Das italienische Verfassungsgericht erlaubt die rechtliche Anerkennung von zwei Müttern nach künstlicher Befruchtung im Ausland.
Sie wollten einfach nur als Familie anerkannt werden. Jetzt haben sie einen Meilenstein für ganz Italien gesetzt: Isabella Passaglia und Glenda Giovannardi sind das erste lesbische Paar, bei dem beide offiziell als gleichberechtigte Mütter anerkannt wurden – dank einer Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichts.
Die beiden Anwältinnen aus der Toskana hatten ihr jüngstes Kind im April 2023 in Lido di Camaiore bekommen – entstanden durch eine künstliche Befruchtung in Spanien. In Italien wäre das nicht möglich gewesen, denn medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist dort bis heute nur heterosexuellen Paaren erlaubt.
Dass sie trotzdem beide als rechtliche Mütter eingetragen werden, ist einem Urteil aus dem Mai 2025 zu verdanken. Das Verfassungsgericht entschied: Es ist verfassungswidrig, der nicht-biologischen Mutter die rechtliche Elternschaft zu verweigern. Kinder hätten ein Recht auf zwei anerkannte Elternteile, unabhängig vom Geschlecht.
Für Passaglia und Giovannardi endet damit ein langer juristischer Kampf. Und für viele queere Familien im Land bedeutet das Urteil vor allem eines: endlich Sichtbarkeit – und ein Stück mehr Sicherheit.
Zunächst ein Rückschlag
Bis zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung wurde nur die gebärende Mutter automatisch rechtlich anerkannt. Dies konnte insbesondere bei tiefgreifenden Entscheidungen zu äußerst unangenehmen Situationen führen. So konnte beispielsweise allein die biologische Mutter medizinische Entscheidungen treffen. Darüber hinaus fehlte es an rechtlicher Sicherheit im Falle der Trennung eines Paares. Unter anderem aufgrund dieser realen Ängste hatten einige Gemeinden seit 2017 damit begonnen, auch gleichgeschlechtliche Paare als Eltern zu registrieren. Möglich wurde dies durch die Nutzung einer rechtlichen Grauzone. Dass dies der Regierung von Giorgia Meloni, die in ihrer Familienpolitik am Mutter-Vater-Kind-Modell festhält, nicht gefallen würde, war wohl weniger überraschend.
So versuchte das italienische Innenministerium im Jahr 2023 mit einem Rundschreiben an die Gemeinden, die Registrierung beider Elternteile bei gleichgeschlechtlichen Paaren zu unterbinden. Aufgrund dieses Schreibens mussten sich viele nicht-biologische Mütter in einem mühsamen Verfahren um die Adoption ihres eigenen Kindes bemühen oder ganz auf das Sorgerecht verzichten.
Was sagt das Verfassungsgericht?
Mit dem Urteil hat das Verfassungsgericht deutlich gemacht: Die bisherige Praxis, nur die biologische Mutter anzuerkennen, verstößt gegen die Verfassung und muss geändert werden.
Die Richter:innen sehen darin eine klare Benachteiligung von Kindern lesbischer Paare. Sie argumentieren: In Italien werden bei heterosexuellen Paaren Männer auch dann als rechtliche Väter anerkannt, wenn das Kind durch eine Samenspende entstanden ist – also ohne genetische Verbindung. Entscheidend sei nicht die Biologie, sondern die bewusste Entscheidung, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Dieser Grundsatz müsse auch für zwei Mütter gelten.
Zudem verletze die bisherige Regelung mehrere Artikel der italienischen Verfassung. Besonders betroffen sei das Recht des Kindes, von Geburt an eine klare und gesicherte rechtliche Identität zu haben.
Kritik am Urteil ließ nicht lange auf sich warten. Die rechte Politikerin Augusta Montaruli von der Fratelli d’Italia erklärte, es sei „undenkbar“, den biologischen Vater zu ersetzen. Das Kind habe ihrer Meinung nach ein Recht auf eine männliche Bezugsperson.
Weitere Schritte in Richtung Gleichstellung
Bereits im April wurde ein Urteil im ähnlichen Stil durch den Obersten Gerichtshof in Rom gefällt. Die Bezeichnung „Vater“/„Mutter“ auf dem elektronischen Personalausweises eines Kindes gelte demnach als diskriminierend, da sie nicht alle Familienformen abbilde. Künftig soll auf italienischen Ausweisen daher neutral von „Elternteilen“ die Rede sein.
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