Zum Frühstück ein noch warmes Croissant mit Cafe au lait. Zum Mittag Paella mit frischen Pimientos de Padron und zum Abendessen Penne all’arrabiata mit einem guten Glas Wein. So oder so ähnlich stelle ich mir den perfekten Tag vor. Gar nicht mal so abwegig, fragt man David Förster. Der 25-Jährige reiste vergangenes Jahr mit dem Interrail-Ticket quer durch Europa. Was er alles erlebt hat, mit welchen Herausforderungen und Kosten er konfrontiert war und was er euch für eure nächste Reise raten würde, hat er mir erzählt.
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Das Konzept Interrail
Reisen, ein Hobby, dem sich viele junge Menschen verschrieben haben. Ob mit dem Bulli, dem Schiff oder klassisch mit dem Flugzeug. In der Kategorie Nachhaltigkeit allerdings schneiden alle drei vermutlich nicht so gut ab. Aber kann Reisen überhaupt nachhaltig sein und wenn ja, lässt es sich umsetzen?
1959 gründete sich die Eurail Gesellschaft, die bereits damals sogenannte Eurail-Pässe vertrieb, mit denen man Europa mit dem Zug entdecken konnte. Das Ziel dahinter, internationalen Reisenden die Möglichkeit bieten, das neu vereinte und wiedereröffnete Europa zu erkunden. Ursprünglich mal mit nur 13 Ländern, entwickelte sich das Konzept rasend schnell zu einem Selbstläufer und bereits ein paar Jahre später führte die European Railways Union 1972 die Interrail-Pässe ein.
Dieses Angebot galt vor allem den jungen Europäer:innen und sollte ursprünglich nur als einmalige Aktion bestehen. Die hohe Nachfrage ließ die Idee des Passes allerdings Jahr für Jahr auf über 250.000 Reisende wachsen und ermöglichte es diesen, mit einem einzigen Ticket durch mehrere Länder zu fahren. Gemeinsam haben Interrail und Eurail Zugang zu über 250.000 Kilometer Eisenbahnstrecke und 33 verschiedenen Ländern.
Auch heute noch richtet sich das Ticket vor allem an junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren. Das Ticket steht aber auch älteren Reisenden zur Verfügung. Der Pass lässt sich ganz einfach an die Bedürfnisse anpassen. Egal ob man mehrere Länder auf einmal besuchen oder ein Land etwas genauer erkunden möchte. Für jede Reise gibt es ein spezielles Ticket. Mit dem Interrail Global Pass lassen sich 31 Länder in Europa neben Zug, auch mit dem Schiff bereisen. Je nachdem, welche Gegend und welches Land man sehen möchte, kann zwischen 3 und 15 Reisetagen gewählt werden. Innerhalb dieses Zeitraums stehen einem dann die Züge frei zur Wahl, die in dem Pass enthalten sind.
Neben Hochgeschwindigkeitszügen und regionalen Zügen gehören auch Nachtzüge dazu. Will man ganz flexibel sein, kann man auch das Continous-Ticket wählen, das die Reise nicht auf bestimmte Tage beschränkt, sondern nur einen Zeitraum eingrenzt. Oder man entscheidet sich nur für ein Land, dann wählt man am besten den Interrail One Country Pass. Die Preise orientieren sich am Schluss dann an den Reisetagen und dem Zeitraum sowie der Klasse und an den zu bereisenden Ländern. Genauere Informationen, was sich dann daraus ergibt, findet ihr unter www.intercity.pl/de/site/fur-fahrgast/ofertyde1/zagraniczne/interrail-angebot.html.
Reiseziel Europa
Zusammen mit einem guten Freund verbrachte David Förster schon den zweiten Sommer an den schönsten Orten Europas. Mit jeweils nur einem Rucksack reisten die beiden durch Luxemburg, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal. Insgesamt bereisten sie mit dem Continous-Ticket 20 Städte innerhalb von 30 Tagen. Was die beiden erlebten, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hatten und was er allen zukünftigen Interrail-Reisenden raten würde, hat er mir in einem Interview erzählt.
