Maike wohnt in einer Villa in Weimar. Doch nicht allein. Ein Porträt über die Freude am Teilen und am Kochen. In den GOOD FOOD STORIES stellen wir euch inspirierende Personen und ihre ganz persönlichen Rezepte vor. Ganz dem Motto: eat good, read good.
Ein großes Haus in Weimar, drei Stockwerke. Davor ein Sitzplatz unterm Schmetterlingsbusch. Hier macht Maike Gaede am liebsten Pause, raucht und trinkt Tee. Die 67-Jährige gelernte Optikerin hat viel erlebt, in ihrem Haus viele Menschen unterschiedlichster Kulturen ein- und ausgehen sehen. Mit dem Good News Magazin hat sie über ihr bewegtes Leben, Hausbesetzungen und der Freude am Geben gesprochen. Bei allem spielt eins eine wichtige Rolle: Essen. Aus diesem Grund hat sie eines ihrer liebsten Rezepte mit uns geteilt – passend zu unserem Format der GOOD FOOD STORIES.
Erwachsen werden zwischen Strand und Hausbesetzungen
Seit 27 Jahren lebt Maike Gaede nun in Weimar, doch bevor sie dort ihr Zuhause fand, hat sie eine Menge gesehen: Ihre Kindheit, die sie mit „viel Sand und Meer und mit Krebsen spielen“ zusammenfasst, verbrachte sie auf Helgoland. Für einen Au Pair-Job ging sie Mitte der 70er Jahre nach London, wo sie die britische „squatting a house“-Szene kennenlernte.
Als Hausbesetzerin lebte sie zu der Zeit „halblegal“, wie sie sagt – auf eine Weise, die man sich heute kaum vorstellen kann: „Es gab keine Strafe, man wurde nicht geräumt, es wurde nur festgestellt, dass man da ohne Mietvertrag wohnt. Aber wir haben Wasser und Strom bezahlt und der Besitzer hat einen nicht rausgeworfen.“
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Wohngemeinschaften als Lebensschule
Zurück in Deutschland war für Maike klar, dass sie das gemeinschaftliche Leben auch hier fortsetzen will. Sie wohnte fast 20 Jahre in verschiedenen Wohngemeinschaften in Hamburg, meist Altona. Man teilte sich Wohnraum, Essen und das politische Engagement: „Da war keiner drin, den Politik nicht interessierte.“ Die Anti-AKW-Bewegung war der gemeinsame Nenner.
„Kohle wurde zusammengeschmissen.“
Maike Gaede
Für die politisch Engagierte bewegte und vor allem intensive Zeiten. Ihr Interesse galt dabei vor allem dem Feminismus und der Nachhaltigkeitsbewegung; vor allem war sie links unterwegs, jedoch ohne Parteizugehörigkeit.
1990 bekam sie ihr erstes Kind mit Daniel. Die junge Familie zog 1992 nach Tübingen, wo er im Verein für Friedenspädagogik arbeitete. Zwei weitere Kinder kamen hinzu, nach drei Jahren war die Zeit der „reingeschmeckten Fischköpfe“ vorbei. Daniel erhielt eine unbefristete Stelle als pädagogischer Leiter an der Gedenkstätte Buchenwald, also zog die Familie 1995 in das thüringische Weimar. Dort überzeugte die Familie das Paar schließlich zum Hauskauf.
Doch auch, wenn Maike anfangs der Schritt von der Hausbesetzerin zur Hausbesitzerin schwer fiel, sah sie schnell auch die Vorteile des Eigentums, das sie sich durch Erbschaft und Kredit ermöglichen konnten: „Ist ja auch schön, wenn man ein Haus hat und das so füllen kann, wie man möchte.“ Auch, wenn sie glücklich ist in Weimar, ist sie überzeugt: „Nette Leute gibt’s überall.“ Und dennoch: „Mein Herz ist norddeutsch, auch, wenn ich gerne in Weimar wohne.“
Ein Haus, gefüllt mit Leben
Das oberste der drei Stockwerke ihres Hauses vermietet das Paar oft an Studierende, die das Haus gemeinsam mit ihren drei Kindern in den letzten Jahrzehnten mit neuem Leben füllten. Durch die Waldorfschule und den Kinder- und Jugendzirkus „Tasifan“ kamen oft Jugendliche als Praktikant:innen und Freiwillige ins Haus, einige für ein ganzes Jahr.
