Vor kurzem wurde der politische Grundstein für ein müllfreies Köln gelegt. Alle demokratischen Parteien stimmten zu, ein Konzept auf den Weg zu bringen, das Köln zur nächsten Zero Waste Stadt machen wird. Doch wie soll das gehen?
Gemeinsam mit seinem Verein Zero Waste Köln setzt sich Alex Volk schon länger für eine müllfreie Stadt Köln ein. Im Interview mit dem Good News Magazin spricht er über Zero Waste Initiativen, die politischen Wege zu einer müllarmen Stadt und eine Zukunft mit innovativen Kreislauf- und Sharing-Konzepten. Und natürlich gibt er auch Tipps, wie wir alle im Alltag Müll reduzieren können.
PAUL ESSER: Alex, zu Beginn die vielleicht wichtigste Frage: Was bedeutet denn Zero Waste überhaupt?
ALEX VOLK: Meiner Meinung nach ist Zero Waste einer der Key-Faktoren, mit dem wir auch andere Probleme, wie Klimawandel oder Umweltverschmutzung, lösen können. Aus dem englischen wortwörtlich übersetzt heißt Zero Waste „Null Müll“. Das ist natürlich eher als Utopie zu verstehen, wie eine Art Stern, nach dem man sich richten kann. Was tatsächlich hinter dem Begriff steckt ist, so wenig Müll wie es geht zu produzieren. Also Verschwendung zu reduzieren. Denn alles anderes ist ja eine ungenutzte Ressource, die im Müll landet. Im besten Fall soll alles, was man nutzt, gar nicht erst zu Abfall werden, sondern wieder in einem Kreislauf laufen.
ESSER: Wie wenig Müll können wir den überhaupt produzieren?
VOLK: Es gibt tatsächlich Beispiele von Leuten, die im Jahr gerade Mal ein Glas voll Müll produzieren. Die Grünen zum Beispiel haben einen Plan zu einer Wirtschaft komplett ohne Müll. Es gibt auch bestimmte „Cradle-to-Cradle-Ansätze“, nach denen es heißt: Alle anfallenden Ressourcen lassen sich wieder in einen Kreislauf einbringen. Wichtig ist es eben, all diese Ansätze und Ideen als Ziele zu formulieren und tatsächlich nachzuverfolgen.
“Natürlich hilft es, den Abfall, der gerade fälschlicherweise in der Natur landet, aufzusammeln. Effektiver wäre es aber, den Abfall gar nicht erst zu produzieren und in die Natur zu bringen. Für mich setzt Zero Waste an dem Wasserhahn an, den man zu drehen könnte.”
Alex Volk
ESSER: Reicht das klassische Recycling, das wir kennen, nicht aus?
VOLK: Dass es nicht ausreicht, sieht man an all den Problemen und steigenden Zahlen von Abfall. Wir haben auf der einen Seite „wilden Müll“. Wilder Müll ist der Müll, der in der Natur landet, statt in einem Kreislauf. Der nimmt zahlenmäßig immer weiter zu. Zusätzlich haben wir das Problem, dass der Müll, den wir weltweit exportieren, nicht in unsere Müll-Statistik mit reinkommt. Das heißt, da erschmummeln wir uns in Deutschland gute Recycling-Werte, wobei wir eigentlich nichts anderes tun, als den Abfall hin und her zu transportieren.
Im schlimmsten Fall landet er dann in Ländern, die ein deutlich unausgereifteres Abfall-Wirtschafts-Modell haben. Das heißt, dass er dann dort zum Beispiel auf Deponien landet, die, wie kürzlich in Polen, plötzlich anfangen zu brennen. Oder in Ländern, in denen sämtlicher Abfall einfach in der Nähe von Stränden gesammelt wird und von dort ins Meer kommt. Ihn dort herauszufiltern, ist bekanntermaßen nochmal deutlich schwerer. Das heißt, wir sollten zunächst danach streben, den Müll selbst zu reduzieren. Recycling sollten wir uns erst im nächsten Schritt anschauen.
ESSER: Erzähl doch mal, wie du überhaupt zu deiner Idee und zu Zero Waste gekommen bist.
