Seit 2023 landet auf der griechischen Insel Tilos kein Müll mehr auf der Mülldeponie. Die Insel setzt auf einen fast vollständigen Abfallkreislauf.
Tilos ist eine kleine Insel zwischen den griechischen Touristen-Magneten Rhodos und Kos im Mittelmeer. Es wohnen beschauliche 764 Menschen auf der Insel und sie ist etwa 63km² groß. Nun hat sich dieser unscheinbare Ort international einen Namen gemacht und wurde zur ersten zertifizierten Zero-Waste-Insel der Welt.
Wie der Zero-Waste-Kreislauf funktioniert
Tilos hat 2022 ihre Mülldeponie geschlossen und alle kommunalen Mülltonnen auf den Straßen der Insel entfernt. Daraufhin entstand ein vollständig kreislauforientiertes Abfallmanagementsystem, welches dafür sorgt, dass mittlerweile 85% des gesamten Mülls auf der Insel recycelt werden und somit nicht auf Deponien landen. Zum Vergleich: Deutschland recycelte im Jahr 2022 60 Prozent seiner Siedlungsabfälle. Also all solche Abfälle, die in Haushalten, Handlungen, Gewerben und institutionellen Einrichtungen anfallen. Die Siedlungsabfälle machen in Deutschland wiederum nur 12 Prozent aller Abfälle aus. Den „Löwenanteil” an Abfallaufkommen in Deutschland machen mit 54 Prozent Bau – und Abbruchabfälle aus.
Das Programm hinter dem Abfallkreislaufes auf Tilos nennt sich “Just Go Zero” und beginnt mit der Sammlung von Abfall von Haus zu Haus. Dabei werden alle auf der Insel anfallenden Abfallströme vollständig verwertet, sodass nichts mehr auf Deponien landen muss.
Das Programm „Just Go Zero“ organisiert die Abfallsammlung direkt von Haus zu Haus. Dabei werden alle Abfallströme in drei Kategorien sortiert: Bioabfall, recycelbarer Abfall und nicht-recycelbarer Abfall.
- Bioabfälle werden kompostiert und zu Dünger verarbeitet.
- Recycelbarer Abfall, wie Plastik, wird sortiert, recycelt oder zur Wiederverwertung verschickt.
- Nicht-recycelbare Abfälle werden zur Energiegewinnung aufbereitet.
Spezielle Abfälle wie Elektrogeräte und Textilien gelangen ins „Centre for Creative Upcycling“, wo sie repariert oder in Rohmaterialien für Kunstwerke und neue Produkte umgewandelt werden.
Bis Ende 2025 möchte Tilos 30 Prozent weniger Plastik und 20 Prozent weniger Abfall insgesamt produzieren. Gleichzeitig soll die Recyclingquote auf über 90 Prozent steigen – ohne Mülldeponien und öffentliche Mülltonnen.
Zusammenarbeit zwischen Anwohnern und Behörden
Die erfolgreiche Umsetzung des Müllkreislaufsystems basiert auf der engen Zusammenarbeit zwischen den Anwohnern und der Stadtverwaltung. Alle Haushalte und Unternehmen wurden mit speziell entwickelten Sammelgeräten ausgestattet. Ein eigens entworfener blauer Sack, das Symbol von „Just Go Zero“, wird zur Sammlung von recycelbaren Materialien verwendet. Jeder Sack ist mit einem QR-Code versehen, der das Abfallvolumen bei der Abholung dokumentiert.
Ein modernes Zentrum für Kreislaufwirtschaft, das auf der ehemaligen Mülldeponie entstand, sorgt für die Weiterverarbeitung der Abfälle. Hier werden recycelbare Materialien sortiert, kompostiert oder zur Herstellung alternativer Brennstoffe für die Zementindustrie genutzt. Eine digitale Plattform erfasst in Echtzeit die Recyclingdaten und motiviert die Einwohner, ihre Abfallmenge zu reduzieren.
Die gesammelten Abfälle werden zum Zentrum für Kreislaufwirtschaft gebracht, das mit modernen Maschinen und Hightech-Lösungen für die Abfallbehandlung ausgestattet ist. Zuvor war dieses Zentrum die alte Mülldeponie. Dort werden die Abfälle weiter sortiert und dem Recycling oder der Kompostierung zugeführt. Ein weiterer kleiner Teil wird zur Herstellung von alternativen Brennstoffen für die Zementindustrie verwendet.
Das gesamte Projekt wird von einer digitalen Plattform unterstützt, welche das Volumen der drei wichtigsten Abfallarten aus jedem Haushalt erfasst. In Form einer App liefert die Plattform den Einwohnern und Unternehmen in Echtzeit Informationen über die Menge der recycelten Abfallstoffe. Dieses Tracking ist ein zusätzlicher Anreiz für alle Beteiligten, die Recyclingquoten weiter zu verbessern.

Müllfrei leben – ein Gemeinschaftsprojekt
Ein solches Projekt erfordert nicht nur Technik, sondern auch die Überzeugung der Menschen. Die Bewohner von Tilos stehen geschlossen hinter der Vision einer müllfreien Insel und haben ihr Verhalten entsprechend angepasst. Informationskampagnen und Schulungen unterstützten die Umstellung und sensibilisierten die Anwohner für nachhaltiges Leben.
Um die aktive Beteiligung von Einwohnern und Unternehmen sicherzustellen, führten die Behörden eine Informations- und Unterstützungskampagne in der Gemeinde durch, die auch Schulungen für alle Unternehmen und Haushalte auf der Insel umfasste. Dieser Ansatz trug wesentlich dazu bei, dass sich die Einstellung und die Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung zum Thema Abfall änderte.
Ein weiterer Schritt wird es sein, die Anwohner von Tilos weitgehend auf ein nachhaltiges Leben zu sensibilisieren. Dazu gehört beispielsweise auch, die allgemeinen Abfälle im Haushalt zu reduzieren, nur so viel zu kaufen, was nötig ist, die Verpackungen zu beachten und den Konsum zu regulieren.
Auch für Touristen gelten Regelungen
Auch Touristen werden in das Zero-Waste-System eingebunden. Direkt am Hafen befindet sich der „Point Zero“, wo Besucher direkt nach ihrer Ankunft Ausrüstung erhalten, sich über das Programm informieren und nachhaltige Geschenke erwerben können – darunter Upcycling-Produkte aus dem Zentrum für Kreislaufwirtschaft.

Tilos baut sich ein neues Image auf
Mit seinem innovativen Ansatz hat sich Tilos nicht nur als Vorreiter für Nachhaltigkeit etabliert, sondern auch internationale Aufmerksamkeit erlangt. Die Insel wurde bei den Europäischen Preisen zur Förderung des Unternehmertums 2024 mit dem ersten Platz in der Kategorie „Unterstützung des nachhaltigen Wandels“ ausgezeichnet.Die Bürgermeisterin Maria Kamma Aliferi betonte zum Start des Projekts, dass Tilos nicht nur eine saubere Umwelt und eine höhere Lebensqualität schaffen, sondern auch als nachhaltiges Reiseziel Touristen anziehen möchte. Die Insel ist ein Beispiel dafür, wie lokale Gemeinschaften ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile vereinen können.
Tilos zeigt, dass der Wandel möglich ist, und inspiriert andere Kommunen, ähnliche Projekte umzusetzen. Mit ihrem Erfolg ist die kleine Insel ein leuchtendes Beispiel für die Kraft von Gemeinschaft und Innovation auf dem Weg zu einer abfallfreien Welt.