Jana Crämer litt schon früh unter Binge-Eating, Lipödem und Multipler Sklerose. Inzwischen hat sie Frieden mit ihrem Körper geschlossen und sie genießt das Leben. Mit ihrer Geschichte will sie jetzt anderen Betroffenen helfen.
Sie hat einen langen Weg hinter sich
Schweißperlen tropfen von der Stirn. Es ist der heißeste Tag des Jahres. Jana Crämer ist noch sichtlich erschöpft vom Weg zur Eisdiele. Ihre Beine und Arme schmerzen chronisch, die Hitze macht alles noch schlimmer. Wie selbstverständlich sucht sie sich einen Platz am Ventilator und schlürft genüsslich an ihrer Eisschorle. Noch vor wenigen Jahren wäre das für die 42-Jährige undenkbar gewesen.
Jana ging es dabei so wie vielen Menschen, denen es angesichts unrealistischer Schönheitsideale äußerst schwerfällt, ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper und Essverhalten zu finden. Essstörungen wie Anorexie, Bulimie oder Binge-Eating sind ernste Erkrankungen mit teils schweren gesundheitlichen Folgen. Millionen Betroffene leiden dabei unter starken Ohnmachtsgefühlen. Ihr Essverhalten dient ihnen als einziges Mittel der Kontrolle.
Die daraus folgenden Gewichtsschwankungen in die Extreme führen häufig zu einem schleichenden Rückzug aus der Gesellschaft. Jana Crämer weiß genau, wie sich das anfühlt. Mehr als 180 Kilo hat sie gewogen. Lange schämte sie sich für ihre Erkrankung, bis sie sich schließlich ihrem besten Freund, Batomae, anvertrauen konnte. Heute inspiriert sie Hunderttausende mit ihrer gelebten Selbstakzeptanz, unabhängig von gesellschaftlichen Idealen.
Jana Crämer im Weltaufgang Podcast
Solltest du dich in Janas Geschichte wiederfinden, Hast du das Recht darauf, Hilfe zu erhalten. Es gibt viele verschiedene Angebote, an die du dich anonym oder persönlich in Anlaufstellen vor Ort, telefonisch oder online hinwenden kannst. Hier ein paar Beispiele: ANAD e.V. bietet Beratung, Therapie und ambulante Betreuung für Menschen mit Essstörungen an. Auch Angehörige können hier Unterstützung finden. Telefon: +49 89 21997980 Die Nummer gegen Kummer bietet kostenlose und anonyme Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern, auch bei Essstörungen. Kinder- und Jugendtelefon: 116 111 Elterntelefon: 0800 111 0 550 Die Caritas bietet Beratung und Unterstützung bei Essstörungen und anderen psychischen Problemen. Über die Website können jeweils lokale Beratungsstellen gefunden werden. Overeaters Anonymous ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich gegenseitig dabei unterstützen, sich von einem gestörten Essverhalten zu erholen. Telefon: +49 176 34 40 55 55 Suchthilfeverzeichnis bietet eine umfassende Übersicht über spezialisierte Beratungsstellen, Therapieangebote und Selbsthilfegruppen, um Betroffenen den Zugang zu passender Unterstützung und Behandlung zu erleichtern. Telefon: +49 2381 9015-0 |
Online über ihre Website “Bauchgefühl” und über Konzert-Lesungen leistet sie mit Batomae Aufklärungsarbeit zum Thema Essstörungen und Mobbing. Damit bietet sie Betroffenen eine Plattform, um sich ganz ohne Schamgefühl auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Egal ob in ihren Videos, Interviews oder ihren inzwischen vier Büchern – Jana Crämer setzt auf radikale Ehrlichkeit. Der Weg dorthin war für sie nicht leicht.
Es habe eine Menge Mut und Geduld erfordert, sich die eigene Krankheit eingestehen zu können, erklärt sie. Sie selbst habe ihr ungesundes Verhältnis dem Essen gegenüber dabei nicht bewusst wahrgenommen oder gar benennen können. “Ich habe mich immer wieder gefragt: Wenn ich mich selbst nicht verstehe, wie soll es jemand anderes tun?”. Ihr Publikum identifiziert sich mit Janas Anstrengungen. Über eine halbe Million auf TikTok und knapp 140.000 Menschen auf Instagram folgen ihr bereits. Gemeinsam mit Batomae streut sie außerdem in ihrem Podcast “Wir sind so!” die Botschaft: “Du bist nicht alleine!”.
Eine “Wundertüte an Symptomen”: Gelacht wird trotzdem
Um das zu zeigen, macht Jana Crämer sich ehrlich in ihren Videos. So teilt sie etwa intime Sorgen oder kokettiert beim Sport in enger Funktionskleidung mit den Narben oder dem überschüssigen Bindegewebe ihres Körpers. “Guckt mal, wie es wabbelt”, sagt sie dabei lachend zu ihren Fans in die Kamera. Janas Humor und Selbstironie sind nicht selbstverständlich, angesichts vieler großer Hürden im Leben. Schon als Jugendliche verspürt sie großen Druck, wird gemobbt und hat Binge-Eating-Attacken.
Binge-Eating ist eine der häufigsten Formen einer Essstörung, bei welcher Betroffene an wiederholten Episoden von unkontrolliertem Essen leiden. Diese Episoden gehen häufig mit einem Gefühl des Kontrollverlustes einher und die Betroffenen essen schneller als normal, selbst wenn sie nicht hungrig sind. Scham über den Kontrollverlust und die Essanfälle führen oft dazu, dass die betroffene Person sich isoliert und versucht, ihr Verhalten zu verstecken. Im Gegensatz zu Bulimie folgen auf Essanfälle in einer Binge-Eating-Störung keine regelmäßigen, ungesunden Kompensationsmechanismen wie Erbrechen, Fasten oder übermäßiger Sport.
Bei einem gestörten Essverhalten gibt es oft nicht “den einen Grund”, sondern mehrere Einflüsse, wie genetische Veranlagung, Traumata oder ein verzerrtes Idealbild, die zum Ausbruch der Krankheit führen.