Mehr Sinnhaftigkeit durch Robotik: Technologischer Fortschritt verändert menschliche Arbeit
In den verschiedensten medialen, politischen und gesellschaftswissenschaftlichen Kontexten werden immer wieder Debatten über technologischen Fortschritt geführt. Besonders im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz und Robotik spaltet sich der Diskurs oft in verschiedene Richtungen. Dank der Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts, entstehen neue Chancen durch Robotik und Co.
Was kann der Roboter von heute?
Von einem Roboter wird gesprochen, wenn eine Maschine programmierbar ist und eine komplexe Reihe von Handlungen automatisch ausführen kann. Der Begriff Roboter kam erstmal zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts auf. Aufgrund des sich damals noch ins Ungewisse entwickelnden technologischen Fortschrittes begab sich die Science-Fiction-Welt auf eine Reise in die Zukunft, in der dunkle Mächte – die Roboter – die Herrschaft über die Menschen ergreifen würden. Doch seither hat sich viel verändert.
1958 brachte General Motors mit Unimate den ersten Roboter für die Industrie auf den Markt und setzte damit den Grundstein für automatisierte Prozesse. Heutzutage interagieren Menschen, die in Industrienationen leben, in den unterschiedlichsten Bereichen ihres alltäglichen Lebens mit Robotern. Das Wort hat seinen Ursprung von den “Robota”, einem altslawischen Begriff für Frondienst oder schwerste körperliche Arbeit.
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Und genau das tun die Maschinen in erster Linie – sie übernehmen ermüdende, gesundheitsschädliche oder monotone Arbeiten, um Menschen das Leben zu erleichtern. Die Anwendungsbereiche der Robotik werden jedoch immer vielfältiger und innovativer. Insbesondere in der Medizin ist die Entwicklungäußerst chancenreich.
Darum lässt sich heute auch nicht mehr von “dem“ Roboter sprechen. Vielmehr, so Janina Loh, verantwortlich für Ethik bei der Stiftung Liebenau, müssen die Maschinen in diverse Fähigkeiten und Anwendungen unterteilt werden, um differenziert zu verstehen, welche Chancen und Risiken in ihrer Nutzung bestehen. Dazu gehören natürlich der Bereich Industrie, aber auch das Militär, autonomes Fahren, Gesundheitswesen und Bildung.
Die Stigmatisierung des “bösen Roboters” hat sich Lohs Meinung nach in den letzten acht Jahren gewandelt. Die Unterteilung in Gut und Böse sei ein Produkt fehlender Ausdifferenzierung. Wenn der Mensch nicht genau verstehe, was von einer Maschine zu erwarten sei, dann tendiere er dazu, seine Meinung stark negativ oder stark positiv zu formulieren. Diese Wahrnehmungsänderung hänge damit zusammen, dass wir mittlerweile verstehen, dass es verschiedene Arten von Robotern gibt.
Robotik kommt mit großen Chancen für die Menschheit
Janina Loh sieht in Robotern in erster Linie zwei Chancen: Zum einen können sie uns in unserer Arbeit und im Alltag unterstützen, zum anderen können sie uns Gesellschaft leisten und damit eine andere Form der Gefährt:innenschaft darstellen. Dennoch ist es wichtig, sehr klar zu definieren, wo wir Menschen die Hilfe des Roboters wollen, denn technische Unterstützung sollte nicht zum Zwang werden.
Dieser letzte Aspekt öffnet eine ganz andere Debatte. Wer legt fest, welche Aufgaben von Robotern übernommen werden sollen und welche nicht? Ursprünglich wurde das Tätigkeitsfeld der Roboter durch die drei Ds definiert: Dangerous, Dirty, Dull (gefährlich, schmutzig, langweilig). Die große Frage, die dabei offen bleibt, ist, ab welchem Punkt eine Tätigkeit zu gefährlich oder zu schmutzig für den Menschen ist. Bei der Skala der Langeweile wird es noch deutlicher. Denn was für eine Person langweilig ist, ist für eine andere absolut sinnstiftend.