Die Gaede’schen Kinder wussten, „dass wir immer Platz für Besuch haben und Leute aufnehmen können.“ Heute seien die drei vor allem für die Erfahrung dankbar, mit so unterschiedlichen Menschen zusammengelebt zu haben. Außerdem wurden sie so schon Zuhause motiviert, Englisch zu lernen.
Heute leben die Kinder in Leipzig und Jena, ruhig wird es im Haus dennoch nicht. Über Maikes Engagement im Orchester kommen weiterhin „Freunde, Bekannte, weniger-Bekannte und gar-nicht-Bekannte“, wie Maike ihre Mitbewohner:innen der letzten Jahre zusammenfasst. Bis vor kurzem wohnten Menschen aus der Türkei, aus Syrien und der Ukraine bei ihnen. Als sie vor einigen Jahren verreisten, hatten sie für diese Zeit wieder einmal ihr Haus einer Familie zur Verfügung gestellt, die sich keinen Urlaub leisten konnte.
Maike ist wichtig, dass vorhandener Raum sinnvoll genutzt wird. „Eigentum verpflichtet“, heißt es im Grundgesetz. Für sie ist ein offenes Haus jedoch kein Pflichtprogramm, sondern ein Stück gelebte Utopie – inklusive aller Freuden und Enttäuschungen, die sich aus den Begegnungen mit „Fremden“ ergeben, doch die Freude überwiege bei weitem.
Teilen, von klein auf
Wie schön Teilen sein kann, lernte die 67-Jährige bereits in ihrer Kindheit: „Meine Mutter hatte immer den herrlichen Spruch auf den Lippen: ‚Und wenn ihr ein Stück Schokolade habt und eine Freundin steht daneben, dann müsst ihr es durchbrechen, sonst blutet ihr Herz‘. Und: ‚Fürs Geben muss man nicht viel haben – auch kein großes Haus.‘“ Diese Philosophie begleitete sie ihr ganzes Leben: In ihren Hamburger Wohngemeinschaften war für spontanen Besuch immer ein Platz im Hochbett frei, das WG-Auto wurde oft verliehen, auf Reisen wurden grundsätzlich Trampende mitgenommen. Heute engagiert sie sich vor allem in der solidarischen Landwirtschaft, dem Projekt „Geschichte sichtbar machen“ und spielt in der Band „Munterwegs“ sowie dem Erfurter Klezmerorchester Posaune.
Dass viele mit ihrer grundlegenden Überzeugung eines kollektiven Besitzes wenig anfangen können, ist Maike egal.
„In den 60er und 70er Jahren war die ganze Gesellschaft aufgehetzt gegen protestierende Studierende, Hippies, Ökos und AKW-Gegner. Birkenstocksandalen und Jutetaschen wurden aus Überzeugung getragen, aber die Träger oft abschätzig behandelt.“
Besonders an eine Situation erinnert sie sich lächelnd: Sie hatte gerade einen großen Topf Suppe gekocht, als sie zu einem Termin musste. Sie ließ die hintere Balkontür offen, was eine Bekannte, die gerade zu Besuch war, sehr verwunderte. Maike erklärte ihr, dass in ihrer Abwesenheit fremde Schlafgäste kämen, die sicher hungrig wären. Die Bekannte war sehr überrascht, dass sie so einfach Unbekannte ins Haus ließ – für viele unvorstellbar, für Maike völlig normal.
