prozent, denn Tampons und Binden galten nicht als Produkte des täglichen Gebrauchs – im Gegensatz beispielsweise zu Schnittblumen oder Kaviar. Dagegen sammelten die Petitionen binnen kurzer Zeit insgesamt deutlich über 200.000 Unterschriften. Zum Januar 2020 wurde die Steuer dann auf sieben Prozent gesenkt.
Andere Länder machten diesen Schritt schon deutlich früher. So schaffte Kenia als erstes Land weltweit bereits 2004 die Steuer auf Menstruationsprodukte ab, Länder wie Kanada, Malaysia, Indien und Australien zogen in den letzten fünf bis zehn Jahren nach.
Ein Schritt weiter: Kostenlose Tampons an Schulen und Universitäten
Die Steuersenkungen und -abschaffungen sind ein erster Schritt, um Hygieneprodukte für Menstruierende zugänglicher zu machen. Doch es geht noch mehr: Nach den Vorreitern Schottland und Neuseeland gibt es auch in immer mehr US-Staaten inzwischen gesetzliche Grundlagen, die Schulen dazu verpflichten, auf den Toiletten Menstruationsprodukte zur Verfügung zu stellen. Erst Mitte Mai wurde ein solches Gesetz in Hawaii verabschiedet, in Louisiana wird es für das Schuljahr 2023/2024 anvisiert.
Dabei geht es nicht nur um die Mädchentoiletten: Mindestens auf Unisex-Toiletten, wenn nicht auch auf Männertoiletten, sollen Tampons und Binden hinterlegt werden, sodass auch Menstruierende, die sich nicht dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, Zugang zu den nötigen Hygieneartikeln haben.
Das Bereitstellen kostenloser Menstruationsprodukte hat deutlich positive Effekte für die Anwesenheit und die Aufmerksamkeit der Lernenden, wie Studien aus Pilotprojekten in England, New York und Neuseeland belegen. Umso wichtiger ist es, dass immer mehr Bildungsinstitutionen auch ohne legislative Grundlage kostenlose Menstruationsprodukte anbieten, häufig auf Initiative von Schüler:innen und Studierenden.
Dass sich besonders junge Menschen für die Bekämpfung der Periodenarmut einsetzen, zeigt einen Umbruch: wenn die Menstruation auch noch immer schambehaftet ist, wird sie doch zunehmend öffentlich diskutiert. Diese öffentliche Debatte ist essenziell, denn bei Period Poverty geht es eben nicht nur um mangelnden Zugang zu Hygieneprodukten, sondern auch um mangelndes Wissen über die Menstruation an sich.
Aktionen für weltweite Aufklärung
Eben dieses Wissen soll durch den Menstrual Hygiene Day geschaffen werden. Ins Leben gerufen von der deutschen Non-ProfitOrganisation WASH United soll er das Tabu rund um das Thema Periode brechen und auf Herausforderungen wie den mangelnden Zugang zu Menstruationsprodukten oder unzureichende Bildung über Gesundheit und Hygiene im Kontext der Periode aufmerksam machen. Seit dem ersten Menstrual Hygiene Day im Jahr 2013 ist das Interesse kontinuierlich gewachsen; im Jahr 2021 erreichte die Organisation laut eigener Aussage mehr als 560 Millionen Menschen mit ihren Aufklärungs- und Bildungskampagnen.
Der diesjährige Menstrual Hygiene Day am 28. Mai lag wohl nicht zufällig in der Period Poverty Awareness Week, die vom 22. bis 29. Mai stattfand. Hinter der Aktionswoche steht The Alliance for Period Supplies (APS), ein US-amerikanisches Bündnis aus regionalen Programmen und Organisationen mit dem Ziel, allen Menschen Zugang zu essenziellen Hygieneprodukten für die Periode zu geben. Mit der Period Poverty Awareness Week will APS ein Bewusstsein schaffen dafür, wie weit Periodenarmut verbreitet ist und was sie für die Betroffenen bedeutet. Zudem will das Bündnis mehr Menschen motivieren, sich selbst aktiv gegen Periodenarmut einzusetzen.
Dabei zeigt die diesjährige Aktion der Period Poverty Awareness Week, wie viel Einsatz es bereits im Kampf gegen Periodenarmut gibt: Unter dem Hashtag #WeAreCommitted berichteten in den sozialen Netzwerken zahlreiche Initiativen aus aller Welt über ihren Beitrag zu einer Zukunft, in der die Periode nicht mehr zu Scham und Benachteiligung führt.
Lokales Engagement für einen globalen Wandel
Über ein solches Projekt haben wir erst vor kurzem berichtet: Die Gemeindebibliothek in Mathare, Nairobi, verteilt kostenlose Binden an Schülerinnen, die sich keine Menstruationsprodukte leisten können. So können diese auch während ihrer Periode den Unterricht besuchen – und lernen bei der Verteilung der Binden gleich noch, was sie über Reproduktionsgesundheit wissen müssen.
Weltweit gibt es viele ähnliche inspirierende Projekte. Manche davon sind bewundernswert innovativ. So macht beispielsweise in Philadelphia seit kurzem eine mobile Perioden-Klinik die Straßen unsicher: Der Van mit dem klingenden Namen The SPOT on the Go! Mobile Menstrual Health Unit ermöglicht es dem Team der Organisation No More Secrets flexibel in der Stadt unterwegs zu sein, um Ratschläge über Menstruation und Gesundheit zu geben und Periodenprodukte zu denen zu bringen, die sie dringend benötigen. Und in Südafrika hat eine von Frauen geführte Produktionsfirma für Slipeinlagen mithilfe von Ananas-Fasern nachhaltige Binden produziert, die mehrfach verwendet werden können, um so die Kosten für Periodenprodukte dauerhaft zu senken.
Auch wenn noch viel zu tun bleibt, trägt jede einzelne Initiative, die Menschen Zugang zu elementaren Menstruationsprodukten gibt, dazu bei, das Thema Periodenarmut in die Öffentlichkeit zu rücken – und schafft so die Grundlage für tiefgreifende Veränderungen, gesetzlich und gesellschaftlich. Auf den Punkt gebracht: Jede kostenlose Schachtel Tampons auf der Toilette macht einen Unterschied.
Beitragsbild: Vulvani