VOLK: Vor ein paar Jahren habe ich mir gedacht: Eigentlich müsste man was tun. Und dann habe ich realisiert, dass ich ja selbst Teil von diesem „man“ bin und dass „man“ auch tatsächlich mit anpacken sollte. Und dann habe ich mir angeschaut, was es überhaupt zu tun gibt und was andere Leute machen. Dabei bin ich dann zufällig auf Müll-Aufräumaktionen gestoßen. Da dachte ich sofort: Das klingt doch gut, mach ich mal mit. Bei einer dieser Müll-Aufräumaktionen habe ich dann Olga Witt, die Besitzerin von einem Unverpackt-Laden in Köln, kennengelernt. Von ihr und im Rahmen dieser Aktionen habe ich zum ersten Mal auch von Zero Waste gehört. Das hat mir sofort eingeleuchtet. Denn natürlich hilft es, den Abfall, der gerade fälschlicherweise in der Natur landet, aufzusammeln. Effektiver wäre es aber natürlich, den Abfall gar nicht erst zu produzieren und in die Natur zu bringen. Für mich setzt Zero Waste an dem Wasserhahn an, den man zudrehen könnte.
Wir haben dann ziemlich schnell gesagt, dass wir dabei nicht nur an Abfall denken dürfen, sondern auch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen müssen – im Austausch mit der Politik, der Stadtverwaltung und der Wirtschaft. Weil ja nicht nur wir Privatpersonen Müll produzieren, sondern die ganze Gesellschaft. Daraufhin haben wir den Verein Zero Waste Köln e.V. gegründet. Mit dem Ziel, Köln zu einer müllfreien Stadt zu machen. So hat das Ganze angefangen.
ESSER: Du hast es gerade schon angedeutet: Ihr ruft die Stadt Köln dazu auf, sich zur Zero-Waste-Stadt zu machen und sich zu den Zielen der Initiative Zero Waste Europe zu bekennen. Welche Maßnahmen müsste die Stadt dann ergreifen?
VOLK: Das Schöne ist ja, dass Zero Waste kein neues Konzept ist. Zero Waste gibt es in ganz Europa, die Initiative Zero Waste Europe wird auch von der Europäischen Union gefördert. Und europaweit haben viele Städte bereits tolle Erfolge erzielt. Es ist also nicht so, dass wir etwas komplett Neues entwickeln müssen. Trotzdem muss man sich die genauen Zahlen, Maßnahmen und Zielvorgaben anschauen, weil wir nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Stadt zu Stadt völlig unterschiedliche Konzepte von Abfallwirtschaft haben. Ich bin in Leverkusen aufgewachsen, da hatten wir noch den gelben Sack. Jetzt bin ich hier in Köln, wo wir vor ein paar Jahren die Wertstoff-Tonne eingeführt haben. Von vornherein bestehen also völlig unterschiedliche Rahmenbedingungen. Wir müssen diese Rahmenbedingungen mit einem wissenschaftlichen Ansatz erforschen: Wie ist der aktuelle Status Quo? Was kann man verändern, um Abfall zu reduzieren?
ESSER: Was muss die Stadt Köln erfüllen, um tatsächlich als Zero-Waste-Stadt anerkannt zu werden?
VOLK: Was zwingend notwendig ist, ist erstmal ein stadtweiter Beschluss, indem sich die Stadt zu Müllvermeidung bekennt. Darin müssen zwei messbare Ziele formuliert sein. Zum Beispiel hat Kiel das Ziel formuliert, bis 2035 seinen Restmüll zu halbieren und 15 Prozent der Gesamt-Abfallmenge zu reduzieren. Das ist messbar, weil man weiß, wie viel Abfall aktuell anfällt und man später ermitteln kann, wieviel Abfall dann noch produziert wird. Zusätzlich braucht man ein sogenanntes „Zero-Waste-Advisory-Board“. Das ist einfach ein englischer Begriff für eine Art „Beirat für Abfallvermeidung“, der in regelmäßigen Abständen prüft, wie viel Abfall anfällt, welcher Abfall anfällt, und ob die Ziele auch erreicht werden. Und da müssen dann nicht nur Akteur:innen der Stadtverwaltung teilhaben, sondern auch Vertreter:innen aus der Politik, der Zivilgesellschaft, aus der Wirtschaft und lokale Zero-Waste-Expert:innen, die sich im Zusammenspiel dem Thema widmen.
