Ein Good News Thought über Grenzen, Reisen, Freizügigkeit und Passstempel.
Das ist ein Beitrag aus unserem sechsten Printmagazin mit dem Thema „Mobilität“. Diesen und weitere exklusive Beiträge gibt’s im GNM+ Abo
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Eine Welt ohne Grenzen klingt wie eine Utopie. Betrachtet man die aktuellen Konflikte, so hofft manch einer naiv: “Eine Welt ohne Grenzen, ohne Nationen, ohne Religionen, das ist Frieden pur”. Keine Konflikte mehr, weil der Typ “da drüben” einen anderen Pass hat oder die Dame auf der anderen Seite der Grenze an etwas anderes glaubt. Aber da die Diskussion dieses Ansatzes ein mehrbändiges Sachbuch füllen könnte, soll es in diesem Kommentar ganz konkret um Grenzen gehen. Stichworte: Grenzkontrollen, Visa, Einreiseformalitäten, Freizügigkeit und all die bürokratischen Akte, die das Reisen entweder sicherer oder deutlich nervenaufreibender machen.
Die Idee einer Welt ohne Grenzen mit dem Recht auf Freizügigkeit als Menschenrecht ist alt. Sie ist ein zentrales Element des Kosmopolitismus, der bis in die Antike zurückreicht. Auch wenn es sich um eine alte Idee handelt, ist es für diesen Kommentar wichtig, aus welcher Perspektive er geschrieben ist: Ich gehöre der westlichen Mittelschicht an, lebe in einer Demokratie und leide weder Hunger noch Existenzangst. Bei den Beispielen, die ich angeführt habe, ist bei mir teilweise “White Guilt” aufgekommen: Während andere nicht einmal die Chance haben, ihr Land auf legalem Weg in eine vielleicht bessere Zukunft zu verlassen, freue ich mich über meinen deutschen Pass oder ärgere mich über die Bürokratie. Fakt ist: Die Globalisierung kann zwar alle Länder und Regionen stärken, aber die klaren Gewinner sind bisher die Industrienationen. Noch, so die Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung, vergrößert die Globalisierung die Kluft zwischen Arm und Reich. „Erst über einen längeren Zeitraum wird sie dazu beitragen, dass Schwellen- und Entwicklungsländer die Wohlstandslücke zu den Industrienationen verkleinern können”, sagt Aart de Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung,.
Ich maße mir also nicht an, darüber zu fachsimpeln, wie eine freizügige Welt der Zukunft aussieht oder wie sie für die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern gestaltet sein muss. Ich schaue einfach auf meine eigenen Erfahrungen.
Wir glücklichen Deutschen
Einmal im Jahr freut sich die deutsche Presselandschaft: Der Henley Passport Index wird veröffentlicht. In diesem weltweiten Ranking werden jährlich Staaten und Territorien nach der Reisefreiheit ihrer Bürgerinnen und Bürger bewertet. Deutschland belegt seit Jahren einen Spitzenplatz. Im Jahr 2016 führten wir das Ranking an, damals konnten wir mit unserem Reisepass in 177 Länder ohne Visum einreisen. 2023 lagen wir mit 190 Ländern auf Platz vier hinter Japan, Singapur und Südkorea, zum Jahreswechsel sind wir, mit den beiden Erstgenannten sowie Frankreich, Italien und Spanien, mit 194 Ländern auf Platz eins. Diese Reisefreiheit wird einem erst bewusst, wenn sie nicht mehr gegeben ist. Als mich ein befreundetes südafrikanisches Paar besuchen wollte, war alles nicht mehr so einfach: Südafrikaner:innen brauchen für die EU-Staaten ein Visum. Also musste ich ein offizielles Einla…