Fake News, Hetze, Manipulation – soziale Medien stehen unter Druck. Doch das ist noch lange kein Grund zur Resignation. Wir stellen Alternativen zu Insta, X und Co. vor und die Initiative Save Social.
In seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident hat Donald Trump einflussreiche Verbündete an seiner Seite: Tech-Milliardäre wie Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und allen voran Elon Musk unterstützen ihn – finanziell sowie mit der Macht ihrer Plattformen. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit darf auf X, Facebook und Instagram so gut wie alles gesagt werden, egal wie diskriminierend oder hasserfüllt es ist. Faktenchecks werden eingeschränkt oder ganz gestrichen, Datenschutzverpflichtungen zunehmend ignoriert – alles zugunsten von Reichweite, Einfluss und wirtschaftlichem Gewinn.
Initiative ergreifen für die Rettung von Social Media
Um zu verhindern, dass sich diese Entwicklung unkontrolliert fortsetzt, wurde in Deutschland die Initiative Save Social ins Leben gerufen. Ihr Ziel: die „soziale Kraft des Internets zu retten“ und die Politik davon zu überzeugen, dass sie aktiv eingreifen muss. Die Initiator:innen hätten in ihrer Arbeit, beispielsweise als Musiker:innen oder Autor:innen, „zunehmend den Eindruck gewonnen, dass das ‚Soziale‘ in ‚Social Media‘ zu kurz kommt“, sagt Mitinitiator Björn Staschen dem Good News Magazin.
„Als dann im Herbst Donald Trump in eine zweite Amtszeit gewählt wurde und kurz nach seiner Vereidigung Marc Zuckerberg mehr oder weniger das Ende der Moderation auf Facebook und Instagram ankündigte, haben wir uns zusammengesetzt und unsere Kernforderungen zu Papier gebracht.“
Die Forderungen von Save Social
Innerhalb weniger Monate gewann die Initiative zahlreiche bekannte Unterstützer:innen. Autor Marc-Uwe Kling, CORRECTIV-Chefredakteurin Anette Dowideit, Sänger Jan Delay, Cartoonist und Filmemacher Ralph Ruthe, Greenpeace, der Deutsche Journalistenverband DJV – die Liste der Erstunterzeichnenden ist lang und mit unserem Gründer David ist selbstverständlich auch das Good News Magazin vertreten. Die Forderungen von Save Social sehen unter anderem vor:
- Stärkung alternativer Plattformen: Öffentliche Institutionen sollen auch auf unabhängigen Netzwerken präsent sein. Zudem müssen finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um deren digitale Infrastrukturen zu sichern und weiterzuentwickeln.
- Begrenzung der Marktmacht großer Tech-Konzerne: Die Initiative fordert klare Marktanteilsobergrenzen und die gezielte Förderung dezentraler, idealerweise Open-Source-basierter Plattformen.
- Verantwortung der Plattformbetreiber: Betreiber sollen für strafbare Inhalte – etwa rassistische oder hetzerische Beiträge – haftbar gemacht werden. Auch der Kampf gegen Desinformation und digitale Wahlbeeinflussung muss konsequent geführt werden.
- Förderung von Interoperabilität: Unterschiedliche Plattformen sollen technisch miteinander verknüpfbar sein, um digitale Vielfalt und Nutzerfreiheit zu stärken.
- Transparenz bei Algorithmen: Die Funktionsweise von Empfehlungssystemen soll offengelegt werden, um Einflussnahme nachvollziehbar und kontrollierbar zu machen.
- Stärkung von Medienkompetenz und Qualitätsjournalismus: Digitale Bildung und die Sicherung journalistischer Standards werden als zentrale Voraussetzungen für eine funktionierende demokratische Öffentlichkeit betrachtet.
„Mein Traum sind viele kleine Netzwerke, für die Menschen auf kommunaler Ebene oder aufgrund thematischer Nähe selbst Verantwortung für den gesellschaftlichen Dialog übernehmen“, betont Staschen. Diese Netzwerke sollten miteinander sowie mit den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender oder Bibliothekskatalogen verbunden sein.
Die Alternativen zu Facebook, TikTok und Co.
