Eine neue Studie zeigt, dass echte und virtuelle Naturerfahrungen akute körperliche Leiden lindern können.
Naturerlebnisse können akute körperliche Schmerzen wirksam lindern – und dafür ist nicht einmal ein Aufenthalt im Freien nötig. Bereits das Anschauen von Naturvideos führt laut einer neuen Studie zu einer spürbaren Verbesserung. Die Forschungsarbeit wurde von einem Team der Universität Wien durchgeführt und im März dieses Jahres in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Die Ergebnisse eröffnen vielversprechende Perspektiven für alternative Therapieansätze.
40 Jahre alte Studie als Basis
Die positive Wirkung der Natur auf die psychische Gesundheit ist gut belegt. Weniger bekannt ist jedoch, dass sie auch körperliche Beschwerden lindern kann. Schon 1984 zeigte eine Studie eines Forschungsteams aus Göteborg, dass sich Patient:innen nach einem chirurgischen Eingriff schneller erholten, wenn ihr Krankenzimmer Blick auf eine Grünfläche bot – im Vergleich zu einem Ausblick auf eine Ziegelmauer. Wie genau es dazu gekommen ist, konnten die Forscher:innen nicht erklären. Dies wollten die Wiener Wissenschaftler:innen ändern und nahmen die Studie als Basis für die Erforschung der Gründe dieser Erkenntnisse.
Die Forschungsgruppe entwickelte ein Experiment, bei dem die Gehirnaktivität von 49 Teilnehmer:innen mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) gemessen wurde. Während der Messung sahen die Personen kurze Videos aus drei verschiedenen Umgebungen: einem Büro, einer belebten Stadt und der freien Natur. Gleichzeitig bekamen sie leichte Elektroschocks auf den Handrücken, um Schmerzen nachzuahmen.
Wie Landschaften direkt auf unser Schmerzempfinden wirken
Die Teilnehmer:innen gaben an, beim Betrachten der Naturvideos weniger Schmerzen gespürt zu haben. Dieser subjektive Eindruck zeigte sich auch deutlich in den Gehirnscans: In den Bereichen, die für die Verarbeitung von Schmerz zuständig sind, war die Aktivität geringer als bei den anderen gezeigten Szenen. Besonders wichtig dabei: Die Naturvideos lösten messbare körperliche Reaktionen aus – anders als bei einem Placebo, bei dem lediglich emotionale Reaktionen eine Rolle spielen. Damit liefert die Studie erstmals Hinweise auf eine direkte körperliche Wirkung von Natur auf das Schmerzempfinden. Frühere Untersuchungen hatten vor allem psychologische Erklärungen für diesen Zusammenhang vermutet.
Beitrag zu nachhaltigen Therapieansätzen
Was bedeutet die Erkenntnis für die Realität? Werden Patient:innen bald Waldspaziergänge verschrieben bekommen? Wahrscheinlich nicht. Laut Erstautor Max Steiniger können Naturszenarien die Wirkung von Schmerzmittel nicht ersetzen. Eher geht es um ergänzende Details bei der Behandlung von Schmerzen. Daraus ergeben sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten – sowohl im Alltag als auch in der Medizin. Co-Autorin Simone Kühn kann sich zum Beispiel vorstellen, während einer Zahnbehandlung beruhigende Naturaufnahmen auf einem Bildschirm einzublenden. Diese könnten nicht nur die Schmerzempfindung, sondern auch die Angst der Patient:innen spürbar verringern.
Wenn auf der Arbeit mal wieder der Schädel brummt, kann sich der Gang in den Park nun also doppelt lohnen: Der Kopf wird frei – und schmerzt vielleicht weniger.
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