Am 29. November 2024 stimmte das britische Unterhaus für die Legalisierung von Sterbehilfe. Doch die Debatte über mögliche Risiken bleibt weiterhin kontrovers.
Am 29. November 2024 hat das britische Unterhaus einen bedeutenden Schritt in Richtung Legalisierung von Sterbehilfe unternommen. In einer ersten Lesung sprach sich eine Mehrheit der Abgeordneten für ein Gesetz aus, das es todkranken Menschen in England und Wales ermöglichen würde, unter bestimmten Bedingungen Unterstützung bei der Beendigung des Lebens zu erhalten. Der Gesetzesentwurf, der nun in den Ausschüssen weiter verhandelt wird, hat das Potenzial, die britische Gesetzgebung grundlegend zu verändern und stellt einen historischen Moment in der Debatte um das Recht auf Sterbehilfe dar.
Neues Gesetz: Ein Schritt in Richtung Autonomie und Würde?
Der Entwurf erlaubt es Erwachsenen, die nur noch weniger als sechs Monate zu leben haben, mit der Hilfe von Ärzt:innen und einem Richter ihren Tod zu wählen. Zwei Ärzte sowie ein Richter müssen dem Antrag zustimmen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die Entscheidung von betroffenen Patient:innen wohl überlegt und freiwillig ist, ohne Druck von außen. Bisher wird die Beihilfe zum Suizid in Großbritannien als Straftat betrachtet und kann mit bis zu 14 Jahren Haft sanktioniert werden.
Die Pläne sind jedoch nicht unumstritten. Während eine breite Mehrheit der britischen Bevölkerung laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hinter der Legalisierung steht, bleibt die Regierung in dieser Frage gespalten. Auch innerhalb der Regierungspartei von Premierminister Keir Starmer gibt es unterschiedliche Meinungen, obwohl Starmer selbst für den Gesetzesentwurf stimmte.
Befürworter: Mehr Autonomie für Sterbende
Die Befürworterinnen und Befürworter argumentieren, dass das Gesetz den Menschen am Ende ihres Lebens Autonomie und Würde zurückgeben könnte. Kim Leadbeater, die Abgeordnete der Labour-Partei, die das Gesetz initiiert hat, erklärte, dass der Entwurf eine „freie Entscheidung“ ermögliche und den Sterbenden die Wahl lasse, wie sie ihr Leben beenden wollen. Sie betonte, dass Abgeordnete in dieser Frage nach ihrem eigenen Gewissen entscheiden könnten und nicht an die Linie ihrer Partei gebunden seien.
Gegner:innen: Warnung vor Missbrauch und Druck
Auf der anderen Seite warnen Kritikerinnen und Kritiker vor den möglichen Risiken des Gesetzes. Es wird befürchtet, dass besonders vulnerable Menschen unter Druck geraten könnten, ihren Tod zu wählen. Der konservative Abgeordnete Danny Kruger warnte vor einem „staatlichen Suiziddienst“, der möglicherweise Ärzt:innen dazu zwingen könnte, Sterbehilfe zu leisten. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, äußerte ähnliche Bedenken und verwies auf die Gefahr, dass Ärzt:innen gezwungen werden könnte, die Sterbehilfe aktiv zu begleiten.
Suizidprävention als notwendige Ergänzung
Das Thema Sterbehilfe wird oft in einem Zusammenhang mit Suizidprävention betrachtet. Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, betont die Bedeutung, beides gleichzeitig zu schauen: „Wir wollen als Gesellschaft Suizide vermeiden“, erklärte sie in einem Interview. Buyxhebt hervor, dass der Wunsch zu sterben oft das Resultat eines längeren Prozesses ist, bei dem Menschen an vielen Stellen Unterstützung benötigen. Sie fordert eine verstärkte Suizidprävention, um Menschen, die Suizidgedanken hegen, besser zu begleiten und mögliche Sterbehilfe nur als letzte Option anzubieten.
„In vielen Fällen lassen die Sterbewünsche nach, wenn die Betroffenen besser begleitet werden“, so Buyx weiter. Diese Perspektive unterstützt die Ansicht, dass die Entscheidung zum Suizid nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern in einen größeren Kontext der Unterstützung und Begleitung eingebunden werden muss.
Alena Buyx verweist auf die Bedeutung des internationalen Austauschs: „Es ist hilfreich, sich die Regelungen in anderen Ländern anzuschauen.“ Besonders in der Schweiz und den Niederlanden, wo Sterbehilfe unter strengen Bedingungen erlaubt ist, wird intensiv darüber debattiert, welche Regelungen am besten funktionieren. „In der Schweiz beispielsweise sind die Zahlen der Suizidbeihilfe nicht gestiegen, in Belgien gab es gewisse Zuwächse“, erklärt Buyx und plädiert dafür, aus diesen Erfahrungen zu lernen und eine Lösung zu finden, die zur deutschen Debatte und Gesellschaft passt.
Der Weg zur Legalisierung bleibt kontrovers
Die Abstimmung im Unterhaus ist ein bedeutender Meilenstein in einem komplexen und emotionalen Prozess. Die geplante Neuregelung wird mit strengen Voraussetzungen verbunden, aber sie könnte für viele Menschen, die sich in ihrer letzten Lebensphase befinden, eine neue Perspektive auf ihre Rechte und Möglichkeiten bieten. Das Thema Sterbehilfe bleibt auch weiterhin ein hochsensibles gesellschaftliches und ethisches Thema, das in den kommenden Monaten und Jahren wahrscheinlich noch weiter diskutiert werden wird.
Großbritannien hat mit dieser ersten Abstimmung einen wichtigen Schritt gemacht, der weitreichende Folgen für die gesellschaftliche Diskussion und die rechtliche Situation von Sterbehilfe in vielen Ländern haben könnte. Wie sich das Gesetz weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten – eines ist jedoch sicher: Der Weg zur Legalisierung von Sterbehilfe wird in vielen Ländern weiterhin kontrovers und mit leidenschaftlichen Debatten begleitet werden