Ein weiterer Aspekt, den Janina Loh als Konsequenz des technologischen Fortschrittes in der Robotik sieht, ist die Umgestaltung des Bildungssystems. Eine der Hauptaufgaben der Bildung sei, jungen Menschen dabei zu assistieren, herauszufinden, welche Tätigkeit sie später einmal ausüben möchten. In einer Welt, in der Roboter in der Lage sind, viele, wenn nicht sogar alle, Berufsfelder des Menschen zu übernehmen und vor allem auch viele Tätigkeiten besser und präziser auszuführen, welche Rolle soll Bildung dort einnehmen und wie soll sie gestaltet werden?
Wohin entwickelt sich Robotik?
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Robotische Entwicklungen, wie das autonome Fahren oder der Einsatz von Robotik im klinischen Gesundheitswesen, wurden lange als unmöglich wahrgenommen, und doch hat der technologische Fortschritt es möglich gemacht. Mit Dall-E und ChatGPT gibt es zunehmend technische Lösungen, die kognitive Aufgaben ausführen. Damit sind technische Lösungen mittlerweile fähig, in sämtlichen Bereichen als menschlich angesehene Tätigkeiten auszuführen. Einer Studie der ING-Diba-Bank zufolge sind rund 59 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland durch Roboter und Software gefährdet.
Für viele Menschen ist diese Entwicklung angsteinflößend. Janina Loh sieht das anders.
„Das Interessante ist, dass wir uns von Tieren beispielsweise nie bedroht fühlen. Selbst wenn das Tiere sind, die Dinge deutlich besser können als Menschen.“
Janina Loh
Wenn Tiere etwas besser können als der Mensch, wie zum Beispiel der Lawinenspürhund, wird diese Fähigkeit als bereichernd gesehen und der Mensch arbeitet gerne mit den Tieren zusammen. Deutlich stärker ausgeprägt als bei Tieren sind bei Maschinen sogenannte Inselbegabungen. So kann etwa die Roboterhand Grace das 1000-fache ihres Eigengewichts stemmen, aber ein einfaches Wort wie Apfel nicht schreiben. Deshalb hält Loh den Gedanken der Bedrohung für übereilt. Dennoch sei es wichtig, sich bestimmte Folgen anzuschauen. Technologischer Fortschritt bedeute, dass man sich Gedanken darum machen müsse, welchen Sinn Menschen ganz grundlegend in Arbeit finden.
Neue Chance für das bedingungslose Grundeinkommen?
So argumentiert auch Loh. Wenn immer mehr Arbeitsplätze wegfallen, könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen eine Möglichkeit für Umorientierung bieten. Demnach müsste der Hauptgrund für eine Tätigkeit nicht mehr das Geldverdienen sein. Stattdessen könnten Menschen ihren Leidenschaften nachgehen.
Studien zum Grundeinkommen belegen zudem, dass Menschen sich bei finanzieller Absicherung nichtsdestotrotz eine Arbeit suchen, die ihnen Sinnhaftigkeit verleiht. Darin liegt eine große Chance, denn viele Tätigkeiten, besonders im sozialen Bereich – dazu zählt auch die Erziehung von Kindern und das Pflegen von Angehörigen – werden bisher selten entlohnt.
Der Begriff des bedingungslosen Grundeinkommens kommt nicht nur in Bezug auf technologischen Fortschritt immer wieder auf, sondern ändert auch den Blick und die Dringlichkeit darauf. Auch das Team des Pilotprojektes Grundeinkommen ist davon überzeugt, dass sich der Rahmen für ein Grundeinkommen verändert hat.
„Die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen ist keine neue. Doch die Situation hat sich verändert – heute debattieren wir nicht mehr über das Grundeinkommen, weil wir so wohlhabend sind, dass wir es uns leisten können. Heute diskutieren wir darüber, weil es die natürliche Konsequenz technologischen Fortschrittes ist.“
Pilotprojekt Grundeinkommen
Während die zuvor beschriebenen wachsenden Fähigkeiten von Maschinen und künstlicher Intelligenz einen immer vielfältigen Einsatz der Technologien ermöglichen, verändert sich dadurch auch der Arbeitsmarkt für den Menschen. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte eine Antwort auf die Angst vor steigender Arbeitslosigkeit darstellen. Durch autonome Verkehrsmittel entfallen zum Beispiel Stellen im Verkehrswesen, deepL macht einen Teil der Arbeit von Übersetzer:innen überflüssig und der humanoide Roboter Pepper unterstützt Einkaufende bei der Auswahl der richtigen Hautpflege-Produkte.