Du hast letztes Jahr eine Reise durch Europa gemacht, war das deine erste Interrail-Erfahrung?
Es war tatsächlich schon die Zweite. Ich habe direkt nach meinem Abitur zusammen mit drei Freunden eine Reise durch Österreich, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Kroatien und Italien gemacht. Also eher Süd- und Osteuropa. Im Sommer letzten Jahres waren dann die westlichen Länder dran.
Dann bist du quasi schon Profi oder zumindest Fortgeschrittener. Wie hast du eigentlich davon erfahren und warum hast du dich für Interrail entschieden?
Meine Eltern haben früher selber Interrail Reisen gemacht. Für sie war das eine der wenigen Optionen zu reisen, weil Fliegen damals für beide noch zu teuer war. Deshalb stand für mich schon lange fest, dass ich das auch machen möchte und die Zeit nach dem Abitur bot sich an. Ein paar Freunde von mir hatten auch Lust etwas von der Welt zu sehen und dann haben wir uns zusammengetan und unsere erste Interrail-Reise geplant. Im Juli 2017 ging es los. Im Vergleich, war das erste Mal schon sehr abenteuerlich. Es war ein ganz anderer Urlaub im Vergleich zu denen, die wir bisher hatten. Normalerweise ist ja alles gebucht und durchgeplant und man weiß genau, wann und wo man landet und bei dieser Reise wusste man noch nicht mal, welchen Zug man nimmt.
Das klingt wirklich abenteuerlich. Ich schätze, du hast einiges an Erfahrungen beim ersten Mal sammeln können und konntest bei deiner letzten Reise davon profitieren. Vielleicht können wir uns auf deinen Urlaub letzten Sommer beziehen. Wo warst du denn überall?
Gerne, die zweite Reise ist auch noch deutlich präsenter und wie du sagst, konnte ich einige Learnings aus der ersten Reise anwenden. Diesmal sind wir nur zu zweit unterwegs gewesen. Niklas und ich haben insgesamt sechs verschiedene Länder in Westeuropa bereist. Wir haben mit Luxemburg gestartet, sind dann über die Niederlande nach Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal. Abenteuerlich war diese Reise aber trotzdem!
Wie habt ihr euch vorbereitet, als feststand, dass es wirklich bald losgeht? Woran musstet ihr alles denken?
Also, Vorbereitung ist wirklich das Wichtigste. Man muss sich gut überlegen, wo man überall hin und was man sehen möchte. Am einfachsten plant man eine Rundreise mit allen Städten, die man besuchen möchte. Bei meiner ersten Interrail-Reise hatten wir zum Beispiel nur sieben Reisetage in einem Monat. Da muss man dann gut planen und sich rechtzeitig erkundigen, welche Nachtzüge man nehmen kann, um nicht zwei Reisetage zu “verschwenden”. Und wichtig ist auch zu wissen, dass man während der Reise nicht wieder zurück nach Deutschland fahren darf. Die Reise muss also durchgehend im Ausland stattfinden. Damit würde also eine Route, die von Deutschland nach Polen führt und dann über Deutschland weiter nach Frankreich, nicht gehen.
Generell ist es sinnvoll, sich grob darüber zu informieren, wie das Zugsystem in anderen Ländern funktioniert. Es gibt zum Beispiel Länder, in denen es nur wenige Züge gibt oder die Strecken sehr auf Großstädte konzentriert sind. Aber natürlich kann man die Reise auch ganz anders angehen und viel unvorbereiteter losziehen. Dann hat man vielleicht noch ein bisschen mehr Nervenkitzel. Man muss sich, glaube ich, einfach nur im Klaren sein, welches Abenteuer man will und natürlich welches Budget man zur Verfügung hat.
