Fliegende Windkraftanlagen, die Höhen von bis zu 400 Metern erreichen können, sollen die herkömmlichen Windturbinen bei der Gewinnung von Windenergie ergänzen.
Windenergie assoziieren viele Menschen noch mit riesigen weißen Windräder, welche die Landschaft in bestimmten Regionen zeichnen. Für den Klimaschutz ist die Windenergie aktuell die wichtigste Energiequelle – im Jahr 2020 leistete sie in Deutschland erstmals den größten Anteil am deutschen Energiemix. Doch Windkraftanlagen sorgen wegen Lärmemissionen und der Beeinträchtigung von Natur und Landschaft häufig auch für Debatten und Unmut.
Der neue Ansatz: Flugwindkraftanlagen
Die herkömmlichen Windkraftanlagen können Winde in Höhen von bis zu 200 Metern einfangen. Damit können viel stärkere Winde in größeren Höhen als Energieressource jedoch noch nicht genutzt werden. Im Jahr 2018 wurde der Branchenverband Airborne Wind Europe gegründet, in dem die sogenannte Flug- bzw. Höhenenergie (Airborne Wind Energy (AWE)) untersucht wird. Laut einer Studie, die 2018 von der Europäischen Kommission vorgelegt wurde, sollen AWE-Technologien das Potenzial haben, bis zu 100 Prozent des Elektrizitätsbedarfs der EU decken zu können, wobei nur 1 Prozent Landfläche genutzt werden muss. AWE-Technologien werden aktuell von etwa 20 Hersteller:innen und verschiedenen Forschungseinrichtungen, Universitäten und Industrieverbänden weltweit entwickelt.
Im AWE-Sektor gibt es verschiedene Konzepte und Ansätze. Sie alle haben aber die Gemeinsamkeit, dass sie aus einer Bodenstation und einem automatisierten, fliegenden Gerät bestehen, die durch eine Leine oder ein Kabel verbunden sind. Bei den meisten Konzepten wird dabei die Zugkraft der Fluggeräte über eine Winde und einen Generator am Boden in Strom umgewandelt. Andere gewinnen Strom durch Propellerturbinen mit Generatoren in der Luft. Die Fluggeräte befinden sich in Höhen von bis zu 500 Metern über dem Boden. Durch die Flugwindkraftanlagen können an Land (Onshore) Windstärken genutzt werden, die mit den herkömmlichen Windturbinen bisher nur auf dem Meer (Offshore) genutzt werden konnten.
Fliegender Winddrache aus Deutschland
SkySails Power aus Deutschland ist das erste Unternehmen weltweit, deren AWE-System bestellt werden kann. Sie haben ein System mit einem Winddrachen entwickelt, der optisch an einen riesigen Fallschirm erinnert. Ein Pilotsystem wurde bereits in Norddeutschland installiert, ein weiteres auf Mauritius.
Der 90-180 m² große Winddrache wird mit einem Halteseil am Boden an einem Start- und Landemast befestigt und von einer Winde abgewickelt. Beim Aufsteigen fliegt der Kite durch eine automatische Steuerung in Achterschleifen, wodurch der größtmögliche Zug an der Leine für die Energiegewinnung erreicht werden kann. So kann der Kite bis zu 400 Meter aufsteigen. Die Zugkraft am Kite treibt einen Generator in der Winde an, wodurch Strom erzeugt wird.
Die gewonnene Energie kann ins Stromnetz eingespeist, in Batterien gespeichert oder direkt verbraucht werden. Wenn der Kite am höchsten Punkt angekommen ist, wird er an der Winde wieder eingezogen, wobei der Generator als Motor dient. Dafür wird nur ein Bruchteil der zuvor gewonnen Energie verbraucht. Dieser Vorgang wird auf einer Höhe von 200 bis 400 Metern kontinuierlich wiederholt.
Da es sich mit den Jahreszeiten ändert, in welcher Höhe die stärksten Winde wehen, kann auch die Flughöhe bei dem System angepasst werden. Bei Sturm und für Reparaturen kann der Kite einfach eingeholt und verstaut werden.
Das System wird in einem Container angeliefert, in dem die Technik eingebaut ist. Der Container wird an dem gewünschten Ort auf ein Stativ gestellt, das je nach Windrichtung ausgerichtet werden kann.
SkySails Power entwickeln aktuell noch Systeme, die auch auf Frachtschiffen und im Meer installiert werden können.
In Deutschland sind außerdem die Hersteller:innen EnerKíte, kiteKRAFT und kiteswarms in der AWE-Branche aktiv.
Große Hoffnungen
Flugwindkraftanlagen bieten einige Vorteile durch einen geringen Ressourcenverbrauch bei der Herstellung und Errichtung, durch ihre Kosteneffizienz, ihre Leistungsstärke und örtliche Flexibilität. Sie sind einfacher zu transportieren und installieren als herkömmliche Windkraftanlagen, sorgen für weniger Lärm- und Lichtemissionen und beeinträchtigen das Landschaftsbild weniger. Airborne Wind Energy kann langfristig zu niedrigen Strompreisen beitragen. Es besteht die Hoffnung, dass die Systeme der Höhenwindenergie eine größere Akzeptanz in der Öffentlichkeit genießen und ein elementarer Bestandteil der Energiewende sein werden.
So könnte es in Zukunft neben Windrädern auch bunte Winddrachen oder Drohnen in luftigen Höhen geben, die die Landschaft prägen.
Beitragsbild: Courtesy of the SkySails Group