ESSER: Wie willst du diese Forderungen mit Zero Waste Köln in die Tat umsetzen?
VOLK: Wir haben uns natürlich jetzt schon politisch engagiert. Ich selbst bin parallel zu Zero Waste bei den Grünen in Köln aktiv. Da haben wir vergangenen Monat einen Ratsantrag eingeleitet, der den politischen Grundstein für das müllfreie Köln legt. Darin haben wir die Stadtverwaltung damit beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, um Abfallvermeidung konkret umzusetzen. Dafür gab es eine klare Mehrheit, ich glaube sogar mit Stimmen aller demokratischen Parteien. In dem Konzept sollen auch diese zwei messbaren Ziele drinstecken. Das ist in Anlehnung an den Prozess, der jetzt auch gerade in Kiel und in München läuft. Kiel hat, das habe ich eben schon angedeutet, letztes Jahr ein Zero-Waste-Konzept veröffentlicht, München arbeitet gerade sein eigenes Konzept aus. Und das wollen wir eben auch für Köln.
ESSER: Wer arbeitet denn an dem Konzept und wann können Kölner:innen das Konzept lesen?
VOLK: In dem Antrag selbst steht drin, dass das Konzept bis Ende nächsten Jahres vorliegen soll und dass auf dem Weg zur Konzepterstellung alle betroffenen Akteur:innen miteinbezogen werden müssen. Das heißt also, wir als Verein sind im Gespräch, aber auch die Bevölkerung, Unternehmen und die Politik sollen mitmachen. Laut Antrag sind die Abfallwirtschaftsbetriebe der Stadt Köln konkret für die Ausarbeitung verantwortlich, weil die sich um alle Abfall-Belange in der Stadt kümmern. Wir haben jetzt schon gehört, dass es nach dem Sommer einen ersten Aufschlag geben wird. Wie detailliert das sein wird, weiß ich noch nicht genau. Und das Ganze soll von einem Institut wissenschaftlich begleitet werden. Das muss aber erstmal noch ausgeschrieben und angenommen werden. Ich hoffe aber, dass es zumindest in diesem Jahr noch erste Schritte geben wird, an denen man wirksam teilnehmen kann.
ESSER: Du hast eben schon davon gesprochen, dass alle demokratischen Parteien bei dem Antrag mitgestimmt haben. Hast du das Gefühl, dass der politische Wille für Zero Waste wächst?
VOLK: Da reicht eigentlich ein Blick darauf, was generell auf der politischen Ebene abläuft. Wir haben schon viele bekannte Regelungen in Deutschland. Zum Beispiel, dass in diesem Jahr bereits sogenanntes Single-Use-Plastik in To-Go-Behältern verboten werden soll. Es gibt ein Gesetz, das das Anbieten von Mehrweg-Alternativen in der Gastronomie ab 2023 verpflichtend vorschreibt. Die Europäische Union reformiert das Kreislauf-Wirtschafts-Gesetz gerade immer wieder. Abfallvermeidung ist ein Thema, bei dem eigentlich niemand direkt etwas dagegen hat. Es ist im Vergleich zu anderen politischen Themen bisher erstaunlich einfach gewesen, das zu verhandeln.
„Uns ist es wichtig, auf der einen Seite kommunal zu denken, weil Abfall eben erstmal ein kommunales Thema ist. Auf der anderen Seite wollen wir trotzdem interkommunal Netzwerke schaffen und Zero Waste auch in andere Städte bringen. Wie ein Domino-Effekt.“
Alex Volk
ESSER: In Italien existieren bereits 287 Zero Waste Städte. In Deutschland nur Kiel. Warum geht es hier trotz dem politischen Willen so schleppend voran?
