Geschichten verringern den Stress für Eltern und fördern Kinder. Vorlesen und Erzählen helfen Kindern beim Verstehen der Welt und vergrößern ihren Wortschatz.
Wer kennt das nicht mit kleinen Kindern? Ein Kind ist morgens fröhlich, eines bummelt beim Anziehen oder Zähneputzen, und das Dritte ist schlecht gelaunt. Damals stresste mich das, und wir waren oft zu spät dran.
Ich erklärte ihnen meinen Stress, dass ich dringend die Bahn erreichen musste, um als Freelancer rechtzeitig bei meinem Auftraggeber zu sein. Doch so wichtig diese Tatsache für mich war, so unwichtig und langweilig war sie natürlich für meine Kinder.
Abenteuerlich in den Tag starten
Eines Morgens versuchte ich es anders: Ich erzählte eine Geschichte über den Stress und integrierte drei Kinder in das Geschehen. Das kam so gut an, dass ich die Geschichten von „Bimmelmi, Bammelra und Sammelda“ zu einem Ritual auf dem Schulweg machte.
Jeden Morgen erlebten meine Kinder auf ihrem Schulweg fiktive Abenteuer, bei denen sie im Mittelpunkt standen. Wir lachten viel, und die Geschichten wurden zu einem Highlight.
Erzählen und Vorlesen als Ritual
Guten-Morgen-Geschichten wirken wie Gute-Nacht-Geschichten. Vielen Kindern wird abends vorgelesen. Das eröffnet ihnen „ein Tor zu neuen Welten: Es bringt sie zum Lachen und rührt vielleicht manchmal auch zu Tränen, es lässt Bilder vor dem inneren Auge entstehen und beflügelt die Fantasie.“
Bücher wie Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer und Mio, mein Mio haben wir gemeinsam im Urlaub verschlungen. „Fachleute sind sich einig: Wenn Eltern ihren Kindern schon von klein auf vorlesen, tut das den Kleinen auf verschiedenen Ebenen gut.”
Größerer Wortschatz und Neuroplastizität
Die Stiftung Lesen führt seit 2007 Vorlesestudien durch. Die Studien stellen fest: „Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, haben besonders gute Startchancen. Sie haben früh einen größeren Wortschatz, lernen leichter lesen, sind einfühlsamer und haben in vielen Fächern bessere Schulnoten.“ Die vollständige Vorlesestudie gibt es hier.
Beim Vorlesen, Erzählen und Zuhören entstehen Bilder zu den Geschichten. Diese regen das Gehirn an. „Was im Gehirn geschieht, wenn man sich etwas vorstellt, ist mittlerweile recht gut erforscht. Solches Verstehen findet nicht an irgendeiner Stelle im Gehirn statt, sondern nahezu überall.“, schreibt Manfred Spitzer über Geschichten und Gehirnentwicklung. „Verbindungen zwischen Nervenzellen werden ganz allgemein dadurch geknüpft und vor allem gestärkt, dass sie benutzt werden. Man spricht von Neuroplastizität, und diese Formung der Verbindungen im Gehirn geschieht vor allem in der Kindheit“, führt Manfred Spitzer weiter aus.
Täglich passieren Dinge, die uns stören oder herausfordern. Ist der erste Ärger verflogen, können wir selbst wählen: Lassen wir uns langfristig beeinflussen oder finden wir einen Ausweg?
Ich löste das Problem unserer morgendlichen Stressroutine mit den Geschichten. Mit dieser Lösung erreichte ich für mich ein Erfolgserlebnis, welches mich langfristig glücklich machte.
Resilienz
Resilienz wird das „Immunsystem der Seele“ genannt. Wenn wir selbstwirksam werden und Probleme lösen, stärken wir unsere Resilienz. Zum Leben gehören auch Herausforderungen und Probleme. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen.
„Das lateinische Wort ‚resilire‘ bedeutet übersetzt ‚zurückspringen‘ oder ‚abprallen‘. Resiliente Menschen weisen eine optimistische Lebenseinstellung auf, denn sie leben in dem Bewusstsein, dass Krisen keine unüberwindbaren Hürden darstellen. Sie nehmen nicht die Opferrolle ein, sondern fokussieren sich auf mögliche Lösungsansätze.“
Sabine und Dr. Ralf J. Jochheim, Gesellschaft für Resilienz
Forschung noch am Anfang
Wiederholt sich die Erfahrung, selbst Lösungen zu finden und kein Opfer zu sein, kann mich das resilienter machen gegenüber Herausforderungen und Problemen.
Allerdings ist das kein Selbstläufer. Es gibt sehr viele Faktoren, die die Fähigkeit zur Resilienz beeinflussen, und die Forschung dazu steht noch am Anfang.
„Auch wenn resilienzaffine Phänomene im Prinzip seit Menschengedenken bekannt sind, weiß man letztlich immer noch vergleichsweise wenig darüber, wie im Fall von Bedrohung und Belastung das […] Zusammenspiel psychischer, sozialer sowie biologischer und genetischer Einflussfaktoren in Entwicklungspfade mündet, die aus der Perspektive des gesamten Lebensverlaufs als ein Ausdruck der Erlangung von Resilienz bewertet werden können.“, so die Autor:innen von „Multidisziplinäre Perspektiven der Resilienzforschung“.
Morgenroutinen retten
Auch zur Resilienz bei Kindern unter drei Jahren wird gezielt geforscht. Es wird untersucht, ob „Resilienz generell gefördert werden und wie die Resilienzentwicklung von Kleinkindern entwicklungsorientiert gefördert werden kann.“
Lasst uns den Morgen leichter und unterhaltsamer mit Guten-Morgen-Geschichten gestalten und mit Fantasie die Morgenroutinen verändern.
Beitragsbild: Ben Wicks / Unsplash