Das Handwerk bietet viele Chancen

Rund 500.000 Auszubildende starten heute ihre Ausbildung

von | 1. September, 2021

Handwerkliche Berufe werden wieder beliebter. Die Anzahl der Auszubildenden steigt seit 2016. Doch es gibt noch viele offene Stellen.

Am 1. August und 1. September 2021 beginnt für viele Auszubildende das neue Ausbildungsjahr. 

Im Handwerk mehr Auszubildende

Seit 2016 beginnen wieder mehr Auszubildende im Handwerk. Der Spiegel berichtet 2016: „Nach jahrelangem Rückgang steigt die Zahl der Ausbildungsverträge erstmals wieder deutlich. Immer mehr Azubis haben Abi.“

Auch 2021 steigt die Zahl der Auszubildenden bei den Dachdecker:innen und der Auszubildenden im Elektrohandwerk sowie regional die Zahl der Auszubildenden im Handwerk in Sachsen-Anhalt.

Chancen für Chancenlose

Seit 30 Jahren bildet der Wuppertaler Malermeister Andreas Conrad Nachwuchs aus. Im WDR Lokalzeit Bergisches Land berichtet er über sein Erfolgsrezept. Ihn interessieren keine Zeugnisse. Stattdessen lässt er junge Menschen bei sich zur Probe arbeiten, und nach zwei bis drei Wochen weiß er, wer das Zeug zur Malerin und zum Maler hat. In einem Kommentar dazu auf Facebook steht: „Ich hatte um 1996 bei Andreas Conrad die Lehre gemacht. War ein super Ausbilder und Chef.“

Neunte Klasse lernt die Kreuztechnik

Auf der Suche nach Auszubildenden besuchte der Stuttgarter Malerbetrieb Hürttle die Schüler:innen des Mörike-Gymnasiums. Sechs Interessierte einer neunten Klasse halfen drei Tage lang beim Streichen mit und erlebten das Malerhandwerk. Zusammen bearbeiteten sie einen Raum in der Schule. Die Schüler:innen lernten dabei eine besondere Kreuztechnik für den 3D Effekt kennen.

Die rund 40.000 Malereibetriebe in Deutschland könnten regelmäßig mit den naheliegenden Schulen kooperieren. Die Schüler:innen würden das Handwerk erleben. Dabei lassen sich potenzielle Auszubildende finden.

Geflüchtete im Handwerk

Auch bei dem Hamburger Malermeister Hermann Maracke gibt es keinen Nachwuchskräftemangel. Elf seiner dreizehn Auszubildenden waren 2018 Geflüchtete. Für sein Engagement bekam er bereits 2017 den Nationalen Integrationspreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dabei sagte er: „Wir haben die Flüchtlinge aufgenommen, weil sie engagiert und fleißig sind und unser Handwerk sehr ernst nehmen. Sie wollen arbeiten und können das auch.“

Der Familienbetrieb Hollenbach sucht auch gezielt Geflüchtete. Auf der Webseite laden sie ein: „Da inzwischen unter den über 50 Hollenbach Mitarbeitern mehr als 10 Sprachen vertreten sind, gestaltet sich die Integration ausländischer Auszubildender sehr erfolgreich.“

Das bestätigt auch Ziya Rahimis Beispiel. Der 21-jährige wurde in Afghanistan geboren, begann hier eine Ausbildung und erhielt 2020 die Auszeichnung „Bester der Dachdecker-Innung Aschaffenburg-Miltenberg„. Sein Arbeitsgeber, die Klemens Ott GmbH, hat gute Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht und bildet seit 2020 einen weiteren jungen Mann aus Afghanistan als Dachdecker-Azubi aus.

