Die Revolution der Modeindustrie aus Mexiko

das ist ein GNM+ ArtikelFair Fashion: Mein kleiner grüner Kaktus wird veganes Leder

von | 14. April, 2021

Die Lederindustrie verschmutzt die Umwelt, pumpt Schwermetalle in Gewässer. Doch die Rettung ist nah: Ein mexikanisches Unternehmen hat eine vegane und nachhaltige Leder-Alternative aus Kaktusfasern entwickelt. Desserto punktet mit Optik, Leistung und vor allem Umweltfreundlichkeit. Die Produktion des Leders aus Kaktus bindet CO2 und verbraucht viel weniger Ressourcen als andere Leder. Eine nötige, sowie geniale Lösung für die Kleidungsindustrie.

Die Lederindustrie hat ein Problem. 

Einer der Hauptgründe für die Abholzung der Amazonas-Wälder, ist die Massentierhaltung und wird damit zum Kernproblem für die gesamte Erde. Obwohl wir diese Region gern als die Lunge der Erde bezeichnen, ist sie Heimat von rund 200 Millionen Rindern und wird zu einem Drittel als Anbaufläche für Tierfutter genutzt. In erster Linie hängt die Zerstörung des Amazonas also mit unserem Fleischkonsum und nicht mit der Produktion von Leder zusammen – schließlich ist die Haut der Tiere ja „nur“ ein Nebenprodukt der Fleischindustrie. Oder? Aus ökologischer Sicht kann dieses Argument gelten; verwerten ist am Ende immer noch besser als wegwerfen und trotzdem gibt es ein großes Aber. Das eigentliche Problem der Lederindustrie liegt nämlich im Gerben bzw. Bräunen des Materials.

Chrom, Schwefelsäure, Methansäure……

Die Liste der eingesetzten Chemie bei der Leder-Herstellung ist lang. Chromgegerbtes Leder ist das beliebteste und schädlichste Material. Durch die Herstellung entsteht ein giftiger Schlamm aus Schwermetallen , der gemeinsam mit etwa 70 Prozent unbehandelter Haut als Abfall entsorgt wird. Dabei ist es selbst in hoch modernisierten Gerbereien unmöglich, die Schadstoffe zurückzugewinnen. Welcher enorme Umweltschaden dabei entsteht, wird im indischen Kanpur, der selbsternannten „leather city of the world“ sichtbar: 400 Gerbereien, mit insgesamt ca. 50.000 ArbeiterInnen produzieren hier täglich 1000 Tonnen Leder. Zur Verarbeitung von 1.000 kg Rohhaut werden ca. 500 kg Chemikalien benötigt, wobei 600 kg feste Abfallstoffe und 20.000 Liter Abwasser entstehen, die dann über einen Nebenfluss im Ganges landen. Abgesehen von der großen Gesundheitsgefährdung für die ArbeitnehmerInnen und die lokale Bevölkerung, führen solche giftigen Abfälle zu Verseuchung der Gewässer, das Grundwasser und die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind ebenfalls konterminiert.

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Die vegane Leder-Alternative

An dieser Stelle kommen Adrián López Velarde und Marte Cázarez ins Spiel. Nach ihrer Arbeit in der Mode- und Automobilindustrie stellten die Mexikaner fest, wie groß das Problem der Umweltverschmutzung durch die Herstellung von Leder ist. Beide wollten ihren eigenen ökologischen Fußabdruck senken und die Umwelt weniger belasten: Sie kündigten ihre Jobs, gründeten Adriano Di Marti und begannen, eine vegane Leder-Alternative zu entwickeln. Die Erfolgsgeschichte beginnt erst richtig, als Desserto im Oktober 2019 in Mailand vorgestellt wird.

Aus den Fasern des Feigenkaktus wird veganes Leder gemacht.
Aus den Fasern des Feigenkaktus wird veganes Leder gemacht.