Nachdem ihr das dann für euch entschieden habt, ging es ja dann endlich los. Ihr seid im Süden Deutschlands gestartet, in Karlsruhe. Kam der erste Zug denn pünktlich?
Tatsächlich nein. Unser erster Zug hatte direkt Verspätung. Unseren ersten Anschluss haben wir trotzdem erwischt, allerdings war der Schienenersatzverkehr und direkt der erste Fail. Wegen Bauarbeiten mussten wir in Saarbrücken auf den Bus umsteigen und der war nicht im Interrail-Ticket enthalten, also mussten wir noch in Deutschland extra zahlen. Mit dem Bus ging es dann nach Luxemburg. Dort haben wir dann unseren ersten Tag verbracht und das Nationalgericht “Kniddelen” probiert. Das hat stolze 25 Euro gekostet. Ob ich es nochmal essen würde, weiß ich ehrlich gesagt nicht.
Ganz generell hatten wir auch noch nicht das Gefühl, groß von zu Hause weg zu sein. Das war beim ersten Interrail viel intensiver. Kann aber natürlich auch daran liegen, dass man nach dem Abi ein anderes Gefühl von Freiheit hatte. Wir sind am Abend direkt weiter gefahren und haben dann in Eindhoven übernachtet. Davor haben wir allerdings noch die beliebte Ausgangsmeile “Stratumseind” besucht. Das ist anscheinend die längste Barstraße der Beneluxländer.
Kannst du uns von da aus weiter auf deiner Reise mitnehmen? Was waren eure nächsten Stopps?
In den Beneluxstaaten hat es sich für uns angeboten, viele Städte zu besuchen. Die Strecken sind aufgrund der Ländergrößen recht kurz und zusätzlich sind Fahrräder und Roller total verbreitet und man kommt easy von A nach B. Den Bus haben wir auch ab und an genommen, allerdings war der Nahverkehr oft nicht in unserem Interrail Pass mit eingeschlossen. Deshalb haben wir öfter auf Busse, S- und U-Bahn verzichtet. Das ist dort aber kein Problem, da zum Beispiel die Fahrradwege gut ausgebaut sind.
Dann ging es über Rotterdam, Den Haag, Antwerpen, über Brügge und Brüssel weiter nach Frankreich. Da sind die Strecken dann schon deutlich länger und auch sehr zentralistisch. Das Gleiche gilt für Spanien. Nach Paris oder Madrid kommt man recht schnell, aber kleinere Orte sind dann gar nicht mehr so leicht zu erreichen. Zudem braucht man in Spanien Zugplatzreservierungen, sonst kommt man gar nicht erst in den Zug. Das macht die Spontanität natürlich etwas schwieriger.
Und Spanien hat andere Schienengrößen. Das bedeutet, um nach Spanien zu kommen, mussten wir auf BlaBlaCar umsteigen. Das Gleiche gilt natürlich auch, wenn man Spanien wieder verlassen will. Über die Grenze kommt man nicht mit dem Zug. Von Rennes in Frankreich sind wir dann über Bordeaux nach Spanien. Und über San Sebastián, Bilbao, Salamanca nach Portugal – Porto, Lissabon, Albufeira und dann wieder zurück nach Spanien über Sevilla, Granada, Córdoba, Toledo und zum Schluss noch Valencia. Ein Teil meiner Familie lebt in Spanien, deshalb war das auch mein Endziel.
Das klingt nach einer unglaublich schönen Reise, die ihr vermutlich so schnell nicht vergessen werdet. Bei so vielen Bahnhöfen, die ihr während des Monats gesehen habt, ist dir ein besonders schöner im Kopf geblieben? Oder gab es überhaupt einen besonders schönen?
Tatsächlich ja! Der schönste Bahnhof war der in Antwerpen. Das ist eine richtige Sehenswürdigkeit! Der in Porto ist aber auch wirklich sehr sehr schön! Dort hängt ein Bild aus tausenden Mosaiksteinchen, die direkt aus Porto kommen und dort auch sehr bekannt sind.
