Durch Glücksunterricht werden seit den Herbstferien 300 Kindern in Braunschweig emotionale Kompetenzen nähergebracht.
An 16 Braunschweiger Grundschulen wird bis Ende dieses Schulhalbjahres im Rahmen des GlüGs-Projektes der Fokus auf emotionale Kompetenzen gelegt. Damit nehmen die Schulen an einem Forschungsprojekt des Instituts für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig teil. 35 Lehramtsstudierende unterrichten den Glücksunterricht für ungefähr 300 Schüler:innen. Für die Unterrichtsgestaltung wird eine komprimierte Version des Curriculums Schulfach Glückskompetenz der Logopädin Carina Mathes genutzt.
Neben Carina Mathes setzt sich auch der Glücksforscher Tobias Rahm für die Einführung des Glücksunterrichts in Deutschland ein. Tatsächlich ist Glücksunterricht in anderen Ländern bereits seit Längerem Bestandteil des Stundenplans. In der Geelong Grammar School in Australien werden die Schüler:innen wöchentlich mit zwei Stunden zum Thema Glück und Emotion unterrichtet. In New Delhi in Indien gibt es den Unterricht sogar ein Mal täglich für circa eine Million Kinder. Auch deutsche Studien belegen den positiven Einfluss von Glück auf das Verhalten von Schüler:innen. Sie erbringen nicht nur bessere Leistungen in der Schule, sondern zeigen auch ein besseres Sozialverhalten.
Die Suche nach dem Glück
Doch was bedeutet eigentlich Glück? Einer der führenden Psycholog:innen der noch jungen positiven Psychologie, Martin Seligman, beschreibt Glück als „subjektives Wohlbefinden“. Lange Zeit, so seine Worte, hat sich die Psychologie überwiegend damit befasst, psychologische Krankheiten zu analysieren, kategorisieren und zu verstehen. Die positive Psychologie hingegen schaut sich an, wie ein psychisch gesunder Mensch aussieht. Und eine der wichtigsten Eigenschaften von psychischer Gesundheit ist laut Seligman das Empfinden von Glück. Im Rahmen seiner Forschung erstellte Seligman zudem ein Modell, mit dem Glück messbar gemacht wird.
Er ist fest davon überzeugt, Glück sei besonders in einer sehr leistungsorientierten Gesellschaft wichtig. Daher ist es essentiell schon früh, am besten in Grundschulen, auf emotionaler Ebene mit Menschen zu arbeiten. Während die Zahlen psychischer Krankheiten über die Zeit gewachsen sind, ist mentale Gesundheit häufig noch ein Tabuthema.
Es gibt erfreuliche Nachrichten: Studien der letzten Jahre zeigen deutlich, dass Glück erlernbar ist. Und auch, dass Glücksunterricht bei Kindern viele positive Wirkungen mit sich bringt. So konnte bereits ein Zusammenhang mit der Leistung von Schüler:innen belegt werden. Auch die Problemlösefähigkeiten und sogar das Immunsystem profitieren von der Auseinandersetzung mit dem subjektiven Wohlbefinden.
Der Weg hin zum GlüGs-Projekt
Dr. Ernst Fritz-Schubert führte den Glücksunterricht erstmals in Deutschland ein. Als Schuldirektor der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg übernahm er das sehr erfolgreiche Konzept anderer Schulen im Ausland. Gleichzeitig forschte er intensiv an den positiven Folgen der Kompetenz Glück bei Schüler:innen. Im Ernst Fritz-Schubert Institut bildet Fritz-Schubert Lehrkräfte aus, ihren eigenen Glücksunterricht umzusetzen. Im Wintersemester 2013/2014 wurden zudem zum ersten Mal auch Seminare für Studierende des Lehramts zum Thema Glück angeboten.
Glückstrainer Tobias Rahm, der auch maßgeblich an dem GlüGs-Projekt mitarbeitet, untersucht bereits seit vielen Jahren, wie Glücksempfinden nachhaltig gestärkt werdenkann. Ähnlich wie Martin Seligman sieht er eine große Chance in der Arbeit mit Kindern.
Gemeinsam mit der Autorin Carina Mathes gestaltet Rahm die elf Unterrichtsstunden in den kommenden Monaten. Unter anderem wird in diesem Rahmen Hilfsbereitschaft, Achtsamkeit, Entspannung und Perspektivwechsel trainiert. Forscher:innen werden den Unterricht intensiv begleiten. Auch die Eltern der Kinder werden in das Projekt mit eingebunden. Sollten sich die positiven Effekte bestätigen, könnte Glück bald neben Rechnen und Schreiben ein integraler Teil des Stundenplans werden.