Weich, belastbar und ästhetisch

Desserto kann in Hinblick auf Optik und Leistung mit tierischem sowie synthetischem Leder mithalten und erfüllt alle Kriterien der Mode- oder Möbelindustrie. Vor allem kommt die vegane Alternative zu Leder ohne toxische Chemikalien und Tierquälerei aus, besteht aus organischem Material und ist deshalb besonders nachhaltig. Dessertos Geheimnis liegt dabei schon im Namen, denn das Ausgangsmaterial der Lederalternative ist insbesondere in der Wüste zu finden. Stichwort: Feigenkaktus.

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Mexiko, das Land der Kakteen, ist auch die Heimat der Gründer von Desserto.

Die Wunderpflanze Kaktus

Veganes Leder aus Kaktus, soweit so gut, doch mit welchen Kakteen ist das möglich? „Nopal Kaktus“ ist der wissenschaftliche Name der Pflanze, die Dessertos Schlüssel zum Erfolg ist. Denn sie ermöglicht die Herstellung von Leder, das aussieht wie Leder und sich anfühlt wie Leder. Zusätzlich bringt der Feigenkaktus noch einige weitere Vorteile mit sich, da Kakteen generell kaum umweltfreundlicher sein könnten. Nur drei Kaktusblätter sind nötig, um einen Meter der Leder-Alternative herzustellen.

Selbst nach der Ernte kann die Pflanze weiter gedeihen und nach sechs bis acht Monaten neue „Früchte” tragen. Da Kakteen außerdem besonders gut mit verschiedensten Umwelteinflüssen und Bodenbeschaffenheiten klarkommen, können sie auf den Feldern bis zu acht Jahre überdauern. Wie nebenbei regenerieren die Pflanzen dabei auch den Boden und nehmen eine enorme Menge an Kohlenstoffdioxid auf. Allein die 14 Hektar große Fläche, die von Desserto bewirtschaften wird, kann jährlich beispielsweise 8.100 Tonnen CO2 aufnehmen.

Drei Blätter Kaktus = 1 Meter Leder

Veganes Leder aus Kaktus, die Billianz für Dessertos Produktion?
Hier sehen wir die schlagenden Argumente der Kakteen im Überblick. Beim direkten Vergleich mit anderem Leder, wird es besonders deutlich. Denn veganes Leder aus Kaktus hat erhebliche Einsparungen. Die Produktion spart …

1. … 878,26% im gesamten Energieverbrauch (CED) ein, im Vergleich zu tierischem Leder und 78,96% im Vergleich zu Polyurethan (PU).

2. … 1.864,02 % Treibhausgasemissionen im Vergleich zu tierischem Leder und 77,69 % im Vergleich zu Polyurethan (PU) ein.

3. … 500% Eutrophierungsbelastung ein, im Vergleich zu tierischem Leder, und 100% im Vergleich zu Polyurethan (PU).

4. … 164.65% Wasser im Vergleich zu tierischem Leder und 190% im Vergleich zu Polyurethan (PU) ein.

Auf nur 14 Hektar Bio-Kaktusplantagen können wir 8.100 Tonnen CO2 pro Jahr absorbieren, während wir auf der Farm nur 15,30 Tonnen CO2 pro Jahr erzeugen.

Desserto

Kaktus-Leder auf der Überholspur

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Nopal Kaktusblätter werden für die Produktion benötigt.

Desserto ist nicht nur nachhaltig, gut fürs Klima und ressourcenschonend, sondern auch erfolgreich. Mehrere Preise konnte das Gründer-Duo bislang einheimsen, darunter der Good Design Award sowie der Green Product Award 2020. Kein Wunder also, dass auch große Konzerne auf die Leder-Alternative aus Kaktus aufmerksam werden. Als H&M im März dieses Jahres die Science-Story-Kollektion launchte, dessen Fokus auf Nachhaltigkeit und Effizienz lag, waren unter den Produkten auch Teile aus dem Kaktus-Leder von Desserto. Ein neues und umweltfreundliches Material, das langfristig nicht nur die Modeindustrie revolutionieren könnte.

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Beitragsbild: Iswanto Arif / Unsplash
Foto Mexiko: Andrés Sanz / Unsplash
Foto Kakteen: Miguel Urieta / Unsplash
Foto Nopal Kakteen: Andre Coop / Unsplash

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Lucie Herrmann

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