VOLK: Du hast das Beispiel Italien genannt. Italien hat immer wieder riesige Probleme mit Abfall und Müll, vor allem weil die Bevölkerung den Abfall sieht. Dort gab es verdreckte Städte und schlechte Gerüche, die sich gebildet haben. Beziehungsweise man hat gesehen, gespürt und gerochen, dass es kein vernünftiges Abfallwirtschafts-System gibt. Dort ist dann Druck entstanden. In Deutschland hingegen haben wir ein bisschen das Gefühl aufgedrückt bekommen, dass hier alles gut läuft. Von wegen: „Deutschland ist Recycling-Weltmeister“. Wir sehen den Abfall gar nicht so wirklich. Unsere Parks sahen relativ gut aus, bis man dann plötzlich angefangen hat hinzugucken. Und man hat sich so ein bisschen darauf ausgeruht, dass wir ja Mülltrennung haben und dass es dadurch schon funktionieren sollte.
Jetzt sehen wir aber anhand von ganz vielen Zahlen, dass es eben nicht so gut läuft, und dass man auch nicht allem trauen kann, weil vieles scheinbar rein- oder grüngewaschen wurde. Man hat sich eben gesagt: Ok, es passt ja irgendwie so. Jetzt hilft es natürlich, dass wir immer mehr etwas in Richtung Klima- und Umweltschutz tun oder zumindest in der Bevölkerung der Druck dahingehend entsteht. Deswegen bin ich – sag mal ich mal vorsichtig – hoffnungsvoll und optimistisch. Ich glaube, dass wird jetzt eins der weniger kontroversen Streitthemen die nächsten Jahre.
ESSER: Welche Rolle soll Köln dann in dieser vorsichtig hoffnungsvollen Zukunft spielen?
VOLK: Wir wollen vor allem Vorbild für andere Städte sein. Kiel macht bereits super viel, München geht jetzt richtig ab und Berlin ist auch schon seit Jahren dran. Und auch bei uns in Köln melden sich jetzt immer mehr Städte, die Lust haben, einen ähnlichen Antrag zu stellen oder auch einfach Expertise und Infos von uns haben möchten. Das ist etwas, was wir natürlich super gerne weitergeben. Alle Informationen, die wir haben, stehen auf unserer Webseite und wir stehen im ständigen Kontakt mit vielen anderen Initiativen, mit denen wir uns über das Thema auszutauschen.
Es gibt jetzt auf Deutschland-Ebene auch einen Dachverband der Zero Waste Vereine – also zumindest von denen, die davon mitbekommen haben. Wenn es noch weitere gibt, und davon bin ich überzeugt, sind diejenigen natürlich auch herzlich eingeladen mitzumachen. In dem Dachverband sind wir auch Gründungsmitglied. Uns ist es wichtig, auf der einen Seite kommunal zu denken, weil Abfall eben erstmal ein kommunales Thema ist. Auf der anderen Seite wollen wir trotzdem interkommunal Netzwerke schaffen und Zero Waste auch in andere Städte bringen. Wie ein Domino-Effekt.
ESSER: Ihr seid ja nicht nur in der Politik aktiv, sondern gebt auch konkrete Handlungsvorschläge für verschiedenste Bereiche: Privatpersonen, Unternehmen und sogar Schulen. Was soll sich an Schulen ändern?
VOLK: Wir wollen ein spezielles Schulfach für alle Fragen des nachhaltigen Lebens. Dabei ist es natürlich wichtig, auch hier ganzheitlich zu denken und nicht nur Abfallvermeidung, sondern auch andere Ökologie-Themen mit reinzunehmen. Zum Beispiel erneuerbare Energien oder die Verkehrswende. In einem Arbeitskreis vernetzen wir auch die Kölner Schulen und stoßen Arbeitskreise innerhalb der Schulen an. Hier soll gemeinsam mit Schüler:innen Ideen für eine nachhaltigere Schule ausgearbeitet werden. Und die Schulen selbst sollen natürlich auch Vorbild sein. Deshalb schauen wir auch darauf, wie die Infrastruktur von Schulen so umgestellt werden kann, dass auch hier weniger Abfall produziert wird.
ESSER: Ihr habt außerdem das Projekt „Mehrweg statt Einweg“ ins Leben gerufen. Kannst du unseren Leser:innen mehr darüber erzählen?