Auf der anderen Seite erfordert der Fachkräftemangel, der sich vor allem in körperlich oder psychisch sehr anstrengenden Berufen wiederfindet, eine nachhaltige Lösung. Das hohe Investitionsaufkommen in Robotik ist teilweise sogar durch den Fachkräftemangel bedingt. Besonders in der Industrie ersetzen Unternehmen fehlende Fachkräfte durch Maschinen. Deshalb stieg die Menge der verkauften Roboter im letzten Jahr um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
In gesellschaftlich relevanten Berufsgruppen wie dem Gesundheitswesen, das zudem durch eine alternde Gesellschaft stark belastet wird, könnten Maschinen effizient Lücken füllen und ein Grundeinkommen eine Absicherung garantieren. Gerade in der Pflege hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass sich viele Fachkräfte aufgrund des extrem steigenden Arbeitspensums nicht mehr in der Lage fühlen, den Beruf auszuüben.
Auch wenn Maschinen im Pflegebereich eine große Chance bieten, dem Personalmangel entgegenzuwirken, ist ihr Einsatz nach wie vor eine große Herausforderung. Denn die Unterstützung durch Pflegepersonal bei intimen Handlungen wie zum Beispiel dem Toilettengang gibt ein Gefühl von Sicherheit und emotionaler Nähe. Dort können Maschinen sehr schnell als Eingriff in die Privatsphäre wahrgenommen werden. Daher ist insbesondere wichtig, zu garantieren, dass Maschinen nur dann genutzt werden, wenn sich in Pflege befindende Personen dem zugestimmt haben.
Demokratisierung der Maschinen durch Wandelbots
Der Diskurs über das bedingungslose Grundeinkommen setzt außerdem voraus, dass Maschinen in sämtlichen Anwendungsfeldern frei verfügbar sind und nicht mehr nur Expert:innen in der Lage sind, Maschinen zu nutzen und Aufgaben an sie zu delegieren.
Eine ähnliche Forderung stellt auch Janina Loh: Damit der Mensch mit der Maschine zusammenarbeiten könne, müssen Transparenz, Diversität und Gestaltungsraum geschaffen werden.
Dieses Ziel hat sich auch das Gründerteam der Wandelbots gesetzt. Mit dem Slogan „Robots for the people“ sind sie ein Vorreiter in der Demokratisierung von Robotik. Ihre Software verspricht Menschen, Robotik unabhängig von Bildung, Erfahrung und sozialer Herkunft individuell nutzen zu können. Hierbei wird ein einfaches No-Code-Programm verwendet, über das Roboter gesteuert und Handlungen auf sie übertragen werden können. So kann im Prinzip jede:r Maschinen “programmieren” ohne technische Kenntnisse zu besitzen. Damit möchte das Team die Automatisierung beschleunigen.
Auch für die Bildung werden die Wandelbots eingesetzt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Bildungssystem in vielen Bereichen der Digitalisierung noch hinterherhinkt. Laut Wandelbots-Team wird im Bereich Robotik bisher in bildenden Institutionen zu wenig praktisch gearbeitet. Das sei eine große Gefahr, denn Schüler:innen, Auszubildende und Studierende würden so unzureichend auf die zunehmend digitale Zukunft vorbereitet werden.
Deshalb bietet das Team die Wandelbots auch als Form der Gamification in der Bildung an.Diese Entwicklung zeigt: Auch wenn technologischer Fortschritt nach wie vor Hürden mit sich bringt, wird an vielen Ecken bereits an Lösungen gearbeitet. Mittlerweile sind es vor allem die Chancen oder – wie das Team des Pilotprojekts Grundeinkommen es zusammenfasst – die Notwendigkeit der Technologien, die für ein Umdenken in der Gesellschaft sorgen.