Historische Errungenschaft im Bangladescher Unionsrat

Erste Transgender-Bürgermeisterin in Bangladesch

von | 19. Juni, 2023

Mit Nazrul Islam Ritu hat Bangladesch seine erste Transgender-Bürgermeisterin gewählt. Ein starkes Zeichen für mehr Gleichberechtigung.

Mit der Wahl für den neuen Unionsrat ist erstmals eine Transperson in eine Regionalregierung in Bangladesch gewählt worden. Damit schreibt sie Geschichte und stellt einen Lichtblick für die Queerbewegung des Landes in Südostasiens dar.

Wie tickt Bangladesch

Seit 1991 zählt Bangladesch zu einer parlamentarischen Demokratie. Die 1972 in der Verfassung festgeschriebene demokratischen Volksrepublik war damit hinfällig und Religionsfreiheit sowie weitere grundlegende persönliche Freiheitsrechte ausdrücklich verankert. Das Einkammer-Parlament verfügt über 350 Sitze, von denen 50 explizit Frauen vorbehalten sind.

Trotz in der Verfassung vorgeschriebenen gesetzlichen Bestimmungen, die Frauen explizit vor Diskriminierung schützen sollen, erfahren diese im Alltag immer noch Benachteiligung. 

Ein langer Weg

In Trilochanpur, in einer Stadt im Südwesten von Bangladesch, wächst Nazrul Islam Ritu als Junge unter Verachtung und starker Feindseligkeit ihrer Familie auf. Bereits als Kind flieht sie aus ihrer Heimatstadt zu ihrem Bruder, der rund hundert Kilometer entfernt in der Hauptstadt Bangladeschs, Dhaka, lebt. Über ihn findet sie Zuflucht in einer Transgender-Gemeinschaft, in der sie auch Dipali kennenlernt, ihre zukünftige Guru-Mutter, die sich der jungen Ritu annimmt. „Ich lernte tanzen und singen, und wann immer irgendwo eine Hochzeit oder eine Geburt gefeiert wurde, trat unsere Gruppe dort auf – damit verdienten wir unser Geld und das war auch der Anfang meiner Ersparnisse“, erzählt sie in einem Interview. Ihre alte Heimat besuchte sie regelmäßig und versuchte, mit den Menschen der Kleinstadt in Kontakt zu bleiben.

Aus Sehnsucht zog sie mit Ende zwanzig wieder zurück nach Trilochanpur. Ihre Ersparnisse steckt sie in Wohltätigkeitsarbeit wie dem Bau von Straßen. Durch ihr Engagement über die letzten 15 Jahre half sie benachteiligten Menschen und gewann dadurch auch das Vertrauen ihrer Mitmenschen. „Meine Dorfbewohner begannen, mich in einem anderen Licht zu sehen und bestanden darauf, dass ich an den Wahlen der Gewerkschafts-Gemeinde oder der Kommunalverwaltung teilnehme“, erzählt sie. Von dem Zuspruch ihrer Heimat motiviert, beginnt Ritu ihre politische Karriere im Jahr 2020. Als unabhängige Kandidatin trat sie bei den Bürgermeister:innen Wahlen an und gewann diese im November 2021 mit großer Mehrheit.

Die erste Transgender-Bürgermeisterin Bangladeschs 

Den Sieg beschreibt sie als Durchbruch der „gläsernen Decke“, denn mit ihm soll auch die Akzeptanz des dritten Geschlechts wachsen, das in Bangladesch Transgender meint.

„Ich werde mein Leben dem öffentlichen Dienst widmen,“ erklärt sie. – und das mit Erfolg: „Ich kann mit Stolz sagen, dass wir frei von Korruption sind.“ Die Stärkung der Gleichberechtigung und die Bekämpfung von Drogenhandel stehen für sie an erster Stelle und gehören zu ihren Hauptmotivationen. 

Im Jahr 2013, vor genau zehn Jahren, gewährte Bangladesch geschätzten 1,5 Millionen Transgender-Personen das Recht, sich als eigenes Geschlecht zu identifizieren und drei Jahre später war es möglich, sich bei der Stimmabgabe bei Wahlen mit dem dritten Geschlecht zu registrieren. Das war damals schon ein großer Meilenstein. Mit der ersten Transgender-Bürgermeisterin Nazrul Islam Ritu gibt es jetzt eine weitere historische Errungenschaft. „Ich habe die Wahl als Transgender-Person gewonnen, jetzt möchte ich für den Rest meines Lebens den Menschen meiner Region dienen“, erklärt sie nach der Wahl.

Beitragsbild: pixabay.com

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Sophia Schweizer

Sophia ist Redakteurin beim Good News Magazin. Als Kind wollte sie unbedingt einmal so werden wie Karla Kolumna, umso stolzer wäre sie wohl, wenn sie wüsste, dass sie nun für das erste Magazin für Positiven Journalismus in Deutschland schreiben darf - Sensationell!

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