VOLK: „Mehrweg statt Einweg“ ist ein Projekt, das wir gefördert von der Stadtverwaltung, konkret der Bezirksvertretung Nippes, starten konnten. Wir haben dafür entsprechende Fördermittel bekommen. Unsere Idee war es, Gastronomien mit Unternehmen zu verbinden, die bereits Mehrweg-Alternativen anbieten. Gleichzeitig wollen wir den Gastronom:innen vermitteln, wie wichtig ein Umstieg von Einweg auf Mehrweg ist, und wie sie das auch ihren Kund:innen kommunikativ verdeutlichen können. Wir haben da Anfang Mai einen Vortrag gehabt, zu dem wir alle Gastronom:innen aus Nippes eingeladen haben. Da haben wir sie mit drei unterschiedlichen Anbietern von Mehrwegalternativen verknüpft, die dann ihr Produkt vorgestellt haben. Zusätzlich haben wir einen Teil unserer Fördersumme, die wir bekommen haben, als Prämie für Gastronmiebesitzer:innen ausgeschrieben, die gesagt haben: wir stellen uns um, um Zero Waste und Abfallvermeidung voran zu bringen. Damit wollten wir gezielt Anreize setzen. 150 Euro gehen dann first-come-first-serve an diejenigen Gastronomien. Insgesamt werden so 3000 Euro an 20 Gastronom:innen fließen.
ESSER: Wie vermeidest du als Experte im Alltag Müll und was können sich unsere Leser:innen von dir abschauen?
VOLK: Allen Anfänger:innen kann ich total empfehlen, in den ersten paar Wochen im Grunde gar nichts anders zu machen, sondern einfach nur zu dokumentieren, welcher Abfall überhaupt anfällt. Denn da unterscheiden sich Haushalte tatsächlich grundlegend voneinander. Mit diesem Wissen kann man das Problem dann ganz konkret angehen. Ich habe früher zum Beispiel super viele Fertiggerichte gekauft und im Grunde nie wirklich gekocht. Das war meine Haupt-Müllquelle. Und dann habe ich eben angefangen zu kochen. Ich habe mir leichte Gerichte rausgesucht, die man auch mit unverpackten oder zumindest wenig verpackten Lebensmitteln kochen kann. Damit ist schon ein Großteil meines Abfalls weggegangen.
Ein zweiter großer Müllberg waren Internetbestellungen. Die sind ja aus mehreren Sichtweisen problematisch. Da habe ich mich erstmal gefragt: Kann ich das alles nicht auch in der Nähe kaufen? Muss ich überhaupt so viel besitzen? Einer der Grundgedanken von Müllvermeidung ist ja, dass man viele Dinge auch einfach leihen oder tauschen kann. Die meisten Ressourcen, die wir haben oder brauchen, hat irgendjemand anderes schon im Keller rumstehen. Es hilft also auch, sich zum Beispiel besser mit Nachbar:innen zu vernetzen. Dafür gibt es ja auch immer mehr Plattformen, wie nebenan.de zum Beispiel. Dadurch ist es tatsächlich relativ einfach, viele Ressourcen zu sparen.
Ein dritter Tipp wäre, zunächst von Raum zu Raum zu schauen. Nicht direkt überfordert zu sein, weil man denkt: „Oh shit, wo fange ich jetzt überhaupt an?“. Man kann sich zum Beispiel erstmal das Badezimmer vornehmen. Ich bin zum Beispiel von Zahnpasta auf Tabletten umgestiegen. Die gibt es inzwischen in vielen Drogeriemärkten und Unverpackt-Läden. Das sind dann kleine Tabs, die man sich in den Mund stecken kann. Da kaut man dann drauf rum und das ist eigentlich genau wie Zahnpasta. Oder man ersetzt Duschgel mit Seife. Inzwischen bin ich auch darauf umgestiegen, mir nur mit Wasser die Haare zu waschen. Das mache ich jetzt seit zwei Jahren.