Hast du auch einen Moment, der dir ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Mhh, beim ersten Interrail war es definitiv ein Sonnenaufgang. Die Bahnstrecken in Osteuropa waren wirklich abenteuerlich. Die Züge hatten Balkone an den Enden der Waggons und dadurch konntest du im Freien an der frischen Luft die spektakulären Aussichten genießen. Auf der Strecke von Zagreb nach Split sind wir mit dem Nachtzug gefahren. Der Zielbahnhof lag direkt am Strand und bei unserer Ankunft um 6 Uhr morgens, konnten wir einen wunderschönen Sonnenaufgang genießen. Wir sind praktisch direkt hineingefahren. Da man die Fenster in den Zügen in Osteuropa ganz nach unten schieben kann, haben wir uns richtig weit aus dem Fenster gelehnt. Das war ein so absurdes Gefühl. Ein bisschen wie im Film.
Der coolste Moment letztes Jahr war auf der Fahrt von Lissabon an die Algarve. Eigentlich hätten wir den Zug nicht bekommen, weil er voll war und wir keine Reservierung hatten. Am Bahnsteig haben wir zwei Schweizerinnen kennengelernt, die das gleiche Problem hatten. Wir sind also auf gut Glück ohne Reservierung eingestiegen und haben uns ins Bordbistro gesetzt. Dort saßen wir die komplette Fahrt zusammen, haben ein Bier getrunken und uns bestens unterhalten. Mit denen haben wir bis heute noch Kontakt!
Würdest du, wenn du könntest, nochmal eine Interrail-Reise machen?
Absolut! Ich habe sogar erst vor kurzem die nächste Reise für diesen Frühling gebucht. Diesmal ist es aber keine klassische Reise wie bisher. Ich fahre nach Gent, weil mir diese Stadt so oft empfohlen wurde und uns beim ersten Interrail die Zeit dafür nicht gereicht hat. Diesmal geht mein Interrail aber nur vier Tage, weil es ursprünglich gar kein Interrail werden sollte, die Züge mit dem Pass aber zum einen flexibler und zum anderen günstiger sind. Ich würde super gerne nochmal eine Tour machen, bevor ich aus dem Jugendtarif falle. Vielleicht nochmal andere Ecken in Osteuropa, oder nur Frankreich oder Italien. Vielleicht aber auch Skandinavien oder Großbritannien! Auf jeden Fall im Frühjahr oder im Sommer, sonst muss man viel zu viel Gepäck mit sich herumschleppen.
Zum Schluss noch eine Frage. Was siehst du als Chance und wo siehst du Verbesserungspotential?
Verbesserungspotential sehe ich auf jeden Fall beim Thema Nahverkehr. Es würde vieles einfacher machen, wenn der in den Pässen enthalten wäre. Und der Support fehlt manchmal. Es gibt keinen richtigen Ansprechpartner, an den man sich wenden kann.
Als Chance sehe ich vor allem die Option, so viele Länder in Europa in so kurzer Zeit zu sehen. Und das für relativ günstiges Geld! Und anders als bei Reisen mit dem Flugzeug kann man bei Interrail die Reise an sich als zusätzliches Erlebnis dazu zählen. Man lernt so viele Menschen kennen und sieht so schöne Strecken. Für mich ist die schönste Strecke, die von Tarragona nach Barcelona. Direkt am Strand entlang und durch Klippen durch. Und natürlich ist das Reisen mit der Bahn deutlich nachhaltiger als mit dem Auto oder dem Flugzeug.
Kostenaufstellung
ÖPNV | 66,81 € |
Essen und Trinken | 497,61 € |
Ausgehen | 273,16 € |
Übernachtungen | 754,25 € |
Sehenswürdigkeiten | 162,33 € |
Sonstiges (u.a. Interrail-Pass) | 408,25 € |
Summe | 2162,41 € p.P. |
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Beitragsbild: library eurail