Es gibt zahlreiche kleinere Social-Media-Plattformen, eine richtige Alternative sind die meisten mit Blick auf die Nutzungszahlen bislang nicht. Das soll uns jedoch nicht davon abhalten, mal über den Tellerrand zu schauen und einige interessante Netzwerke vorzustellen. Hier ein kurzer Überblick:
Bluesky
Die Twitter/X-Alternative Bluesky wächst rasant: Im September 2024 hatte die Plattform rund 10 Millionen Nutzer:innen – und Anfang 2025 sollen es bereits mehr als 23 Millionen sein. Ihre Mischung aus dezentralen und zentralisierten Elementen ermöglicht Nutzer:innen etwas mehr Kontrolle über ihre Daten und Algorithmen, technisch wäre künftig theoretisch eine komplette Dezentralisierung möglich.
Mastodon
Mastodon ist seit Musks Twitter-Übernahme auf rund 10 Millionen Nutzer:innen angewachsen. Das Netzwerk besteht aus vielen kleinen, unabhängigen Gruppen (Instanzen), über die mit der eigenen Community, aber auch mit anderen Gruppen Textbeiträge, Bilder, Videos und Links geteilt werden können.
Pixelfed
Für alle, die gerne Fotos und Videos teilen, bietet Pixelfed eine datenschutzfreundliche Alternative zu Instagram. Auf der Plattform mit mehr als 700.000 Nutzer:innen, verteilt auf 900 Server, zeigt sich dein Feed chronologisch – ganz ohne Algorithmen, die bestimmen, was du siehst.
PeerTube
PeerTube ist eine Alternative zu YouTube, die ebenfalls mit mehr Datenschutz durch Dezentralität punktet und zudem werbefrei ist.
Friendica
Die Facebook-Alternative Friendica hat mit nur mehreren Tausend Nutzer:innen bislang eine besonders geringe Reichweite, punktet aber durch seine hohe Interoperabilität und vielseitige Nutzungsmöglichkeiten.
Alle fünf Plattformen sind dezentral organisiert. Mastodon, Pixelfed, PeerTube und Friendica gehören zum Fediverse und nutzen das ActivityPub-Protokoll, während Bluesky auf das AT Protocol setzt. Wer bei Mastodon registriert ist, kann Inhalte der anderen Fediverse-Plattformen liken und kommentieren – für eigene Beiträge braucht es jedoch separate Accounts.
Noch viel Verbesserungspotenzial
Trotz der Möglichkeiten, die die Alternativen schon jetzt mitbringen, wirkt der Umstieg bislang noch sehr anspruchsvoll und teilweise echt technisch. Deshalb scheint es an der Zeit, dass Deutschland und Europa auf politischer Ebene den Weg für weitere Verbesserungen freimachen. Dass es funktionieren kann, hat die EU schon einmal nachgewiesen: Von 2022 bis 2024 liefen über die Infrastruktur von Mastodon zwei Pilotprojekte für eigene Plattformen: EU Voice und EU Video. Diese waren jedoch auf institutionelle Kanäle beschränkt und wurden trotz positiven Fazits eingestellt, weil keine Lösung für den Weiterbetrieb gefunden wurde. Für Save Social geht es ohnehin nicht unbedingt darum, „die gute europäische Plattform“ zu haben, so Initiator Staschen, der betont: „Aus meiner Sicht liegt die Antwort darin, dass wir offene, anerkannte Protokolle wie ActivityPub nutzen und darauf setzen, dass sich auf dieser Basis Innovation entwickelt.“
Wir haben es selbst in der Hand
Save Social kämpft weiter für faire und sichere soziale Medien – in Deutschland und auf EU-Ebene. Dafür sind die Initiator:innen national wie international im Austausch mit Poliker:innen und Partner:innen, beispielsweise in den Niederlanden und Frankreich.
„Wir übernehmen als Gesellschaft Verantwortung für unser demokratisches Gespräch – das überlassen wir nicht ein paar weißen Milliardären aus den USA“, sagt Staschen. Sein Appell: „Jede:r Einzelne von uns kann entscheiden – gebe ich meine Daten aus Bequemlichkeit preis oder nutze ich Netzwerke, die mir Kontrolle und Transparenz bieten?“
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