Steuern sind nicht nur nervig und kompliziert, sondern vor allem ein Instrument, um Teilhabe und Demokratie zu stärken. Davon ist Stephanie Bremer von der Initiative taxmenow überzeugt. Über die Chancen einer Vermögenssteuer und andere Wege zu mehr Steuergerechtigkeit.
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Irgendwo im Westen der Schweiz leben nicht mehr als 10.000 Menschen in einer kleinen Berggemeinde. Bekannt ist Davos aber nicht für seinen wunderschönen Ausblick auf die Schweizer Alpen oder die zahlreichen Wintersport-Attraktionen. Denn seit mehr als 50 Jahren pilgern jährlich über 2.500 Topmanager:innen, Unternehmer:innen, Politiker:innen und Wissenschaftler:innen zur Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums. Von Bill Gates bis Olaf Scholz – hier spricht die Elite über die großen Fragen unserer Zeit.
Doch in diesem Jahr war etwas anders. Über 100 Milliardär:innen und Millionär:innen aus aller Welt forderten in einem offenen Brief: „Für unser Wohlergehen – egal ob arm oder reich – müssen wir Ungleichheit bekämpfen und Reiche besteuern.“ Zu den Unterzeichner:innen gehören etwa die Disney-Nachfahren Abigail und Tim Disney. Reiche Menschen, so ihre Überzeugung, sollten endlich ihren gerechten Beitrag leisten.
Was steuern wir hier?
Die Reichen, denen man zuhört
Warum möchten reiche Menschen mehr abgeben? Bremer, die in Wahrheit anders heißt, aber zum Schutz ihrer Familie ein Pseudonym verwendet, hat darauf eine klare Antwort: „Reich sein ist angenehm, aber noch viel lieber wünsche ich mir eine Gesellschaft, in der ich eine intakte Umwelt habe und in der ich versorgt bin, wenn mir etwas zustößt. Das ist mir viel wichtiger und viel mehr wert.” Die zahlreichen Aufgaben und die Bewältigung der akuten Krisen unserer Zeit könne der Staat besser bewältigen, so die Überzeugung der Initiative, wenn Vermögende mehr beitragen.

Die internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam hat ein Szenario, in dem Vermögende mit Millionen- und Milliardenvermögen zusätzlich besteuert werden, schon einmal durchgespielt. Das Ergebnis: 2,53 Billionen US-Dollar mehr. Jedes Jahr. Genug, um 2,3 Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien, genügend Impfstoff für die ganze Welt zu produzieren und universelle Gesundheitsversorgung für Menschen in einkommensschwachen Ländern zu gewährleisten.
Wie eine Vermögenssteuer konkret aussehen könnte, dafür gibt es zahlreiche Konzepte. Die Oxfam-Studie etwa rechnet mit zwei Prozent mehr für Millionär:innen und fünf Prozent für Milliardär:innen. Bremer könnte sich beispielsweise einen gestaffelten Ansatz mit ein Prozent bis 20 Millionen und zwei Prozent darüber vorstellen. Auch unterschiedliche branchenspezifische Freibeträge, etwa für Landwirt:innen, seien für sie denkbar, um Betriebsauflösungen zu verhindern. Um die konkrete Ausgestaltung der Vermögenssteuer gehe es taxmenow aber nicht, sondern um Aufmerksamkeit für das Thema: „Wir sind die Menschen mit dem Geld, denen man zuhört, nicht die Expert:innen, die sich Steuermodelle ausdenken. Wir wollen die Initialzündung sein.”
Mehr Verteilungsgerechtigkeit für mehr Demokratie – und umgekehrt
Direkt betroffen von einer Vermögenssteuer wären je nach Studie zwischen 27.000 und 58.000 Haushalte in Deutschland. Das entspricht 0,14 Prozent. Indirekt könnten allerdings alle profitieren, glaubt Bremer: „Wir sind fest davon überzeugt, dass eine Gesellschaft umso besser funktioniert, je weniger Ungleichheit herrscht. Im Moment ist es so, dass zehn Prozent der Bevölkerung über 60 Prozent des Gesamtvermögens halten, während die 50 Prozent, die am wenigsten haben, gerade zwischen ein und vier Prozent halten. Diese Vermögensungleichheit ist auch eine Machtungleichheit, die unsere Demokratie belastet. Eine Vermögenssteuer ist ein Lösungsansatz, um hier wieder Gleichheit herzustellen.”
Immer wieder wird die Initiative gefragt, warum sie nicht einfach mehr Geld spendet, wenn ihnen Bildungssystem, Krankenhauswesen und der Kampf gegen die Klimakrise so wichtig seien. Doch Bremer und ihre Mitstreiter:innen wollen nicht selbst entscheiden, wohin ihr Geld fließt. Vielmehr soll das in einem demokratischen Prozess passieren, an dem sich auch Menschen in den unteren Einkommensschichten beteiligen können. Und das nicht nur auf dem Stimmzettel bei Bundestagswahlen, sondern im Idealfall mit deutlich mehr Bürgerbeteiligung. Mehr Verteilungsgerechtigkeit für mehr Demokratie und mehr Demokratie für mehr Verteilungsgerechtigkeit. Dafür steht taxmenow.
Scholzs „kolossaler Schritt“
Die Vermögenssteuer ist allerdings längst nicht der einzige Ansatz, der für mehr Gleichberechtigung sorgen soll. Vor ungefähr einem Jahr haben die Finanzminister:innen der G20, also der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt, ein Konzept für eine internationale Mindeststeuer für Unternehmen beschlossen. Mittlerweile haben sich insgesamt 137 Länder angeschlossen. Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen den Vorstoß zu dieser Entscheidung wagte, sprach von einem “kolossalen Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit.”
Der neue internationale Mindeststeuersatz von 15 Prozent wird Unternehmen mit einem Umsatz oberhalb von 750 Millionen Euro betreffen. Bislang umgehen Großkonzerne Steuerzahlungen oft, indem sie Tochterunternehmen in Steueroasen mit deutlich niedrigeren Sätzen verlegen. Das wird zukünftig nicht mehr möglich sein. Denn wenn sie dort zukünftig beispielsweise fünf Prozent Steuern zahlen, kann der Staat, in dem der Mutterkonzern seinen Sitz hat, die restlichen zehn Prozent einfordern. Zeitgleich sollen Steuereinnahmen fairer verteilt werden – etwa indem Internetkonzerne dort Steuern zahlen, wo die Nutzer:innen ihrer Suchmaschinen sitzen. Ab 2023 sollen diese Regelungen greifen. Nach Schätzungen der OECD wird sich das weltweite Steueraufkommen dann um etwa 150 Milliarden US-Dollar erhöhen, Deutschland kann auf etwa fünf bis sechs Milliarden mehr hoffen.
Zurück zu Stephanie Bremer. Auch für sie und das Team von taxmenow ist eine Vermögenssteuer nicht das einzige Mittel, um mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen. Beispielsweise müssten auch Erbschafts- und Kapitalertragssteuer reformiert werden. In jedem Fall möchte sie nicht akzeptieren, dass sich nichts ändert, nur weil die Lösung nicht einfach ist, sagt sie. Und damit wir diese Lösung finden, sei eines ganz wichtig: „Menschen müssen sich unterhalten, über dieses Thema sprechen. Und dann die Stimme nutzen, die ihnen unsere Demokratie jetzt schon gibt.”
Beitragsbild: Suzy Hazelwood | pexels.com