Gleichgeschlechtliche Paare haben dasselbe Anrecht auf Krankenversicherung wie heterosexuelle Paare, urteilte ein südkoreanisches Gericht.
Mehr als zwei Jahre hatten So Sung-uk und Kim Yong-min gewartet, nun bestätigte das Oberste Gericht in Seoul am 21. Februar in seinem lang ersehnten Urteil: Dem gleichgeschlechtlichen Paar stehen dieselben Regelungen der Krankenversicherung zu wie heterosexuellen Ehepaaren. Die Entscheidung gilt als wegweisend auf dem Weg zur Anerkennung der Ehe für alle in dem ostasiatischen Land.
Urteil gegen Diskriminierung
So und Kim waren im Februar 2021 vor Gericht gezogen, um Beschwerde gegen eine Zahlungsforderung des National Health Insurance Service (NHIS) einzulegen. Das Krankensystem in Südkorea sieht vor, dass Verheiratete ohne Einkommen bei ihren Ehepartner:innen mitversichert sind, sofern letztere als Angestellte über ihre Arbeitsstelle versichert sind. Dieses Recht nahmen So und Kim, die seit zehn Jahren zusammenleben, im Februar 2020 in Anspruch. Im Oktober des gleichen Jahres entzog der NHIS So den Versichertenstatus und verlangte die Rückerstattung der zuvor geleisteten Zahlungen.
Im Januar 2022 lehnte ein niedrigeres Gericht die Klage des Paares zunächst ab. Die Begründung: die Regelung des NHIS gelte nur für Ehepartner:innen und als Ehe gelte nur der Bund zwischen Mann und Frau.
Das sah das Oberste Gericht in Seoul nun anders: “Sowohl der Kläger als auch sein Partner sind Männer, aber sie haben die Übereinkunft getroffen, einander als liebende Partner anzuerkennen, die für einander sorgen. Der eine ist finanziell auf den anderen angewiesen. Sie haben ihre Partnerschaft vor ihren Familien und Freund:innen bekannt gemacht. Damit unterscheidet sich ihre Beziehung im Grundsatz in nichts von der eines verheirateten Ehepaares”, hieß es in dem Urteil.
Die Regelung des NHIS sei nicht auf rechtlich definierte Familien und Ehepaare beschränkt, argumentierte das Gericht weiter. Gleichgeschlechtlichen Paaren das Anrecht auf Mitversicherung zu verwehren sei somit diskriminierend. Mit der Entscheidung wurde das vorige Urteil des niedrigeren Gerichts aufgehoben; der NHIS musste seine Forderung nach Versicherungszahlungen zurückziehen.
Aktivist:innen sehen Hoffnung für die Zukunft
Für So Sung-uk und Kim Yong-min, aber auch für viele Mitglieder der queeren Community war das Urteil viel mehr als eine Entscheidung über Gebühren oder Regelungen der Krankenversicherung. Denn auch wenn das Gericht deutlich machte, dass seine Entscheidung keine Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen als gesetzmäßig bedeutet, so gilt doch: zum ersten Mal wurde in Südkorea eine homosexuelle Partnerschaft einer heterosexuellen Partnerschaft in einer Rechtsentscheidung gleichgestellt.
“Ich bin überglücklich, weil es sich für mich so anfühlt, dass die Richter:innen uns durch ihre Entscheidung mitgeteilt haben, dass meine Gefühle für meinen Ehemann nicht das Ziel von Verfluchungen, Ignoranz oder Beschimpfungen sein dürfen” sagte So nach der Urteilsverkündigung.
In Südkorea wird die Eheschließung von nicht-heterosexuellen Paaren bislang nicht anerkannt. Ein im Jahr 2020 vorgestellter Gesetzentwurf, der die Diskriminierung von Minderheiten und insbesondere Angehörigen der LGBTQIA+ -Community verbieten würde, stieß im Parlament auf heftigen Widerspruch, obwohl knapp 60 Prozent der Bevölkerung sich nach Umfragen dafür aussprachen.
Viele Aktivist:innen erhoffen sich daher von der Entscheidung einen Präzedenzfall, der die Rechte von Minderheiten vor Gericht in Zukunft stärken wird: “Dies ist eine wichtige Entscheidung, die Südkorea der Gleichstellung der Ehe einen Schritt näher bringt. Wir haben noch einen weiten Weg zurückzulegen, um die Diskriminierung gegen die LGBTQIA+-Community zu beenden, aber dieses Urteil macht Hoffnung, dass wir Vorteile überkommen können”, so Boram Jang von Amnesty International.