Das klingt für die meisten eher abschreckend am Anfang, aber das muss man ja auch nicht zwingend machen. Das ist ja das Schöne an der ganzen Sache: Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, mit denen man Abfall einsparen kann und auch sehr viele, die inzwischen sehr salonfähig geworden sind. Und viele müll-arme Alternativen findet man mittlerweile in den meisten Läden.
ESSER: Am Anfang haben wir dir die wichtigste Frage gestellt, jetzt die vielleicht schwierigste: Wie stellst du dir die ideale Zukunft für deine Stadt vor?
VOLK: Ideal wäre natürlich, wenn wir es wirklich schaffen würden, zum einen eine klimaneutrale Stadt zu haben. Das heißt, eine Stadt, in der nur so viele Treibhausgase emittiert werden, wie auch wieder kompensiert werden können durch CO2-Senkungen. Die Natur, Bäume, Büsche, Moore könnten all das wieder einsparen wir würden der Umwelt und uns selbst nicht langfristig schaden. Und dafür ist es zum anderen auch unglaublich wichtig, dass wir ein Umdenken haben beim Umgang mit unseren Ressourcen. Wir sollten nicht irgendwas kaufen, was in irgendeiner Verpackung unterwegs ist, die man dann auch einfach irgendwie wegwerfen kann. Stattdessen sollte bei einem Produkt von Anfang mitgedacht werden, wie es am Ende zurück in einen Kreislauf kommt.
Schön wäre es natürlich auch, wenn wir öfter gemeinschaftlich an Problemen arbeiten und mehr miteinander austauschen. Wenn es kommerzfreie Orte und Zentren gibt, an denen man sich zusammensetzen kann, um zu quatschen und zu tauschen. Muss jeder wirklich einen Hammer, Schraubenzieher und sonst was haben, oder kann man sich all das nicht einfach in einem Veedel teilen? In die Richtung geht es ja auch mit vielen Sharing-Anbietern, die ich auch persönlich echt gut finde. Im Kern also der Weg weg von einer Gesellschaft, in der jeder zwingend alles Mögliche besitzen muss und alles im schlimmsten Fall alle paar Jahre neu kauft, sondern eine Gesellschaft, in der wir achtsam mit unseren Ressourcen umgehen und dann damit auch viel mehr Zeit und Kopf haben für das Wichtige und nicht den Konsum.
ESSER: Was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern zum Abschluss mitgeben?
VOLK: Erstmal vielen Dank für das Interview. Es ist richtig cool und notwendig, dass ihr darüber berichtet, damit auch ein breites Interesse für Zero Waste entsteht. Ich kann allen nur ans Herz legen, sich mal umzugucken, selbst vielleicht mal an einer Müll-Sammelaktion teilnehmen. Das lässt die aktuelle Lage ja unter gewissen Bedingungen wieder zu. Dann sieht man erst, wie groß das Problem auch hier ist. Es ist immer cool und gut, selbst etwas am eigenen Lebensstil mitzuändern und mitzugestalten. Für den gesellschaftlichen Wandel ist es notwendig, dass wir uns zusammenschließen, gemeinsam Forderungen formulieren und an großen Lösungen arbeiten. Das geht deutlich einfacher als man denkt. Es gibt schon super viele coole Leute und Gruppe, denen man beitreten kann. Zero Waste Köln zum Beispiel. Aber auch Nabu, WWF oder auch politische Parteien. Gerade bei politischen Parteien freue ich mich immer wieder, wenn es dort aktive Leute gibt, die sich für das Thema einsetzen. Denn ich habe das Gefühl, dass der Abfall bislang sehr stiefmütterlich behandelt wurde. Wenn wir jetzt anfangen, mit mehr Leuten aktiv zu werden, wird das auch tatsächlich etwas verändern. Das sehen wir hier in Köln am besten Beispiel. Jetzt sind wir dabei, es gibt einen Antrag – und jetzt müssen wir gucken, dass der Antrag auch bestmöglich umgesetzt wird. Und da hilft uns natürlich eine möglichst große Masse an Menschen.
Mehr Informationen zu Zero Waste und den Projekten und Forderungen von Zero Waste Köln findet Ihr auf der Website des Vereins!
Beitragsbild: Alexander Volk