Amsterdam ohne Grachtenrundfahrt geht gar nicht. Doch auf dieser ist alles anders: An Bord von Flüchtlingsschiffen erzählen die Kapitän:innen, allesamt Geflüchtete, ihre Geschichte und verknüpfen sie mit der Amsterdams, das immer auch eine Stadt der Migrant:innen war. Eine Bootsfahrt mit der Reederei Lampedusa, die Hoffnung gibt.
Leise zieht das blaue Holzboot durch die Grachten. Ironie des Schicksals: Auf Arabisch steht sein Name ›Hedir‹, Donner oder Gebrüll, an die Außenwand gepinselt. Ironisch auch, dass mit dem Ex-Flüchtlingsboot heute Tourist:innen durch Amsterdam schippern. Doch die Rederij Lampedusa verfolgt ein engagiertes Ziel: Sie will die bunteste, inklusivste und sympathischste europäische Reederei werden.
Ein Mittwoch im März, kurz nach 10 Uhr an der Dijksgracht. Es ist frisch draußen, acht Grad und Nieselregen. Nicht das beste Wetter für eine Grachtenrundfahrt – aber wir machen auch nicht irgendeine Grachtenrundfahrt. Yusuf Adam Suali, unser Kapitän, begrüßt meine Kollegin Anne und mich. Wir sind heute seine einzigen Gäste, der normale Betrieb beginnt erst in zwei Wochen. Die ›Hedir‹ gehört zur Flotte der Rederij Lampedusa, einem einmaligen Projekt in Amsterdam. Nur sechs Meter misst der Holzkahn und schaukelt beim Ablegen ordentlich. Sofort ist mir beklommen zumute – wie lächerlich, bedenkt man, dass Menschen in dieser Nussschale das Mittelmeer überquert haben. In Amsterdam ist das Boot für max. zwölf Personen zugelassen. Als die italienische Küstenwache es am 29. August 2014 südwestlich der sizilianischen Stadt Portopalo aufbrachte, waren 78 Passagiere an Bord. Flüchtlinge, die auf ein besseres Leben hofften.