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Sabine Schulte / Pixabay

Bester Azubi mit 39 Jahren

Alexander Peter wurde der beste Dachdecker Auszubildende seines Jahrgangs 2019. Er mag die Traditionen des alten Zunftberufes: „Dazuzugehören macht mich mächtig stolz“. Nach sieben Jahren als Helfer im Dachdecker-Handwerk ohne Berufsabschluss, beendete er die Ausbildung 2019 als Bester. Da war er bereits 39 Jahre alt.

Insgesamt werden Auszubildende älter: „1993 waren mehr als die Hälfte der Auszubildenden jünger als 18 Jahre; 2016 waren dies nur noch 26,8%. Seit 2014 ergab sich ein Durchschnittsalter von 19,7 Jahren.“

Glaser findet Auszubildende durch viralen Hit

Glaser Sterz filmt sich mit dem Smartphone, wenn er auf Baustellen ist, und zeigt die Videos auf Facebook. Sein Video zur Suche nach Auszubildenden ging 2018 viral. Daraufhin berichteten auch der Spiegel, Stern, Zeit, Welt, SZ und FAZ. Unter vielen Bewerber:innen konnte er seine drei Auszubildende auswählen, die er in einem weiteren Video zeigte und sich für die große Unterstützung bedankte.

Ausbildung mit einem Anruf

Die Caritas Düsseldorf startete im Sommer 2017 diese Kampagne: „Bei Anruf Ausbildung“. Alles andere wurde nich verlangt. Kein Anschreiben. Kein Lebenslauf. Keine Prüfung. Kein Vorstellungsgespräch. „Die Caritasverbände in Geldern und Moers-Xanten haben damit weit mehr Ausbildungsplätze besetzen können als bislang. Nach dem ersten halben Jahr zeigt sich, dass die Abbrecherquote ohne Bewerbungsunterlagen und Auswahlverfahren gleich bleibt.“ Das vereinfachte Verfahren bringt mehr Bewerber:innen.

Studienabbrecher:innen beginnen Ausbildung

Immer mehr Schulabgänger:innen brechen ihr Studium wieder ab und beginnen dann eine Ausbildung. Ein Unternehmer schreibt seit über 10 Jahren in seine Stellenanzeigen: „Wir suchen auch Studienabbrecher.“ Immer mehr Firmen stellen Studienabbrecher:innen als Auszubildende ein. Sie sind älter, reifer und bleiben länger im Unternehmen, denn studieren wollen sie nach der Ausbildung erst mal nicht.

Weniger Auszubildende

Bereits 2008 titelte der Tagesspiegel „Lehrstellen bleiben Leerstellen“. Seit 2008 haben zwar immer über 60 Prozent eines Schüler:innen-Jahrgangs eine Ausbildung begonnen, doch durch die jahrzehntelang gesunkene Geburtenrate gibt es jedes Jahr weniger Schüler:innen. Eine Ausnahme: Im März 2021 gab es die höchste Geburtenrate seit 20 Jahren.

In der Corona-Krise sank die Zahl der neuen Auszubildenden erstmals seit 40 Jahren deutlich unter eine halbe Million. 2020 wurden rund 467.700 Ausbildungen begonnen. Den größten Rückgang gab es bei Tourismuskaufleuten mit minus 61 Prozent.

Die Gesamtzahl der Auszubildenden für 2021 wird erst Anfang 2022 veröffentlicht. Zur Zeit sind noch viele Ausbildungsplätze offen. Auch im September und Oktober werden Bewerber:innen gute Chancen haben, einen Ausbildungsbetrieb zu finden.

Beitragsbild: Johan Mouchet / Unsplash

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Martin Gaedt

Martin Gaedt ist Autor der Bücher "Rock Your Idea" und "Mythos Fachkräftemangel". Er ist Arbeitsmarktexperte, mehrfacher Unternehmensgründer und war 2007 bis 2020 Arbeitgeber. Good Work mit Raum zur Entfaltung, Ideenfitness und Provotainment liegen ihm am Herzen, denn Fragen, Humor, Provokation und engagierte Kolleg:innen sind der Keim aller Veränderung.

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