Forschende aus den USA haben eine chemische Methode entwickelt, mit der Plastikmüll zum wertvollen Rohstoff wird.
Auf die Frage danach, was Polyethylen (PE) ist, antwortet Wikipedia mit einem thermoplastischen Kunststoff, der durch eine Kettenpolymerisation vom petrochemisch erzeugten Ethen hergestellt wird. Darüber hinaus gehöre es zur Gruppe der Polyolefine und sei teilkristallin und unpolar. Wer hier auch nur Bahnhof versteht, befindet sich in guter Gesellschaft. Dennoch benötigt es kein abgeschlossenes Chemiestudium, um PE im Alltag immer wieder zu begegnen: Es ist der weltweit am meisten verwendete Kunststoff, aus ihm besteht ein Großteil unserer Folien und Verpackungen. Forschende der University of California haben nun ein Verfahren entwickelt, um Polyethylen effektiv upzucyclen.
Plastik mit vielen Gesichtern
Plastik ist nicht gleich Plastik. Laut dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) gibt es weit mehr als 200 Kunststoffarten: besonders elastische, besonders formbare oder besonders harte. Jede von ihnen eignet sich für andere Anwendungen. Technische Kunststoffe finden sich zum Beispiel in Maschinenteilen oder Schutzhelmen und machen damit ungefähr 20 Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion aus. Hochleistungskunststoffe sind zwar extrem temperaturbeständig oder haben eine ausgezeichnete elektrische Leitfähigkeit, verursachen aber nur 0,2 Prozent.
Viel wichtiger sind die Standardkunststoffe – sozusagen die Allrounder unter den Plastikarten: “Standardkunststoffe zeigen ein ausgewogenes und gleichzeitig vielfältiges Eigenschaftsbild, das sie für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen geeignet macht”, so der FCIO. Sie sind in Joghurtbechern, Fensterrahmen, Rohren, Waschmittelflaschen, Tragetaschen und vielem mehr zu finden. Obwohl diese Gruppe sehr klein ist, entfallen auf sie deshalb die restlichen fast 80 Prozent der Weltkunststoffproduktion. Allein auf das Polyethylen fast ein Drittel, etwa 200 Millionen Tonnen.
Plastik-Potenzial nutzen
Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OceanCare landen jährlich neun Millionen Tonnen Kunststoff in den Ozeanen. Das ist nicht nur eine große Gefahr für die maritimen Ökosysteme, es geht auch viel Potenzial verloren. Denn der Abfall könnte schon vorher wieder- oder sogar aufgewertet werden und damit zu einer nachhaltigen Welt beitragen.
Zahlreiche Initiativen arbeiten an Ansätzen, die genau das wahr machen sollen. So hat etwa das niederländische Start-up The Great Bubble Barrier eine Barriere aus Blubberblasen entwickelt, um Plastikmüll aus Flüssen zu entfernen und danach zu recyclen. Plastic Fischer, eine nachhaltige Organisation aus Deutschland, fischt schon seit Jahren mit dem gleichen Ziel Abfälle aus indonesischen Flüssen, bevor sie ins Meer fließen – und das sogar mit der Unterstützung unserer Abonnent:innen.
Doch häufig ist das Recycling oder sogar Upcycling nicht so einfach wie gedacht: “Du kannst nicht einfach eine Plastiktüte nehmen und daraus ohne Weiteres eine neue Plastiktüte machen”, sagt John Hartwig, Professor für Chemie an der University of California. Gerade das Polyethylen verwandle sich durch Wiederverwertungsprozesse in ein weniger wertvolles Material, das nur eingeschränkt erneut eingesetzt werden kann. Deshalb wurden bislang nur etwa jeder achte Kanister oder Puddingbecher aus Polyethylen recycled. Die Idee des Forschungsteams um Hartwig könnte das nun ändern.
Nachhaltige Chemie
Das Verfahren, das die Forschenden vor Kurzem im Fachmagazin Science vorstellen, zerlegt Polyethylen mit verschiedenen chemischen Schritten so lange in seine Einzelteile, bis diese zur Produktion von anderen hochwertigen Plastikarten genutzt werden können. Zwei Fliegen mit einer Klappe, denn damit könnte der Plastikmüll auch die vielen fossilen Ressourcen ersetzen, die die Herstellung von neuem Kunststoff benötigt. Anstatt den Müll einfach zu verbrennen und in neue Form zu pressen, schaffen die Forschenden also ein höherwertiges Produkt, das zur nachhaltigeren Plastikproduktion beiträgt.
Der Ablauf der sogenannten isomerisierenden Ethenolyse, wie die Forschenden ihr Verfahren nennen, ist ungefähr so kompliziert wie der Name selbst. Die Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoff-Atomen im Polyethylen sind chemisch nur schwer voneinander zu trennen. Das erschwerte das Recycling bislang. Durch die Zugabe von verschiedenen Katalysatoren erzeugt das Forschungsteam aber Kohlenstoff-Doppelbindungen und erhöht damit die Reaktionsfreudigkeit. So kann aus Polyethylen der Grundstoff Propylen entstehen, der dann zu neuem Plastik verarbeitet wird. Bis zu 80 Prozent des Ausgangsstoffes kann auf diese Weise umgewandelt werden. “Ich war ziemlich überrascht, dass es so gut funktioniert”, betont Hartwig.
Zwar sei das Verfahren noch nicht für die industrielle Anwendung nutzbar, habe aber wichtige Implikationen für Recyclingprozesse. “Der neue Prozess könnte in Zukunft den größten Teil unseres Plastikmülls in ein Arsenal aus chemischen Rohstoffen verwandeln”, so Hartwig. Weitere Experimente sollen auch die Grundlage für die Entwicklung von besser recyclebarem Plastik liefern.
Beitragsbild: Jasmin Sessler | unsplash.com