„Was wünschen wir uns für unsere Kinder? Die wenigsten antworten darauf mit ‚Rechnen können‘ oder ‚gute Rechtschreibung‘, sondern mit Begriffen wie Glück und Zufriedenheit.“
Martin Seligman
Glück ist eine Luxus-Emotion
Gemeinsam mit der österreichischen Psychologin Heide-Marie Smolka habe ich darüber gesprochen, wie man Glück in den Alltag integriert und wie der ideale Glücksunterricht in Schulen etabliert werden kann. Seit 20 Jahren unterstützt sie Menschen dabei, glücklicher zu sein – unter anderem durch Informationsvermittlung, Coachings und Glückslehrgänge.
Doch wie kam es eigentlich dazu, dass Smolka sich für eine Karriere im Glück entschied? Während ihr Studium sich größtenteils mit klinischer Psychologie und Depressionen beschäftigte, stellte sie durch Zufall fest, dass es tatsächlich auch eine Forschung positiver Emotionen gibt. Über die Gelotologie, die Wissenschaft des Lachens, kam sie zur positiven Psychologie. Ihr wurde schnell bewusst, dass physischer Gesundheit viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als psychischer. Das läge vor allem daran, dass Glück evolutionsbiologisch gesehen im Gegensatz zu Angst eine “Luxus-Emotion” sei. Smolka sieht in der Suche nach dem Glück jedoch eine wichtige Komponente zu einem erfüllten Leben. Und deshalb arbeitet sie seit vielen Jahren intensiv mit vielen Menschen hin zu mehr Glück.
Auf die Frage, was Glück für sie bedeute, lachte sie. Denn die vermeintlich einfache Frage sei eine der schwierigsten in der positiven Psychologie.
„Für mich bedeutet Glück mehr als die Abwesenheit von Unglück. Für mich bedeutet es auch mehr als Spaß und Vergnügen. Glück ist es, dass einem das Leben trotz aller Höhen und Tiefen gelingt. Dazu gehört auch, schwierige Zeiten zu akzeptieren und sich Herausforderungen zu stellen.“
Und wie sehe das Erfolgsrezept für Glück aus? Die Psychologin antwortete vor allem mit einem: Achtsamkeit.
„Glück bedeutet, sich immer wieder eine Pause vom Denken zu nehmen und mehr im Hier und Jetzt zu leben.”
Glück verankert sich im Gehirn
Die Umsetzung von Glücksunterricht in Schulen findet Smolka grundsätzlich sehr wichtig. Deshalb gibt sie selbst auch immer wieder Schulungen für Lehrkräfte und hat unter anderem Bücher für Schulkinder mitentwickelt. In der Schule können Kinder nicht nur alles rund um das Thema Glück lernen, sondern auch bestimmte Praktiken umsetzen. Dieser Schritt vom Lernen zum Umsetzen sei sehr wichtig.
Wenn die Kinder nur Wissen vermittelt bekämen, bedeute das nicht unbedingt, dass sie glücklicher werden. Dafür müsse Glück über ein Schulfach hinaus in der ganzen Schule integriert werden. Besonders Dankbarkeit lasse sich einfach in jeden Schultag einbinden. So könnten die Kinder am Ende des Tages darüber diskutieren, was tagsüber besonders gut gelaufen wäre und was am nächsten Tag vielleicht noch besser laufen könnte.
Durch das Schreiben von Dankbarkeitsbriefen werden beim Forschungsprojekt an den Braunschweiger Grundschulen ähnliche Praktiken eingesetzt. Grundsätzlich findet die Psychologin das Projekt sehr spannend. Letztendlich sei jeder Versuch, Glück sichtbarer zu machen, lobenswert – besonders bei Kindern.
„Ob ich etwas weiß oder kann, ist im Gehirn in unterschiedlichen Arealen verordnet. Das heißt, man kann alles über das Glück wissen, aber trotzdem unglücklich sein. Doch wenn man beides beherrscht, ist der Weg zu einem glücklicheren Leben geebnet.“
Und auch auf die Frage, wie man lerne, glücklicher zu sein, antwortete Heide-Marie Smolka mit einer biologischen Erklärung:
„Wenn ich möglichst oft glücklich bin, ändert sich meine Gehirnstruktur. Die Areale, die mit der Emotion Glück zusammenhängen, werden besser verknüpft und so kann die Emotion leichter abgerufen werden. Glücklich sein wird damit quasi zur Gewohnheit.“
Zur Gewohnheit könnte “Glücklich sein” bald auch für die 300 Schüler:innen der Braunschweiger Grundschulen werden. Bis Ende Januar 2023 läuft das GlüGs-Projekt noch. Sollte es erfolgreich sein, könnte Glück als Schulfach an deutschen Schulen bald zur Normalität werden.
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