Naturschutz per Gesetz

Siebzig Bürger:innen sammeln Unterschriften für eine ökologische Landesverfassung

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von | 12. April, 2023

250.000 Unterschriften wollen engagierte Bürger:innen sammeln, um die Rechte der Natur gesetzlich zu verankern.

Unsere Gastautoren Hans Leo Bader und Matthias Kramm arbeiten gemeinsam mit sechs weiteren Expert:innen an dem Buch „Rechte für Flüsse, Berge und Wälder“. Für uns haben sie sich die derzeitige Rechtslage für Ökosysteme genauer angesehen. 

In diesen Tagen sind siebzig Bürger:innen im Süden Deutschlands als „Unterschriften-Guides“ unterwegs, um 25.000 Unterschriften zu sammeln. Diese Unterschriften sind nötig, um einen Antrag auf ein Volksbegehren bei der bayerischen Landesregierung einzureichen. Mit dieser Aktion verfolgen die Bürger:innen ein klares Ziel: Die Rechte der Natur in der Landesverfassung zu verankern. Sie haben sich ihr Ziel sogar noch ein bisschen höher gesetzt: Insgesamt 250.000 Unterschriften sollen zusammen kommen, um der Initiative vor Beginn des Volksbegehrens eine möglichst breite Basis zu verschaffen.

Ökosysteme erstmals vor Gericht

Mit den Rechten der Natur hätten Ökosysteme erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, gegen Umweltschädigung vor Gericht zu ziehen. Um einen Prozess zu beginnen, müssten potentielle Kläger:innen nicht mehr darauf warten, bis Menschen geschädigt worden sind. Selbst bei einem Schaden, der ausschließlich die Natur betrifft, wäre ein Rechtsprozess möglich. Auf diese Weise wären Ökosysteme auch dann geschützt, wenn Menschen nicht unmittelbar von ökologischen Schäden betroffen wären.

Die Bürgerinitiative „Rechte der Natur – das Volksbegehren!“ ist bereits seit September 2021 in Bayern aktiv. Seitdem kann man den Antrag auf das Volksbegehren auf Unterschriftenlisten unterstützen, was zahlreiche Bürger:innen bereits getan haben.

Auch für die Bundesebene gibt es entsprechende Vorschläge: 

Der Rechtsexperte Jens Kersten legte im Herbst 2022 mit dem Buch „Das ökologische Grundgesetz“ den Vorschlag für eine weit über die Rechte der Natur hinausgehende, grundlegende ökologische Reform des Grundgesetzes vor, in der der Natur zu dem ihr gebührendem Recht in unserer Gesellschaftsordnung verholfen wird. 

Im Buch wird der ökologische Status Quo des Grundgesetzes und der daraus folgende ökologische Handlungsbedarf aufgezeigt. Kersten begnügt sich nicht nur mit einer Reform der Grundrechte, sondern empfiehlt auch eine Umorganisation der Staatsstrukturprinzipien und des gesamten Staatsorganisationsrechts. Zudem würde die ökologische Transformation des Grundgesetzes durch ein eigenes Bundesministerium für Natur unterstützt und der Bundestag würde eine:n Naturbeauftragte:n wählen.

Der zweite Vorschlag stammt aus der Feder eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses: Im „Netzwerk Rechte der Natur“, das im Haus der Zukunft in Hamburg sitzt, haben sich Bürger:innen, Jurist:innen und Aktivist:innen zusammen gefunden, um in einem zweijährigen Prozess Vorschläge für die Veränderung von Artikeln des Grundgesetzes zu erarbeiten. Hier soll vor allem die Würde der Natur eine Rolle spielen.

Das Grundgesetz: Ein Provisorium?

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde ursprünglich als Provisorium geschaffen, um – wie die Präambel formulierte – „dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben“. Schon zur Wendezeit zeichnete sich allerdings die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen ab, die als Zukunftsgefährdung für Mensch und Tier deutlich wahrgenommen wurde. Daher ermutigen die drei genannten Initiativen Bürger:innen der Bundesrepublik dazu, die sich nun bietende Gelegenheit zu nutzen, um eine ökologische Gesetzesreform einzufordern.

Grundgesetz- und Verfassungsreformen haben in der Geschichte der Ausbreitung der „Rechte der Natur“ schon öfter eine entscheidende Rolle gespielt. Die Geschichte der Eigenrechte der Natur begann gewissermaßen mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung in Ecuador im Jahr 2008, wobei die Verfassung ausdrücklich die Rechte der Natur einführt. Eine weitere Verfassungsreform war für das Jahr 2022 in Chile geplant und sollte ebenfalls die Rechte der Natur umfassen. Leider scheiterte das Reformprojekt. In Mexiko arbeitet derzeit eine kleine Gruppe von Rechtsexpert:innen und Aktivist:innen an einem Vorschlag für eine Verfassungsreform. Insofern sind die Bestrebungen im deutschsprachigen Raum Teil einer umfassenden Bewegung, die Natur als Rechtssubjekt anzuerkennen.

Finanzierung des Volksbegehrens

Zurück zum bayerischen Volksbegehren: Hier wird die größte Aufgabe sein, die Finanzierung des Volksbegehrens selbst auf die Beine zu stellen. Die Kosten, die aufgrund der Durchführung entstehen, sind nämlich von den Initiator:innen zu tragen. Eine Einreichung von mindestens 25.000 gültigen Unterschriften kann und wird also erst erfolgen, wenn auch diese Herausforderung stemmbar ist.

Einen kräftigen Schub in der Verbreitung und Unterstützung erhofft sich die Initiative „Rechte der Natur – das Volksbegehren!“ durch die für den EarthDay 2023 erfolgte Einladung zu den zwölften interaktiven Dialogen im Rahmen des Programms „Harmony With Nature“ der Vereinten Nationen in New York.

Hans Leo Bader ist ehrenamtlich stellv. Vorstandvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung, beruflich als ökologischer Bauprojektentwickler tätig. Er hat 2018 die Bürgerinitiative „Rechte der Natur – Das Volksbegehren“ ins Leben gerufen, weil er die Einbettung der gesellschaftlichen Handlungsgrundlagen in den ökologischen Gesamtrahmen als überlebenswichtig und notwendig ansieht.


Matthias Kramm ist politischer Philosoph und erforscht die Rechte der Natur in Mexiko an der Universidad Nacional Autónoma de México und an der Universität Wageningen in den Niederlanden. Dabei befasst er sich auch mit der Frage, inwiefern westliche Rechtskonzepte mit Indigenen Philosophien vereinbar sind.

Beitragsbild: Simon Fitall/ unsplash

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    Dieser Artikel wurde von einer externen Person geschrieben.

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