Steigende Mieten, kaum bezahlbare Wohnungen – und erst recht kein Platz für kreative Ideen in Großstädten. Das will eine Bremer Initiative ändern.
Das Problem scheint in vielen deutschen Städten dasselbe: Während Einfälle für kulturelle und soziale Projekte Gedankenkonstrukte zu bleiben drohen, weil Mieten zu teuer oder geeignete Immobilien gar nicht erst verfügbar sind, schlummern zugleich vielerorts leer stehende Gebäude und Brachflächen vor sich hin. Häufig entstehen diese Raum-Leichen dann, wenn eine Art der Nutzung abgeschlossen, die zukünftige allerdings noch nicht entschieden ist. In der Hansestadt Bremen hat sich die sogenannte ZwischenZeitZentrale, eine Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, diesem Problem unbelebter Räume angenommen.
Wertvolle Kontakte
Die prägnant ZZZ abgekürzte Initiative sucht im Bremer Umland nach leerstehenden Immobilien und stellt den Kontakt zwischen Eigentümer:innen und potenziellen, ideenreichen Nutzer:innen her. Meist sind das kleinere Unternehmen, Initiativen und Vereine. Kooperativ erarbeitet das ZZZ-Team, bestehend aus Architekt:innen und Raumplaner:innen, gemeinsam mit beiden Parteien Konzepte für die Zwischennutzung. So werden aus Leerständen und Brachflächen neue Zuhause kultureller Projekte.
Durch die Vermietung vermeiden die Eigentümer:innen unnötige Kosten aufgrund des Leerstands. Gleichzeitig sind die Mieten gering genug, um den Nutzer:innen, die häufig nur über minimale Mittel verfügen, die finanzielle Hürde zu nehmen. Ziel ist es, Menschen dazu zu ermutigen, ihre Ideen umzusetzen und damit einen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen. Die Fallhöhe wird dabei durch die zunächst begrenzte zeitliche Dauer verringert.
ZZZ trifft den Zeitgeist
“Vergünstigter Raum gegen befristete Nutzung“ lautet das Prinzip der über zehn Jahre alten Initiative und fügt sich damit perfekt in die derzeitige Schnelllebigkeit, in der Immobilien neue Nutzungsweisen zukommen. Denn weil Platz besonders in urbanen Gefilden immer mehr zum Luxusgut wird, müssen Räume wandelbar werden. Dabei ist einerseits bereits in der Bauphase ein Umdenken nötig: Weg von Gebäuden und Räumen, die für einen bestimmten Zweck gedacht sind, hin zu modularen Konzepten und Multifunktionsräumen. Andererseits verlangen auch die bestehenden Gegebenheiten der Immobilien eine sinnvolle und damit kreative Nutzung. Eine Forderung, die insbesondere in Kreisen der Nachhaltigkeitsbewegung laut wird.
Alena Schmuck unterstützte als Praktikantin bis vor kurzem das ZZZ-Team und erklärt: “Bevor alte Gebäude irgendwann abgerissen werden, stehen sie häufig leer. Die ZZZ will zeigen, dass die Räume noch immer einen Sinn haben, ein Neubau also nicht immer notwendig ist.“ Immerhin ist der Bausektor laut einem Ende 2020 vorgelegten Bericht des UN-Umweltprogramms mittlerweile für 38 % der weltweiten Emissionen verantwortlich. Außerdem fordert er viele Rohstoffe und geht mit Bodenversiegelung und einem Verlust von Natur, kostbaren CO2-Speichern und natürlichen Klimaanlagen, einher.
Platz für Kunst und Kultur – auch in pandemischen Zeiten
„Durch die Pandemie mussten viele Gemeinschaftsateliers und Werkstätten geschlossen bleiben – ein unhaltbarer Umstand, insbesondere für Kunstschaffende in der Ausbildung. Da sind Leerstände eine Lösung. Die ZZZ bot Künstler:innen die Möglichkeit, in kurzfristig geschaffenen Ateliers ihrer Arbeit nachzugehen”, so Schmuck, Masterstudentin im Fach Urbane Kultur, Gesellschaft und Raum an der Uni Essen. Auch Lernräume und Proberäume für kleine Theatergruppen seien so in Immobilien mit verstecktem Potential geschaffen worden. „Häufig kann man sich anfangs gar nicht vorstellen, was daraus werden kann. Durch die ZZZ fangen die Ideen überhaupt erst an zu fließen.“
Allerdings stößt das Team bei der Suche nach geeigneten Räumen immer wieder auf Herausforderungen: Noch immer sind Eigentümer:innen skeptisch, außerdem seien häufig insbesondere in sehr alten Gebäuden Umbaumaßnahmen nötig, etwa, um Barrierefreiheit zu ermöglichen. Zugleich zeichnen sich derzeit Trends in der Nutzung von Räumlichkeiten ab, die der Arbeit der ZZZ zuträglich sind. So ist etwa anzunehmen, dass die Möglichkeit zum Homeoffice auch nach der Pandemie mehr genutzt wird. Infolgedessen werden einige Büroräume wohl auch in Zukunft leer bleiben und somit für neue Nutzungsoptionen bereitstehen.
Der wachsende Erfolg der Zwischennutzungen
Im vergangenen Jahrzehnt konnten dank der ZwischenZeitZentrale aus einer ehemaligen Reha-Einrichtung und einstigen Betriebsgebäuden Stätten für vielfältige Kulturprogramme mit Film-, Theater- und Musikaufführungen, gemeinschaftliche Werkstätten und Büros gemacht werden. Einige Projekte wurden sogar zu dauerhaften Mieter:innen: Wo früher Grabgestecke gebunden wurden, kann man heute im Radieschen auf hübschem Teeservice Kuchen verköstigen und das Lankenauer Höft zog viele Bremer Kulturschaffende an, die den einstigen Standort des Hafenamtes durch Veranstaltungen, Workshops und ein Café mit Leben füllten.
Auch die Bremer Galopprennbahn wurde unter dem Namen Galop-de-porc zum ZZZ-Projekt: Auf dem Grundstück sollten eigentlich bis zu 1.000 Wohnungen entstehen, nach einem Volksbegehren gegen die Bebauung wurde diese allerdings verhindert. Die Grünfläche beheimatet derzeit ein Freiluftklassenzimmer sowie einen Sport- und Golfclub, weitere Nutzungsmöglichkeiten sind in Planung.
Großes Potential
Mittlerweile wurde auch in anderen Städten das Potential von Zwischenmietungen erkannt. Das Interesse an der ZwischenZeitZentrale ist groß, weshalb die Bremer:innen als Ansprechpartner:innen auch andere Städte darin beraten, wie solche Projekte angegangen werden könnten. “Ich glaube, das wird sich immer mehr durchsetzen“, ist sich Alena Schmuck sicher.
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