Volle Kraft voraus!

Wie ein Gezeitenkraftwerk in Schottland die Kraft der Meere nutzt

von | 4. August, 2021

Ein schottisches Unternehmen hat ein neues Kraftwerk in Betrieb genommen, das mit Hilfe der Gezeiten Strom erzeugt. Mit einer Leistung von 2 Megawatt sei es das stärkste Gezeitenkraftwerk seiner Art und könne bis zu 2.000 Haushalte im Jahr mit grünem Strom versorgen. Das Prinzip hinter dem Kraftwerk könnte auch in einem kleineren Maßstab Energie gewinnen – in Flüssen statt in Meeren.

Die Kraft der Meere

Unsere Weltmeere sind nicht nur gigantische Wasserspeicher, sondern auch nachhaltige Energielieferanten mit einem riesigen Potenzial. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass im Jahr 2050 allein durch Wellen und Gezeiten eine Leistung von 300 Gigawatt zur Verfügung stehen kann. Zum Vergleich: Deutschland verfügt aktuell über eine insgesamte Netto-Nennleistung von knapp 230 Gigawatt. Und da zur Energiegewinnung aus dem Ozean allein die Wasserkraft notwendig ist, könnten gleichzeitig 500 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart werden. Das schätzt Ocean Energy Systems (OES), ein Unterprogramm der IEA.

Zahlreiche Methoden machen sich das Potenzial der Meere bereits auf unterschiedlichste Art und Weise zu eigen. Manche fokussieren sich auf die Kraft der Wellen, andere auf die thermische Energie der Meere oder auf den sogenannten Tidenhub, also darauf, wie Ebbe und Flut den Wasserstand beeinflussen. Das schottische Unternehmen Orbital Marine Power nutzt stattdessen die Strömungen, die durch die Gezeiten entstehen. Nach eigenen Angaben habe Orbital das stärkste Gezeitenkraftwerk der Welt entwickelt.   

Wie ein Windrad, nur unter Wasser

Das O2,  so heißt das neue Kraftwerk, liegt aktuell vor der schottischen Halbinsel Orkney. Von oben sieht das 74 Meter lange und 680 Tonnen schwere Kraftwerk aus wie ein gelbes Flugzeug, das über der Wasseroberfläche treibt. Im Kern ist seine Funktionsweise recht simpel: An den Seiten der schwimmenden Plattform bringt die Wasserströmung zwei gigantische Turbinen zum Rotieren. Ähnlich wie Windräder, die der Wind antreibt. 

Durch spezielle Rotorblätter kann auch dann Energie gewonnen werden, wenn das Wasser wegen der wechselnden Gezeiten seine Fließrichtung ändert. Das Unternehmen gibt an, durch diese Methode eine Leistung von 2 Megawatt zu generieren. Das würde jährlich 2,000 Haushalte versorgen und 2,200 Tonnen Kohlenstoffdioxid einsparen können.

Strom aus allen Strömungen

Ein Kabel am Meeresgrund verbindet das Kraftwerk bereits mit den Speichern des European Marine Energy Centre (EMEC). EMEC ist ein Areal vor den Küsten Großbritanniens, in dem Forscher:innen und Unternehmen neue Technologien zur Energiegewinnung testen und demonstrieren können. Die O2 wird nun für die nächsten 15 Jahre in diesem Areal Strom produzieren. Bald soll dieser saubere Strom auch dazu genutzt werden, grünen Wasserstoff herzustellen. Das Konzept der O2 könnte, so Orbital Marine Power, auch als kleine Variante in Flüssen lokal und dezentral Strom generieren.

Gefördert wurde das Projekt unter anderem durch das Horizon 2020-Programm der Europäischen Union sowie der schottischen Regierung.

Unklar ist allerdings, wie das neue Gezeitenkraftwerk seine Umwelt beeinflussen wird. Bereits im Jahr 2011 bemängelten Forscher:innen gemeinsam mit Vertreter:innen aus der Industrie und der Politik fehlende Analysedaten. So wisse man unter anderem zu wenig über die Auswirkungen der elektromagnetischen Strahlung, die von den Kraftwerken ausgeht, oder den Einfluss, den die Turbinen auf Fischpopulationen haben.

Hier findet ihr ein Video der O2 von Orbital Marine Power:

Beitragsbild: Orbital Marine Power

827c3609f79542828f5a76ab132cdc38
Unterstütze die Arbeit von Paul Esser und anderen Autor:innen mit einem GNM+ Abo!

Deine Vorteile:

  • Gut recherchierte positive Nachrichten
  • Nachhaltig gedruckt oder digital
  • Dramafrei und lösungsorientiert

GNM+

Paul Esser

Paul Esser ist stellvertretender Chefredakteur beim Good News Magazin. Wenn er gerade keine Medien macht oder konsumiert, studiert er Politikwissenschaften und Psychologie. Warum das alles? Lösungen waren schon immer spannender als Probleme!

Good-Newsletter: Melde dich hier gratis an für die Good News der Woche in deinem E-Mail-Postfach.

Diese Good News könnten dich auch interessieren