Hightech-Methoden und Petrischalen machen’s möglich

Nördliche Breitmaulnashörner sollen vor dem Aussterben gerettet werden

von | 14. April, 2022

Die Eizellen von den zwei letzten lebenden Exemplaren der Nördlichen Breitmaulnashörner werden in Petrischalen mit kryokonserviertem Sperma befruchtet.

Weltweit sind aktuell 22 Prozent der Säugetiere vom Aussterben bedroht. Die Nördlichen Breitmaulnashörner trifft es besonders stark. Ursache für das Aussterben ist der Mensch, der Jagd auf die Tiere gemacht und sie aus ihrem Lebensraum vertrieben hat. Inzwischen leben von der Unterart nur noch die zwei Weibchen Najin und Fatu in Kenia. Das letzte Männchen musste 2018 eingeschläfert werden, eine natürliche Fortpflanzung ist für die Art also nicht mehr möglich. Professor Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung und sein Team vom Projekt BioRescue wollen nicht zulassen, dass die Nördlichen Breitmaulnashörner aussterben.

“Das Nördliche Breitmaulnashorn war eine Schlüsseltierart für viele Pflanzen und Tiere. Diese drohen jetzt ebenfalls zu verschwinden – und das wird gravierende Folgen haben.”

BioRescue-Projektleiter Prof. Thomas Hildebrandt

Neuland im Artenschutz

Das Team der Rettungsmission hat schon vor 20 Jahren begonnen, das Sperma von Nördlichen Breitmaulnashorn-Bullen zu kryokonservieren, also in flüssigem Stickstoff einzufrieren und aufzubewahren. Mit Hochtechnologien haben sie Najin und Fatu in der Ol Pejeta Conservancy in Kenia nun mit einem patentierten Spezialgerät unreife Eizellen entnommen. Die Eizellen wurden in Petrischalen mit dem Sperma der bereits verstorbenen Bullen befruchtet. 14 Embryonen konnten dadurch bereits in flüssigem Stickstoff konserviert werden.

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Das Team des Projekts bei der Entnahme von Eizellen. Foto: BioRescue / Jan Zwilling

Weil Najin und Fatu nicht mehr in der Lage sind, Nachwuchs auszutragen, sollen die Embryonen bald von Südlichen Breitmaulnashorn-Weibchen als Leihmütter ausgetragen werden. Diese kommen wegen ihrer nahen Verwandtschaft zu den Nördlichen Breitmaulnashörnern infrage. Damit ein Jungtier bei seinen Artgenossen aufwachsen kann, soll der Embryotransfer in Kenia stattfinden.

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Fatu nach der erfolgreichen Eizellen-Entnahme. Foto: BioRescue / Jan Zwilling

„Wir betreten mit unserem Vorhaben Neuland im Artenschutz und wir wissen, dass wir enormen Aufwand betreiben, um Nachkommen von Najin und Fatu zu erzeugen. Doch der ökologische Schaden des Aussterbens des Nördlichen Breitmaulnashorns wäre enorm – faktisch ist er es schon jetzt. Es ist unsere Verantwortung, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um unsere Fehler zu korrigieren.”

BioRescue-Projektleiter Prof. Thomas Hildebrandt

Die Verfahren des BioRescue-Programms werden von einem Team aus Tierethiker:innen begleitet und kontinuierlich einer ethischen Risikobewertung unterzogen, um bei den Eingriffen auch das Tierwohl zu wahren. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.

Umdenken für den Schutz neuer Populationen 

Um auf lange Sicht Voraussetzungen für eine neue Population der Nördlichen Breitmaulnashörner zu schaffen, wird es laut Hildebrandt Jahrzehnte dauern. Und die bisherige Prozedur reicht dafür nicht aus. Forscher:innen vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) arbeiten mit Partner:innen etwa aus München und Japan aktuell daran, mithilfe von Stammzellen, Eizellen und Spermien im Reagenzglas zu erzeugen.

Stem cell scientist Norman Krüger at the MDC lab photo by Jan Zwilling
Stammzellenforscher Norman Krüger im Labor des MDC. Foto: BioRescue / Jan Zwilling
Nashorn-Stammzellen
Nashorn-Stammzellen. Foto: BioRescue / Sebastian Diecke (MDC)

“Mit Hochtechnologie wollen wir erreichen, dass die Natur wieder das Steuer übernimmt”, so Hildebrandt. Er und sein Team haben die Hoffnung, dass ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet und die neue Population von der kommenden Generation geschützt werden wird.

Beitragsbild: BioRescue / Jan Zwilling

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Pia Bergmann

Pia Bergmann ist Redakteurin beim Good News Magazin. Das Schreiben hat ihr schon immer viel Freude bereitet – umso besser, findet sie, dass sie beim Good News Magazin über so viele spannende, positive Menschen und Projekte schreiben kann.

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