Keine Geheimrezepte
Glücklich ist Maike besonders, wenn sich viele verschiedene Menschen um ihren Essenstisch versammeln. Auf den Tisch kommen dann Gerichte, die von den verschiedensten Küchen inspiriert sind. „Kochen habe ich tatsächlich in England gelernt, obwohl das so ein bisschen absurd ist. Die Engländer kochen echt furchtbar“, erinnert sich Maike. Doch das Kocherlebnis in Wohngemeinschaften war nicht typisch britisch. Stattdessen wurde „einfach zusammengeschmissen, was da war“: So entstanden zum Beispiel Suppen und Eintöpfe – Gerichte, die sie auch heute noch mit Freude ihren Gästen serviert.
„Wenn mich dann Leute fragen, wie die Gerichte heißen, sag ich: Das hat doch keinen Namen… Nennen wir es ‚leckerer Dienstag‘. Ich koche halt irgendwas und experimentiere gern.“
Die gebürtige Helgoländerin betont, wie wichtig es ihr sei, kulinarische Tipps zu teilen: „Wenn´s schmeckt, immer weitergeben!“, ruft sie und wendet sich vehement gegen jene, die ihre Rezepte geheim halten. Als sie beginnt, über ihre Leidenschaft zu sprechen, kommt sie schnell ins Schwärmen. Sie spricht über Tschubritza, eine bulgarische Gewürzmischung, außerdem über die asiatische Küche, ihren Gasofen und Knoblauch. Wer im Haus der Gaedes wohnt, bekommt deshalb auch direkt einen indirekten Kochkurs: „Wer hier mitwohnt, muss auch mit schnippeln“, stellt Maike klar.
Schon bald wird sie eine weitere Schnippelhilfe bekommen – ihre Tochter erwartet ihr erstes Kind. Dass ihr Enkelkind viel von der Oma lernen kann, ist offensichtlich, doch Maike will ihm vor allem drei Dinge mit auf den Weg geben: „Humor, Liebe zur Musik und Freude am politischen Engagement, das sind die drei entscheidenden Sachen in meinem Leben.“ Und am Ende ist wohl ihre ganze Lebensphilosophie irgendwie politisch.
Good Food – Rezept: Reis mit Gemüsepfanne
Zutaten (Mengen einfach nach Zahl der Personen selbst einschätzen)
- Reis
- Öl
- Beliebiges Gemüse, zum Beispiel Zwiebeln, Möhren, Paprika, Zucchini, Broccoli, Pilze und Lauch
- Sojasauce
- Erdnusscreme
- Beliebige Extras wie Tofu, Sojasprossen, Chili, Rosinen, Ananas oder Cashew-Kerne
1. Zuerst den Reis aufsetzen (Vollkornreis benötigt ca. 50 Minuten).
2. In der Zwischenzeit das Gemüse klein schneiden.
3. Etwas Öl in einer Pfanne oder einem Wok erhitzen, darin die Zwiebeln im Öl anbraten. Das Gemüse hinzufügen und unter Zugabe von etwas Wasser ca. 15 bis 20 min garen.
4. Dann die Rosinen, Cashew-Kerne und die kleingeschnittene Ananas untermischen. Optional: Tofu, Sojasprossen und Chili hinzufügen.
5. Für die einfache Variante würzen und mit Sojasauce abschmecken. Wer mehr Flüssigkeit haben will, kann auch Kokosmilch verwenden.
6. Erdnusssauce ergänzen: Dazu etwa ein halbes Glas Erdnusscreme mit heißem Wasser verrühren und ein bis zwei Esslöffel Sojasauce dazugeben.
Weitere Variationen:
- Nach asiatischer Art: Ganz zu Beginn in das heiße Öl je einen Teelöffel rote Currypaste und einen Teelöffel Tikka Masala geben, dann erst die Zwiebeln anbraten.
- Dritte Variante: Eine Tasse rote Linsen (braucht doppelte Menge Wasser zum Quellen) direkt mit in das Gemüse geben.