Eine neue Studie soll Klarheit schaffen

Frauenfußball: Kreuzbandriss im Takt des Zyklus

von | 11. Juni, 2025 | Gesundheit, Allgemein

Der Weltfußballverband FIFA untersucht in einer Studie den Einfluss des Menstruationszyklus auf die Gesundheit von Fußballerinnen.

In diesem Sommer richtet die Schweiz die Fußball-Europameisterschaft der Frauen aus. Auch die deutsche Nationalmannschaft ist wieder unter den 16 teilnehmenden Teams vertreten und gehört neben Spanien und England zum erweiterten Kreis der Favoritinnen. Im Zuge dieser sportlichen Großveranstaltung rückt der Frauenfußball verdientermaßen in den Fokus der Öffentlichkeit – ein guter Anlass, um nicht nur die sportlichen Leistungen zu beleuchten, sondern auch einen kritischen Blick auf gesundheitliche Herausforderungen zu werfen. Eine ist das vergleichsweise hohe Risiko für Kreuzbandrisse im Frauenfußball – ein Thema, das bislang wenig Beachtung findet, jedoch weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Athletinnen haben kann.

Der Kreuzbandriss – eine typische Fußballverletzung

Bevor man sich der spezifischen Problematik im Frauenfußball nähert, ist ein kurzer Blick auf die medizinischen Grundlagen sinnvoll: Das vordere Kreuzband hilft dabei, das Kniegelenk stabil zu halten – insbesondere bei nahezu gestrecktem Bein. Es verhindert, dass sich das Schienbein im Verhältnis zum Oberschenkelknochen zu weit nach vorne oder nach innen dreht. Verletzungen entstehen häufig bei plötzlichem Abbremsen oder schnellen Richtungswechseln, besonders wenn der Fuß fest auf dem Boden steht. Da genau solche Bewegungsmuster zum Fußball gehören, sind Kreuzbandrisse hier besonders häufig.

Immerhin gibt es auch eine gute Nachricht: Die Behandlungsmethoden haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Vor 20 Jahren wurde ein Kreuzbandriss noch durch eine offene Operation behandelt –  mit deutlich größerem Gewebeschaden und schwerwiegenderen Folgen. Heute erfolgt der Eingriff meist minimalinvasiv und schont umliegende Strukturen. Die durchschnittliche Ausfallzeit liegt bei rund sechs Monaten. Trotz besserer Heilungschancen kann ein Kreuzbandriss die Karriere jedoch nachhaltig beeinflussen: Nur etwa 65 Prozent der Fußballer:innen kehren laut Studien innerhalb von drei Jahren auf ihr vorheriges Leistungsniveau zurück.

Ungleich verteilt: das Verletzungsrisiko bei Frauen und Männern 

Besonders auffällig sind die hohen Verletzungsraten im Frauenfußball. Epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass Fußballerinnen ein bis zu sechsfach höheres Risiko für Kreuzbandverletzungen als ihre männlichen Kollegen haben. So fielen bei der vergangenen Weltmeisterschaft 2023 30 Spielerinnen aufgrund dieser Verletzung aus. Auch prominente Fälle wie der zehnmonatige Ausfall von Nationalspielerin Lena Oberdorf, die gerade wieder in den DFB-Kader zurückgekehrt ist, unterstreichen die Dringlichkeit des Themas.

Ein wesentlicher Erklärungsansatz sind anatomische und muskuläre Unterschiede zwischen Frauen und Männern. So führt das breitere Becken häufig zu einer stärkeren X-Bein Ausrichtung bei Frauen, die das Knie stärker belastet und Kreuzbandrisse begünstigen kann. Zudem fällt die muskuläre Stabilisierung bei Frauen oft schwächer aus, da sie im Durchschnitt weniger Muskelkraft entwickeln. Auch dies schränkt die Schutzfunktion für das Knie ein und belastet passive Strukturen wie Bänder in höherem Maße.

Der Zyklus als Risikofaktor

Ein bislang wenig beachteter Faktor ist der Menstruationszyklus. Viele Jahre lang wurden Trainingspläne, Belastungssteuerung und medizinische Diagnostik vor allem am männlichen Körper ausgerichtet und ohne Anpassungen auf Frauen übertragen. Dies ist nicht zuletzt eine Folge der nach wie vor ungleichen Förderung im Frauen- und Männerfußball. Dabei sollte es genügend Anlass geben, dies zu ändern. 

Denn es zeigt sich zunehmend: Bestimmte Zyklusphasen sind mit einem erhöhten Verletzungsrisiko verbunden. Beobachtungen belegen etwa, dass schwerwiegende Bänderverletzungen bei jungen Sportlerinnen erst ab der Pubertät – also ab dem 14. oder 15. Lebensjahr – auftreten. 

Auch bereits durchgeführte Studien liefern Hinweise: So haben Forscherinnen und Forscher des University College London, der Universität Bath und der St Mary’s University 26 Spielerinnen eines englischen Spitzenclubs über einen Zeitraum von drei Jahren begleitet – und registrierten insgesamt 74 Verletzungen. Die Studienergebnisse belegen: Spielerinnen verletzten sich zu bestimmten Zeitpunkten ihres Menstruationszyklus häufiger. In den Tagen vor ihrer Periode wurde ein sechsmal höheres Risiko für eine Muskelverletzung festgestellt als während der Menstruation. Die Forschenden sehen darin einen klaren Handlungsauftrag – und fordern mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit und gezielte Investitionen.

Neue Forschung im Anmarsch 

Nun hat auch der Weltfußballverband FIFA reagiert: Ab Juni läuft an der englischen Universität Kingston eine neue, von der FIFA finanzierte Studie zum Einfluss des Menstruationszyklus auf Verletzungsrisiken im Spitzensport. Fußballerinnen von Londoner Proficlubs wie Chelsea oder Fulham nehmen daran teil. Über ein Jahr hinweg werden regelmäßig Blut- und Leistungstests durchgeführt, um hormonelle Schwankungen zu erfassen.

Ziel ist es, Zusammenhänge zwischen Zyklusphasen und schweren Knieverletzungen zu identifizieren – und daraus neue Trainings- und Präventionsstrategien abzuleiten. Das könnte Profifußballerinnen helfen, künftig endlich gezielter im Einklang mit ihrem Körper zu trainieren. Denn es ist höchste Zeit, die physiologischen Besonderheiten des weiblichen Körpers im Leistungssport ernst zu nehmen – und das Tabu rund um den Menstruationszyklus zu brechen.

Positives Beispiel aus der Bundesliga

Dass Veränderungen bereits möglich sind, zeigt das Praxisbeispiel des Bundesligisten FC Carl Zeiss Jena. Dort orientiert sich die Trainingssteuerung nämlich bereits am Menstruationszyklus der Spielerinnen. So wird das Verletzungsrisiko in sensiblen Zyklusphasen durch Übungen mit niedrigerer Belastung minimiert – mit Erfolg: Im Gegensatz zur vorherigen Saison blieb die Mannschaft von schweren Kreuzbandverletzungen verschont. Das Beispiel zeigt: Ein zyklusorientiertes und individuell abgestimmtes Training kann das Verletzungsrisiko erheblich verringern.

Beitragsbild von Laura Rincón auf pexels

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Luca Kramarz
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